Hamburg. Sechs Jahre Haft für Angeklagten und Unterbringung in der Psychiatrie. Richter: „Gefahr für die Allgemeinheit“.

Jahrelang hatten sie in harmonischer Nachbarschaft gelebt. Doch dann gerieten die Familien in einen unheilvollen Streit – der beinahe ein tödliches Ende genommen hätte. Ein Mann ging mit dem Messer auf einen anderen los, prügelte und stach auf den Kontrahenten ein – so heftig, dass die Messerklinge aus dem Schaft brach. Dann ließ der 33-Jährige das heftig blutende Opfer zurück und warnte ihn noch: „Wehe, du gehst zur Polizei!“

Prozess Hamburg: 33-Jähriger wird psychiatrisch untergebracht

Für diese Tat vom 29. Januar dieses Jahres verhängte das Schwurgericht jetzt gegen den Angeklagten Tamim K. sechs Jahre Freiheitsstrafe wegen gefährlicher Körperverletzung. Zugleich ordnete die Kammer die Unterbringung des 33-Jährigen in einem psychiatrischen Krankenhaus an. „Es war eine schlimme Tat, die Sie begangen haben“, gab der Vorsitzende Richter dem Angeklagten mit auf den Weg. Der Angriff sei „unvermittelt und ohne Grund“ erfolgt.

Religiöser Wahn: Angeklagter glaubt, er sei Jesus

Wegen einer psychischen Erkrankung mit schizophrenen und paranoiden Zügen sei Tamim K. für die Allgemeinheit gefährlich – auch wenn er dies selbst nicht wahrhaben wolle. Außerdem habe er einen religiösen Wahn entwickelt, der ihn glauben lasse, er sei Jesus. Insbesondere, wenn es seine Familie betreffe, trage das Verhalten des Angeklagten „wahnhafte Züge“. Mehrfach forderte der Richter den 33-Jährigen auf, „Ruhe zu bewahren“. Während des elf Verhandlungstage dauernden Prozesses war Tamim K. mehrfach ausfallend geworden. Bei der Urteilsverkündung blieb der schlanke Mann mit langen Haaren und bis weit auf die Brust reichendem Bart still, wirkte aber nervös.

Streit begann mit Vorwurf des sexuellen Missbrauchs

Begonnen hatte die verhängnisvolle Fehde zwischen den Nachbarn, als gegen den Vater von Tamim K. der Verdacht geäußert wurde, er habe eine Tochter des späteren Opfers missbraucht. Ob an dem Vorwurf etwas dran ist, wird noch ermittelt. Doch seitdem belauerten sich die Familien, die in demselben Mehrfamilienhaus wohnten, gegenseitig, so der Vorsitzende. „Jede Seite fühlte sich von der anderen verfolgt und misstrauisch beobachtet.“

Dann fielen die Worte: „Ich bringe Dich um“

Doch so oder so war sein Vater nach Überzeugung von Tamim K. über jeden Zweifel erhaben. Als das spätere Opfer am 29. Januar bei einem Zusammentreffen vor dem Mehrfamilienhauses in Altona-Nord aussprach, was er von dem Vater des Angeklagten hält, habe dieser heftig reagiert. So dürfe man nicht über seinen Vater reden; keiner dürfe das. Und dann fielen die Worte: „Ich bringe dich um.“

Das Opfer ist fürs Leben gezeichnet

Nun stach und schlug Tamim K. auf den 49 Jahre alten Kontrahenten ein und fügte ihm lebensgefährliche Verletzungen am Kopf zu sowie einen langen Schnitt in das Gesicht. Bei dem Angriff habe der Angeklagte „den Tod des anderen in Kauf genommen“, betonte der Richter. Das Opfer musste notoperiert werden. Noch immer leide er psychisch und physisch unter den Folgen der Tat, hatte der 49-Jährige als Zeuge ausgesagt. Arbeiten könne er nicht mehr. Der Vorsitzende ergänzte: „Er ist für sein Leben gezeichnet.“

Gericht entscheidet: Kein versuchter Mord

Doch indem der Angreifer von dem Opfer abließ im festen Glauben, er habe ihn eben nicht umgebracht, sei Tamim K. vom versuchten Tötungsvorsatz zurückgetreten, entschied das Gericht. In der Anklage war dem 33-Jährigen noch versuchter Mord vorgeworfen worden.

Prozess Hamburg: Tamim K. war bereits wegen einer Messerattacke in Haft

Schon zwei Jahre vor dem Angriff auf den Nachbarn hatte Tamim K. einen anderen Menschen mit einem Messer attackiert und dafür eine Gefängnisstrafe erhalten. Wie lange er jetzt unabhängig von der Haftstrafe in der Psychiatrie bleiben müsse, hänge davon ab, wie er sich entwickelt, betonte der Richter an den 33-Jährigen gewandt. „Ihre Krankheit stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit dar.“ Es sei wichtig, „dass Sie sich behandeln lassen“.