Hamburg. Vermieter räumte vor drei Jahren Wohnung leer. Justiz ist machtlos. Jetzt läuft Frist für Anspruch auf Schadenersatz ab.

Wieder ist ein Jahr fast um – und Katja B. kann noch immer nicht verstehen, „warum es Gesetze gibt, wenn sie nicht umgesetzt werden“. Seit September 2016 ist die Frau die unfreiwillige Hauptdarstellerin in einem abenteuerlichen Gruselstück um einen Vermieter, der plötzlich die gesamten Habseligkeiten der 41-Jährigen an sich nahm – aber juristisch nicht zu fassen ist. Obwohl die Staatsanwaltschaft bereits Ende 2017 Anklage erhoben hat, ist noch immer kein Gerichtstermin in Sicht. Nun läuft auch die Frist für den Anspruch auf Schadenersatz ab.

Spätestens bis zum Jahreswechsel muss die Frau eine Zivilklage eingereicht haben – aber nach ihren bisherigen Erfahrungen sei das Risiko groß, dass sich ein Urteil zu ihren Gunsten nicht vollstrecken lässt, aber sie auf einem Teil der Kosten sitzen bleibt. Ihre Anwältin hat das Gericht wiederholt auf die ablaufende Frist hingewiesen. Nach Abendblatt-Informationen ist ein Prozessbeginn aber weiterhin nicht in Sicht. „Es ist klar, dass der Verlauf in diesem Fall sehr, sehr unglücklich ist“, sagte ein Gerichtssprecher dem Abendblatt.

Nach dem Urlaub war die Wohnung an der Bellevue leer geräumt

Rückblick: An einem Septembertag 2016 kehrt die PR-Beraterin aus dem Urlaub zurück. Doch mit ihrem Schlüssel lässt sich die Tür zur Wohnung in der Altbauvilla an der Straße Bellevue nicht mehr öffnen. Als sie später mit Hilfe von Polizisten in die Wohnung kommt, ist sie schockiert: Ihre Möbel, der Schmuck der Großmutter, Kleidung, Bücher, private Dokumente, Ausweis – alles weg.

Kurz darauf berichtet das Abendblatt erstmals über den Fall. Die Polizei leitet zunächst keine Ermittlungen ein, sondern verweist auf den zivilrechtlichen Klageweg. Der Vermieter argumentiert, die Sachen von Katja B. im Rahmen des Vermieterpfandrechts einkassiert zu haben, weil sie die Reparatur für einen Wasserschaden nicht gezahlt habe. Ein Gericht weist die Begründung ab und beschließt zwei einstweilige Verfügungen zu Gunsten von B. Diese kann die Frau jedoch nicht durchsetzen – weil der Vermieter in Österreich gemeldet ist, sich Briefe dort aber nicht zustellen lassen.

Viele persönliche Gegenstände fehlen bis heute

Erst im Oktober 2017 liegt ein Schlüssel zu einer Lagereinheit im Briefkasten der Anwältin von Katja B. Dort stößt B. auf einen Großteil ihres „vorenthaltenen Eigentums“. Alles achtlos in 70 Kisten geschmissen, beschädigt, zerkratzt oder verdreckt, die Möbel auseinandergebaut. Viele Gegenstände fehlen bis heute, darunter Schmuck und persönliche Habseligkeiten, sagt Katja B.

Für sie handele es sich um einen klaren Fall von Einbruch, sagt Katja B. damals – und im Dezember 2017 wird schließlich doch Anklage gegen den Vermieter und seinen Sohn erhoben – jedoch „nur“ wegen Nötigung und Hausfriedensbruch. Dafür droht den Angeklagten eine Geldstrafe oder bis zu drei Jahre Gefängnis. Was folgt, ist jedoch eine nahezu aberwitzige Verkettung von Umständen beim Amtsgericht St. Georg.

Erst im Januar 2019 kommt wieder Bewegung in den Fall

Wie der Gerichtssprecher auf Anfrage sagte, wartet die Richterin Anfang 2018 zunächst auf eine Stellungnahme der Verteidiger des Vermieters – diese erbaten wegen eines angeblichen Todesfalles in der Kanzlei um mehr Zeit. Das Gericht wartet ein halbes Jahr, bis der Schriftsatz endlich eintrifft. Kurz darauf muss die Richterin den Fall abgeben – sie ist schwanger und geht in den Mutterschutz.

Zwar wird eine Vertretung eingesetzt, aber dieser Richter muss auch die eigenen Fälle weiterverfolgen. Er kümmert sich deshalb nur um eilige Haftsachen aus dem Bereich seiner Kollegin. Erst im Januar 2019 kommt wieder (etwas) Bewegung in die Sache: Die Verteidigung regt an, das Verfahren gegen Zahlung einer Wiedergutmachung an Katja B. einzustellen. Die Staatsanwaltschaft stellt eine Summe von 70.000 Euro in den Raum – je die Hälfte davon pro Angeklagter. Dies lehnt die Verteidigung ab. Zudem werden nun sogenannte Nachermittlungen der Staatsanwaltschaft angeordnet, weil nach Ansicht des Gerichts noch Fragen zu dem Fall offen seien. Jüngst meldet sich dann auch der aktuell zuständige Richter ab. Er ist längerfristig erkrankt, heißt es vom Gericht. Es soll wieder eine Vertretung geben, aber es ist sehr unwahrscheinlich, dass ein möglicher Prozess zeitnah terminiert wird und stattfinden kann.

Katja B. wartet noch immer auf das Schmerzensgeld

In dem Fall sei „eines zum anderen gekommen“, so der Gerichtssprecher: „Derart lange Zeitspannen in einem Verfahren wünschen wir uns natürlich überhaupt nicht.“ Er bestätigte, dass die Anklage in diesem Fall keinen Einfluss auf die Verjährungsfrist des zivilrechtlichen Anspruchs auf Schadensersatz hat.

Katja B. hat für ihren „immateriellen Schaden“ – die psychische Belastung durch die Wegnahme ihres gesamten Besitzes – ein Schmerzensgeld in Höhe von einigen Tausend Euro zugesprochen bekommen. Dieses ist laut B. aber noch immer nicht geflossen, weil keine Adresse und kein Konto des Vermieters bekannt sind. Ohnehin würde das Schmerzensgeld nur reichen, um einen kleinen Teil der bisherigen Prozess- und Anwaltskosten von knapp 20.000 Euro auszugleichen.

Katja B. hofft, dass die„Justiz endlich durchgreift“

Die Mutter des Vermieters, der die Immobilie an der Bellevue gehört, hat Katja B. ihrerseits verklagt. Sie behauptet, dass die Mieterin in der Wohnung einen Großwasserschaden verursacht haben soll. Die Klage wurde bereits von Amtsgericht und Landgericht abgewiesen. Die Eigentümerin wolle nun aber offenbar vor den Bundesgerichtshof ziehen, so Katja B. Der Medienanwalt der Vermieterfamilie ließ eine Bitte des Abendblattes um eine Stellungnahme zu den Ereignissen und Rechtsstreitigkeiten unbeantwortet.

Katja B. nennt die Vorwürfe gegen sie völlig abwegig und hat die Gegenseite wegen Prozessbetrugs angezeigt. Systematisch versuche die wohlhabende Vermieterfamilie, die Verfahren zu verzögern. Dazu gehörten auch häufig wechselnde Anwälte. Katja B. fordert, dass „die Justiz endlich durchgreift.“