Hamburg. Angeblich sollen „entscheidende Unterlagen“ einer Besprechung zu Senator Grote verschlampt worden sein. Behörde widerspricht.

Hat die Hamburger Justiz ein Problem mit ihrer Unabhängigkeit? Diese Frage stellt sich angesichts der jüngsten Vorwürfe der CDU-Bürgerschaftsfraktion in der Freikartenaffäre um Innensenator Andy Grote (SPD). Wie berichtet, hatte die CDU-Fraktion die erst in der vergangenen Woche erfolgte Benennung des Sonderermittlers, der den Vorwürfen gegen Generalstaatsanwalt Jörg Fröhlich nachgehen soll, als „roten Filz“ kritisiert.

Weitere Vorwürfe belasten auch die Staatsanwaltschaft

Doch damit nicht genug. Neben Vorwürfen der politischen Befangenheit wurden am Dienstagmorgen weitere Vorwürfe gegen die Hamburger Justiz laut. Wie das Nachrichtenportal „t-online“ berichtete, soll auch die Staatsanwaltschaft nun durch Fehler in der Causa „Grote“ aufgefallen sein.

Sie habe, so der Vorwurf seitens „t-online“, womöglich „entscheidende Unterlagen“ der alles entscheidenden Besprechung der fünf Staatsanwälte verschlampt, bei der Generalstaatsanwalt Fröhlich die Razzien – entgegen dem Willen anderer Staatsanwälte – in den Räumen der drei Amtsträger verhinderte.

Wichtige Akte: Behörde zeigt sich verwirrt

Aus einem internen Vermerk, der „t-online“ vorliege, soll hervorgehen, dass an jenem Tag zudem ein sogenannter Vorprüfungsvorgang angelegt worden sein soll, der sowohl einen Entwurf des Durchsuchungsantrags, den Gesprächsvermerk sowie weitere Unterlagen enthalten soll. „t-online“ habe daraufhin um jenen Antrag bei der Staatsanwaltschaft angefragt, woraufhin eine Sprecherin jedoch um die Mitteilung der Nummer der Akte gefragt habe.

Dies hat nun die Frage aufkommen lassen, ob die Behörde selbst etwa die Nummer nicht kennt und sich zudem in Unkenntnis über den aktuellen Standort der Akte befindet?

Staatsanwaltschaft beruft sich auf Pressegesetz

Doch das dementiert die Staatsanwaltschaft auf Abendblatt-Anfrage. Der Behörde lägen „selbstverständlich sämtliche für die Angelegenheit relevanten Verfahrensakten und Vorgänge vor“, so Oberstaatsanwältin Mia Sperling-Karstens. Unter Berücksichtigung des Hamburgischen Pressegesetzes wollte die Oberstaatsanwältin dem Abendblatt jedoch „weder einen „Vorprüfungsvorgang“ zukommen lassen noch weitere diesbezügliche Informationen erteilen.“

Wie durch eine schriftliche Anfrage der CDU-Fraktion an den Senat hervorging, hat die Staatsanwaltschaft aber ein Ermittlungsverfahren gegen unbekannt wegen Verletzung des Dienstgeheimnisses eingeleitet. Dieses war wiederum am 19. Oktober von der Generalstaatsanwaltschaft übernommen worden.

Vorwürfe Fröhlich: Viele Fragen noch offen

Auch dazu, wer genau an dem besagten Gespräch mit Generalstaatsanwalt Fröhlich im Juli 2019 teilgenommen hat, gab die Staatsanwaltschaft keine Auskunft. Hier wurde durch eine Antwort des Senats auf eine schriftliche Kleine Anfrage der CDU-Abgeordneten Richard Seelmaecker und Dennis Thering von Ende Oktober lediglich bekannt, dass eine „für die Bearbeitung des Verfahrens zuständige Dezernentin der Staatsanwaltschaft teilgenommen hat“ und keinerlei „Weisungen oder Anordnungen“ ergangen worden seien.

Der Hintergrund: Fröhlich soll, so der Vorwurf, die bereits geplanten Durch­suchungsbeschlüsse gegen Innensenator Andy Grote (SPD), den früheren parteilosen Wirtschaftssenator Frank Horch sowie Polizeipräsident Ralf Martin Meyer aus politischen Gründen 2019 verhindert haben. Bei allen dreien bestand der Verdacht der Vorteilsnahme im Amt, da sie Gratis-VIP-Karten des FC St. Pauli angenommen hatten.

Fröhlich will seinen juristischen Ruf wieder herstellen

Die Staatsanwaltschaft habe deshalb auch bei allen dreien Hausdurchsuchungen beantragen wollen. Damals war Grote Leiter des Bezirksamts Mitte, das federführend für die Genehmigungen des Stadionausbaus war. Laut einem Vermerk, der dem Abendblatt vorliegt, sagte Fröhlich, er nehme in Kauf, dass möglicherweise Beweise für Straftaten verloren gingen, da es anderenfalls zu einer „politischen Krise“ komme. Außerdem sei die Zusammenarbeit zwischen Polizei und Staatsanwaltschaft gefährdet.

Um die massiven Vorwürfe gegenüber Fröhlich jedoch nun zu überprüfen, hat die Justizbehörde vor knapp zwei Wochen ein Disziplinarverfahren gegen den Generalstaatsanwalt eingeleitet. Auch Fröhlich selbst hatte darum gebeten, um seine juristische Reputation wiederherzustellen. Im Zuge dessen hat die Justizbehörde also nun den ehemaligen Richter Nikolas Berger als Sonderermittler benannt.

Nikolas Berger: Nähe zur SPD?

Doch was hat es mit dem „roten Filz“ auf sich? Dafür lohnt sich ein Blick in die berufliche Vergangenheit des ehemaligen Bundesrichters. Berger, der seit 2009 am Bundesgerichtshof tätig war, bevor der 66-Jährige vor einem Jahr in den Ruhestand versetzt wurde, weise laut CDU-Fraktionsvorsitzendem Dennis Thering eine gewisse „parteipolitische Nähe“ zur SPD auf, so der Vorwurf.

Laut einem Wikipedia-Eintrag soll der ehemalige Richter Anfang der 90er-Jahre als wissenschaftlicher Berater der schleswig-holsteinischen SPD-Fraktion im Untersuchungsausschuss des Kieler Landtags zur sogenannten Schubladen­affäre tätig gewesen sein sowie der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Juristinnen und Juristen (ASJ) nahestehen.

Zudem war er von 1991 bis 1993 Pressesprecher der damals SPD-geführten Hamburger Justizbehörde. Oppositionsführer Thering fordert die Justizbehörde deshalb auf, „die Entscheidung zu überdenken“. Der CDU-Abgeordnete habe es eigentlich als „Selbstverständlichkeit“ angesehen, dass „eine parteipolitisch unabhängige Person diese Ermittlungen übernommen hätte“.

Hamburger Justiz: Berger arbeite unabhängig

Doch die Justizbehörde zeigt sich sichtlich unbeeindruckt von den Vorwürfen. Auf Abendblatt-Anfrage heißt es: „Dr. Berger führt seine Ermittlungen unabhängig. Als ehemaliger Bundesrichter und amtierender Verfassungsrichter verfügt er ohne Zweifel über die notwendige Expertise und Unabhängigkeit.“

Deshalb spiele die Parteizugehörigkeit hier auch keine Rolle. Die Behörde sehe in „diesen haltlosen Anschuldigungen den Versuch, einen angesehenen Richter zu diskreditieren, den die CDU als Verfassungsrichter seinerzeit übrigens selbst mitgewählt hat“, wie ein Sprecher dem Abendblatt mitteilt.