Hamburg. Wie sich Hamburgs Landesparlament in Sachen Gendersprache aufstellt – und was Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit dazu sagt.

Der Unterausschuss Parlamentsrecht und Geschäftsordnung der Bürgerschaft befasst sich heute mit dem Gendern. Es geht um „Gendergerechte Sprache in parlamentarischen Dokumenten“, also die Sprache, die die Bürgerschaft selbst benutzt – unabhängig von der Diskussion um die Volksinitiative, die sich gegen Gendersprache bei Behörden und Verwaltung wendet. Auch die Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit (SPD) treibt das Thema seit längerem um.

Hamburger Abendblatt: Wird die Hamburgische Bürgerschaft bald Bürger:innenschaft heißen?

Carola Veit: Das hat bisher niemand vorgeschlagen und darum geht es in der aktuellen Diskussion auch gar nicht. Bürgerschaft ist ein Eigenname.

Wären Sie lieber „Bürger*innenschaftspräsidentin“?

Carola Veit: Nein, es in Ordnung so, wie es ist. Man sollte – wie überall – nicht übertreiben, sondern eine gute Mischung finden.

Die Bürgerschaft gendert schon seit Jahren, nutzt inzwischen auch den Binnen-Doppelpunkt auf ihrer Internetseite, in Presseerklärungen und im Schriftverkehr. Warum?

Carola Veit: Wo es möglich ist, gehört es dazu, dass wir die Vielfalt der Bevölkerung abbilden, und zeigen: Wir sehen, dass Sprache sich verändert. In unseren Dokumenten wird es unterschiedlich gehandhabt, teils spiegelt das auch unterschiedliche Sachverhalte wider, manchmal hat es technische Gründe. An einigen Stellen ist es eine politische Frage. Als Landtag, der alle Hamburger:innen vertritt, wissen wir, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht auch die geschlechtliche Identität aller Menschen schützen muss. Daraus dürfen wir auch ableiten, dass wir hoheitlich geschlechterinklusiver unterwegs sein müssen. Rein männliche Personenbezeichnungen kommen bei uns auch mal vor. Da, wo ich es beeinflussen kann, ist es mir wichtig, deutlich zu machen, dass wir alle Menschen ansprechen und im Blick habenwollen. Das geht auch über die Sprache.

Gendersprache ist eine Generationsfrage

Angeordnete sind frei gewählt und können im Prinzip so sprechen, wie sie es möchten.

Carola Veit: Genau, das ist unbedingt so. Die Wortprotokolle unserer Sitzungen geben das entsprechend wieder. In ihren Anträgen pflegen die Fraktionen ihren ganz eigenen Stil. Ich selbst verwende gern, dort wo es machbar und angebracht ist, eine gendersensible Sprache. Mir ist aber auch wichtig, dass wir uns im Hinblick auf Sprache nicht auf den einen Aspekt verengen. Manchmal geht es beispielsweise auch darum, Dinge einfacher zu formulieren, damit sie von vielen verstanden werden. Stichwort „einfache Sprache“ .

Ist es auch eine Generationsfrage – streiten jüngere mit älteren Abgeordneten, unabhängig von der Parteizugehörigkeit?

Carola Veit: Es ist – wie das Gleichstellungsthema allgemein – auch eine Generationsfrage. Sprache wandelt sich ebenso wie die Gesellschaft und unser Zusammenleben. Mir ist nicht ganz klar, warum diese Diskussion derzeit gerade von den Gegner:innen so aufgeregt geführt wird. Wir sind auf einem Weg, es gibt aus gutem Grund bisher keine festgelegten Normen, denn wir sind in einer Erprobungsphase. Der Rat für deutsche Rechtschreibung hat sich auch genau deshalb nicht für oder gegen etwas ausgesprochen. Aktuell wird hier in Hamburg eine polarisierte Debatte geführt, bei der aber auch viel dahintersteht.

Was meinen Sie damit?

Carola Veit: Wer etwas gegen queere Menschen hat, wird sich auch einer moderneren Sprache entziehen. Und wer in der Opposition ist, wird oft auch mit wortgewaltigen Statements auf den fahrenden Zug aufspringen. Viele, die sich jetzt über eine gendergerechtere Sprache aufregen, scheinen sich tatsächlich gegen einen vermeintlichen „Obrigkeitsstaat“ und die Politik allgemein aufzulehnen. Das gilt sicherlich nicht für alle. Ich bin überzeugt: Das Thema wird am Ende seinen Weg nehmen. Übrigens es ist ja nicht so, dass Senat oder Verwaltung hier eine bestimmte Sprache durchdrücken wollen. Man muss auch sagen: Deutschland schuldet queeren Menschen eine Menge an Wiedergutmachung, im Hinblick auf vor, aber auch nach 1945. Das darf sich auch in der Sprache widerspiegeln.

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  • Ist Sprache aus Ihrer Sicht ein maßgebliches Vehikel, um Gleichberechtigung zu verwirklichen, oder nur Kosmetik und tatsächlich geht es um härtere Fakten?

    Carola Veit: Sprache ist ein Spiegel unserer Gesellschaft. Wichtig ist, dass wir bei der Gleichstellung tatsächlich faktisch weiterkommen. Teilweise ist es auch symbolisch. Aber das ist Vieles: Dass Frauen nicht mehr im Damensattel reiten, dass Männer Nagellack tragen und unverheiratete Frauen nicht mehr mit Fräulein angesprochen werden. Natürlich ist das äußerlich, aber da stecken auch Gleichstellungsthemen dahinter. Auch sprachlich machen wir eine Politik der kleinen Schritte, das sollte man nicht unter-, aber eben auch nicht überbewerten – ich bin erstaunt, was das für eine Welle auslöst. Bei uns als Parlament steht die Schönheit der Sprache nicht an allererster Stelle – Sprache soll etwas vermitteln und Politik befördern und erklären. Es ist gut, wenn Politik sich am Diskurs beteiligt und mitgestaltet. Aber wir sind in einer Erprobungsphase, da ist Dogmatik fehl am Platz.

    Wie ist das Verfahren im Hinblick auf die Volksinitiative gegen das Gendern?

    Carola Veit: Ich gehe davon aus, dass die Initiative ihre 10.000 Unterschriften zügig zusammen bekommen wird, und dann rasch weitermachen will. Die Bürgerschaft hat zunächst vier Monate Zeit, um auf eine erfolgreiche Volksinitiative zu reagieren. Ohne dem vorgreifen zu wollen, vermute ich nicht, dass die Bürgerschaft das Anliegen der Initiative übernehmen wird. Dann könnte die Initiative ein Volksbegehren starten und im Falle eines Erfolgs einen Volksentscheid beantragen. Ich gehe davon aus, dass sie versuchen wird, damit den Termin der nächsten Bürgerschaftswahlen 2025 zu erreichen.