Hamburg. Der Senat gibt Empfehlungen zur geschlechtersensiblen Sprache – die werden mal mehr, mal weniger umgesetzt. Eine Übersicht.
Die Volksinitiative gegen die Verwendung von Gendersprache in Hamburger Behörden ist gestartet; sie beginnt mit der Sammlung von Unterschriften. Ihr Ziel: Die Hamburger Verwaltung, Bildungseinrichtungen und städtische Unternehmen sollen verpflichtet werden, sich an die Regeln des Rats für deutsche Rechtschreibung zu halten und auf Gendersternchen, Doppelpunkte in Wörtern sowie die Verwendung von Partizip-Präsens-Ausdrücken wie „Antragstellende“ für „Antragsteller“ zu verzichten.
Wie aber verwenden Behörden und städtische Einrichtungen Gendersprache bisher? Sind die Binnendoppelpunkte im Schriftverkehr bereits Alltag? Das Abendblatt hat sich umgesehen und umgehört. Ergebnis: Einige Behörden gendern durchgängig, andere nicht – viele nutzen die geschlechterneutrale Sprache sehr inkonsequent.
Klar ist: „Wir wollen keine Vorschriften machen, wie jemand sprechen oder schreiben soll“, sagt Katharina Fegebank, die nicht nur Wissenschafts-, sondern auch Gleichstellungssenatorin ist: „In Hamburg ist weder in der Verwaltung noch in der Schule oder an der Uni die gendersensible Sprache vorgeschrieben. Es muss aber möglich sein, sie zu benutzen“, so die Grünen-Politikerin. Und so gehen Behörden und Verwaltung in der Praxis vor:
So gendert die Stadtentwicklungsbehörde
Die Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen (BSW) vermeidet das klassische Gendern mit Doppelpunkt, Sternchen oder Binnen-I – das hat eine Stichprobe einiger Pressemitteilungen ergeben. Stattdessen wird zum Teil mit Partizip-Formen gearbeitet, wenn etwa von „Antragstellenden“ die Rede ist. In anderen Fällen, etwa in einer Pressemitteilung aus dem vergangenen Dezember zu neuen Fördergebieten, wird mit „Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmern“ sowohl die weibliche als auch die männliche Form genannt.
So gendert Hamburgs Schulbehörde
Auch die Schulbehörde verzichtet auf Binnendoppelpunkt und -stern. Senator Ties Rabe (SPD), selbst ursprünglich Deutschlehrer, wendet sich konsequent an „Schülerinnen und Schüler“. Die Rede ist auch von „Absolventinnen und Absolventen“ oder schlicht von jungen Menschen beziehungsweise Kindern. Ebenso gehen Innenbehörde, Kulturbehörde, Senatskanzlei, Sozialbehörde und Finanzbehörde vor.
So gendert Hamburgs Justizbehörde
Inkonsequent hingegen nutzt die Justizbehörde die Gendersprache, wenn mal von „Richter:innen“, mal von „der Urheberin bzw. des Urhebers“ die Rede ist. Ähnlich schreibt die Verkehrsbehörde mal „Hamburgerinnen und Hamburger“, dann aber „Gastrobesucher:innen“ oder „Bewohner:innen“, schließlich aber auch „Bewohnerparken“. Auch in der grün geführten Umweltbehörde kann man sich offenbar nicht entscheiden: So werden „Bürgerinnen und Bürger“ angesprochen, dann wieder geht es um „Beschwerdeführer:innen“ oder mit dem Binnen-I „BeschwerdeführerInnen“ und dann wieder ohne jedes Gendern „Absender“.
So gendern Hamburgs Bezirksämter
Das Bezirksamt Eimsbüttel hat sich offenbar für das Gendern mit der Doppelpunkt-Variante entschieden. In einer Pressemitteilung zum Thema „Einfach Mehrweg – Essen ohne Wegwerfbox – Eimsbüttel macht mit“ werden etwa Verbraucher:innen angesprochen. In einem anderen Schreiben aus dem Januar dieses Jahres zur Renovierung eines Abschnitts der Mühlenau ist von „Fußgänger:innen“ die Rede.
Auch im Bezirksamt Hamburg-Nord steht der Binnen-Doppelpunkt hoch im Kurs: „Liebe Mitbürger*innen“, begrüßt Bezirksamtsleiter Michael Werner-Boelz (Grüne) die Bevölkerung gleich mal auf der Website, „diesen Seiten über den schönsten aller sieben Hamburger Bezirke“. Und weiter: Er ist Chef der „Bezirksverwaltung mit rund 1200 Mitarbeiter*innen“; er werde sich „für einen weltoffenen und pluralistischen Bezirk Hamburg-Nord einsetzen, in dem jede*r seinen Platz finden kann“. Auch in den Pressemitteilungen wird gegendert.
Stefanie von Berg (Grüne), Chefin des Bezirksamts Altona, wendet sich ebenfalls an „Schüler:innen“, in Pressemitteilungen ist von „Pat:innen“ für die Begrünung von Pflanzbeeten die Rede, von „Nachbar*innen“, „Akteur*innen“ und von „Verkehrsteilnehmenden“.
Zu einer „Bürger:innensprechstunde“ mag sich das Bezirksamt Wandsbek nicht durchringen, es heißt in Hamburgs größtem Bezirk weiterhin „Bürgersprechstunde“, dann aber auch wieder „Einwohner:innen“. Ähnlich unterschiedlich gendert das Bezirksamt Bergedorf; es heißt „Jugendmusikanten“, aber auch „Preisträger:innen“ und „Bürgerinnen und Bürger“. Im Bezirksamt Harburg ist einerseits von „Vertreter:innen“ die Rede, dann aber auch von „Geflügelhaltern“ ohne weibliche Form.
Gender-Stern oder Gender-Doppelpunkt?
Der Senat hatte 2021 „Hinweise zur geschlechtersensiblen Sprache in der Hamburgischen Verwaltung“ gegeben, als „Anregungen für eine Sprache“, „die alle Menschen unabhängig von ihrem Geschlecht anspricht“. Dazu wurde der Senatsbeschluss zur Verwaltungssprache von 1995 erweitert. Die Hinweise verstehen sich als Hilfestellung.
Neben geschlechtsneutralen Formulierungen, so heißt es dort, können auch Gender-Stern oder Gender-Doppelpunkt verwendet werden. Auch eine Kombination aus geschlechtsneutralen Formulierungen und Umschreibungen habe sich bewährt. „Mit diesen Vorschlägen gibt es jetzt mehr Freiheit im Umgang mit Sprache“, hatte Fegebank damals erklärt. Damit gebe man den Mitarbeitenden die Freiheit, selbst zu entscheiden, wie sie ihr Umfeld adressieren wollen – in E-Mails, Präsentationen, Broschüren, Briefen, Formularen, Drucksachen oder Grußworten beispielsweise.
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Als geschlechtsneutrale Formulierung böten sich laut Senatsempfehlung beispielsweise „Lehrkraft“ statt „Lehrer“ an, „Teilnehmende“ statt „Teilnehmer“ oder auch „alle“ statt „jeder“. Man könne „ältere Menschen“ schreiben statt „Seniorinnen und Senioren“. Dort, wo der Binnendoppelpunkt die Verständlichkeit erschwere oder schlicht nicht möglich sei, so hieß es, sollte man weiter „Rechtsanwaltskammer“ schreiben oder „ärztliches Personal“ statt „Arzt/Ärztin“. Auch solle man Rollenklischees entgegenwirken und beispielsweise von Elternberatung statt Mütterberatung sprechen.
So gendert Bäderland Hamburg
Auch bei öffentlichen Unternehmen wird mal gegendert und mal nicht – auch innerhalb eines Textes, wie beispielsweise bei Bäderland, dem Betreiber aller öffentlichen Schwimmbäder in Hamburg. Das ist etwa in einer Pressemitteilung aus dem vergangenen Jahr zum Umbau der Alster-Schwimmhalle zu sehen. Dort ist mal von den „500 Mitarbeitern“ die Rede, an anderer Stelle wird mit „Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen“ sowohl die männliche als auch die weibliche Form genannt. An zwei anderen Textstellen wird mit Doppelpunkt gegendert: Hier ist von „Passant:innen“ und „Besucher:innen“ die Rede.
So gendern HVV und Hamburger Hochbahn
Geschlechtersensibel angesprochen werden auch „Fahrgäste“ und „Mitarbeitende“ des Hamburger Verkehrsverbunds (HVV), zum Beispiel auf dessen Webseite. In einer Mitteilung zum neuen HVV-Any-Ticket heißt es unter anderem: „Ab sofort steht die intelligente Ticketfunktion allen Kundinnen und Kunden im HVV als App zur Verfügung.“ Und selbst jene, die die Dienste des HVV nicht regelmäßig in Anspruch nehmen, spricht der Verbund ganz neutral als „Gelegenheitsfahrende“ an. Ähnlich hält es die Hamburger Hochbahn, die den „Fahrgästen“ neben den Bahnen auch „Fahrerinnen sowie Fahrer“ stellt. An anderer Stelle auf der Webseite gibt es für „jede*n Mitarbeitende*n“ des Unternehmens sogar ein Sternchen.
So gendert die Stadtreinigung Hamburg
Wer meint, das Gendern sei für die Tonne, hat mit Blick auf die Stadtreinigung Hamburg recht. In einer aktuellen Mitteilung zur diesjährigen „Hamburg räumt auf“-Aktion ruft die Stadtreinigung nämlich dazu auf, „zusammen mit Nachbar:innen, Freund:innen, Schulklasse, Familie oder Verein ein Aufräumteam“ zu bilden. In einer weiteren Meldung rät sie „Anlieger:innen“, Winterglätte rechtzeitig zu beseitigen.