Hamburg. Seit 2016 kämpft die Mieterin um ihr Recht, elf Staatsanwälte waren mit dem Fall befasst. Die Angeklagten spielen offenbar auf Zeit.

Sechs Jahre Streit mit dem Vermieter – und kein Ende? Wenn Katja B. (alle Namen geändert) über die Zeit nachdenkt, in der sie sich mit ihrer leer geräumten Wohnung beschäftigen muss, spricht sie von „einem Leben in einer anderen Welt“. Einem Leben, in dem sie eine Weile lang kein echtes Zuhause hatte, in der mehr als zwölf Monate lang die meisten ihrer persönlichsten Sachen verschwunden waren – und sie sich verraten und bestohlen fühlte.

Sobald sie mit dieser Zeit konfrontiert wird, fühle sich die 43-Jährige „schlecht“, erzählt sie. So wie jetzt, als ihr Fall vor einem Strafgericht in St. Georg verhandelt werden soll. Oder besser gesagt: endlich hätte verhandelt werden sollen.

Doch erneut stockt es. Einer der beiden Angeklagten, ein Mann im Alter von 78 Jahren, kann offenbar der Verhandlung nicht folgen, weil sein Hörgerät kaputt sei, sagt er. Also soll nun der Prozess am kommenden Freitag richtig beginnen. Dann mit repariertem oder neuem Hörgerät.

Vermieter sollen persönliche Gegenstände entwendet und Schloss ausgetauscht haben

Hinter den Anklagepunkten gegen den Senior Manfred A. und dessen Sohn Markus A. (41), denen die Staatsanwaltschaft jeweils Hausfriedensbruch und Nötigung vorwirft, steht eine Auseinandersetzung um den Umgang mit dem persönlichen Besitz von Katja B. Die Staatsanwaltschaft wirft dem damaligen Vermieter der 43-Jährigen, Markus A., und dessen Vater vor, das Schloss zu ihrer Wohnung und der Hauseingangstür austauschen lassen zu haben.

Zuvor seien sie in die Wohnung der Mieterin eingedrungen und hätten deren Gegenstände mitgenommen und an einen zunächst unbekannten Ort verbracht. Laut Anklage taten sie das, „um die Zeugin zu einem Auszug zu veranlassen, um die Wohnung neu vermieten zu können“.

Seit September 2016 läuft die Auseinandersetzung der PR-Beraterin mit ihren Vermietern. Damals war sie nur kurz verreist, und als sie zurück in ihre Mietwohnung in einer Altbauvilla an der Bellevue wollte, passte der Schlüssel nicht mehr. Wenig später stellte sich heraus, dass ihr gesamter Besitz, der in der Wohnung war, darunter Möbel, Schmuck, Dokumente, Kleidung und Bücher, verschwunden war.

Vermieter scheitert in erster Instanz – ist aber unerreichbar

Erst mehr als ein Jahr später erhielt sie den Schlüssel zu einem Lagerraum am Flughafen, in dem ihre Habe verstaut war, alles in 70 Kisten geschmissen, beschädigt, zerkratzt oder verdreckt, die Möbel auseinandergebaut. Die Argumentation des Vermieters, er habe dies im Rahmen des Vermieterpfandrechts einkassiert, weil Katja B. die Reparatur für einen Wasserschaden nicht bezahlt habe, scheitert im Rahmen eines Rechtsstreits.

Stattdessen werden zwei einstweilige Verfügungen zugunsten von Katja B. erlassen. Diese kann sie allerdings nicht durchsetzen, weil Vermieter Markus A. offiziell in Wien gemeldet ist und sich Briefe an dessen Adresse nicht zustellen lassen. Auch andere Titel konnte sie bislang nicht vollstrecken. Dabei ist die Vermieterfamilie mutmaßlich wohlhabend, besitzt mindestens eine Immobilie in bester Lage. Die Mutter des Vermieters, der die Immobilie an der Bellevue gehört, ist zudem Mehrheitsaktionärin einer Altenheimkette.

Insgesamt, so sagt Katja B., sei ihr ein Schaden von rund 90.000 Euro entstanden. Sie habe lange Zeit nicht arbeiten können, und manche der Gegenstände, die mehr als ein Jahr lang für sie unauffindbar waren, musste sie neu anschaffen. Außerdem stehe ihr wegen der psychischen Belastung durch die Wegnahme ihres Besitzes 5000 Euro an Schmerzensgeld zu, die sie ebenfalls noch nicht erhalten habe. Hinzu kommen bisher aufgelaufene Prozess- und Anwaltskosten.

Elf Staatsanwälte waren bereits mit dem Fall befasst

„Ich werde seit mehr sechs Jahren diesem Thema konfrontiert“, sagt die PR-Beraterin. „Das kostet mich Zeit und Arbeit. Ich kann nicht fassen, dass ich in so etwas reingezogen wohne.“ Ursprünglich habe sie gedacht, „ich gehe zur Polizei, und das ist nach fünf Minuten geklärt“. Nachdem der Fall aber mittlerweile mehrere Hundert Seiten Akten fülle und auch nach mehr als sechs Jahren nicht geklärt sei, „habe ich den Glauben an den Rechtsstaat verloren“.

Weil lange Zeit nach Anklageerhebung, die bereits im September 2017 erfolgte, der Fall nicht vor Gericht verhandelt wurde, hatte ein Gerichtssprecher schon vor fast drei Jahren den Verlauf des Verfahrens als „sehr, sehr unglücklich“ bezeichnet. Der Anwalt von Katja B., Wolf Römmig, erzählt, es seien mittlerweile elf unterschiedliche Staatsanwälte mit dem Fall befasst gewesen. Außerdem waren nacheinander mehrere Amtsrichter zuständig.

Zuletzt stand ein Vorschlag im Raum, dass das Verfahren gegen die beiden Angeklagten gegen eine Geldauflage von je 20.000 Euro eingestellt werden könne. Doch den Angeklagten schwebte offenbar ein deutlich geringerer Betrag vor. Weil es nicht zur Einigung kam, sollte der Fall jetzt vor dem Amtsgericht verhandelt werden. Der Vorwurf des Hausfriedensbruchs ist mittlerweile, sechs Jahre nach der mutmaßlichen Tat, verjährt, wie der Verteidiger von Markus A. betonte.

Ohne sichtbare Regung lauschten die beiden Angeklagten am Mittwoch im Prozess der Verlesung der Anklage. Im Anschluss teilte die Verteidigerin des 78-Jährigen mit, dass dieser ohne sein Hörgerät der Verhandlung nicht folgen könne. Daraufhin kam es zu einem sogenannten Rechtsgespräch der Berufsjuristen, in dem offenbar erneut über eine mögliche Einstellung gegen eine Geldzahlung geredet wurde – aber wieder, ohne dass es zu einer einvernehmlichen Lösung kam.

Nun also soll es am Freitag richtig mit dem Prozess losgehen. „Die Vergangenheit“, sagt Katja B.s Anwalt Römmig, habe bereits gezeigt, „dass das Mittel der Angeklagten die Verzögerung von Verfahren ist“. Ihn überrasche deshalb deren Verhaltensweise nicht. Aus seiner Sicht, so Römmig „ist das mit dem Hörgerät eine Groteske“.