Hamburg. Mieterin besteht auf Prozess wegen Hausfriedensbruchs und Nötigung. Das Amtsgericht hat angeregt, das Strafverfahren einzustellen.
Die scheinbar unendliche Geschichte nähert sich ihrem Ende – wenn auch nicht dem Ende, das sich Katja B. wünscht. Und das bringt die 42-Jährige an den Rand der Verzweiflung. Grund: Das Amtsgericht St. Georg hat angeregt, das Strafverfahren wegen Hausfriedensbruchs und Nötigung gegen ihren Ex-Vermieter und dessen Sohn einzustellen. Vor vier Jahren hatten die beiden die Altbauwohnung von Katja B. an der Bellevue leer geräumt und ihre Habe für mehr als ein Jahr einbehalten. Noch hofft sie, dass es so nicht ausgeht.
Denn damit das Verfahren nach Paragraf 153 a Strafgesetzbuch eingestellt werden kann, bedarf es der Zustimmung der Staatsanwaltschaft. In diesem Fall müssten die beiden Angeschuldigten jeweils eine Geldauflage in Höhe von 5000 Euro zahlen. Tun sie das nicht, könnte öffentlich verhandelt werden. „Wir prüfen noch, ob wir der Anregung des Gerichts zustimmen“, sagt die Sprecherin der Staatsanwaltschaft, Nana Frombach.
Kräftezehrender Kampf
Rückblick: An einem Septembertag 2016 kehrt Katja B. aus dem Urlaub zurück. Doch mit ihrem Schlüssel lässt sich die Tür zur Wohnung in der Altbauvilla nicht mehr öffnen. Als die PR-Beraterin später mithilfe von Polizisten hineinkommt, ist sie schockiert: Ihre Möbel, der Schmuck der Großmutter, Kleidung, Bücher, Dokumente – alles weg. Erst im Oktober 2017 liegt ein Schlüssel zu einem Lager am Flughafen im Briefkasten ihrer Anwältin. Dort stößt sie auf den Großteil ihres „vorenthaltenen Eigentums“. Alles in 70 Kisten geschmissen, beschädigt, zerkratzt oder verdreckt, die Möbel auseinandergebaut. Der Vermieter argumentiert, die Sachen im Rahmen des Vermieterpfandrechts einkassiert zu haben, weil Katja B. die Reparatur für einen Wasserschaden nicht gezahlt habe. Ein Gericht weist die Begründung ab, beschließt zwei einstweilige Verfügungen zu ihren Gunsten. Die kann sie aber nicht durchsetzen – weil sich Briefe dem in Wien gemeldeten Vermieter nicht zustellen lassen.
Das Abendblatt hat mehrfach über Katja B.s juristischen Kampf gegen ihren Ex-Vermieter berichtet – einen scheinbar unendlichen und unendlich kräftezehrenden Kampf. Eine Farce. Katja B. klagte nach den Eilverfahren in St. Georg (erfolgreich) auf Schmerzensgeld, der Ex-Vermieter verklagte sie auf Schadenersatz für den Wasserschaden, Katja B. wiederum will Anzeige wegen Prozessbetrugs erstattet haben. Seitdem geht es hin und her, doch es endet nicht. Zudem hatte die Staatsanwaltschaft bereits 2017 Anklage gegen Vater und Sohn erhoben. Allerdings nicht wegen Diebstahls, wie von Katja B. erhofft, sondern „nur“ wegen Hausfriedensbruchs und Nötigung, weil bei den Angeschuldigten „keine Zueignungsabsicht“ feststellbar war. Ende 2019 dann verklagte Katja B. ihren Ex-Vermieter auf Schadenersatz in Höhe von rund 100.000 Euro. Und das Spielchen geht weiter – ein Schreiben zur Verfahrenseröffnung war unter der Wiener Adresse einmal mehr „nicht zustellbar“.
Katja B. hat mehrere Titel erwirkt
Katja B. hat mehrere Titel erwirkt – vollstrecken konnte sie keinen. Mal fehlten Kontodaten, mal kamen Briefe des Gerichts zurück. Dabei ist die Vermieter-Familie mutmaßlich wohlhabend, besitzt mindestens eine Immobilie in bester Lage; die Frau ist zudem Mehrheitsaktionärin einer Altenheimkette. Die Vermögensverhältnisse zu durchleuchten, stellt die Behörden indes vor Probleme, wie aus einem aktuellen Schreiben des Gerichts an Katja B. hervorgeht. Da heißt es: Die Ermittlung der finanziellen Verhältnisse gestalte sich als „sehr schwierig und weiterhin sehr zeitintensiv“.
Nach vier Jahren andauernden Rechtsstreits weiß Katja B. nicht mehr, wo ihr der Kopf steht. Bisher seien Anwaltskosten in Höhe von mehr als 20.000 Euro aufgelaufen. Die Akten füllen eine ganze Regalwand. Vor allem hadert Katja B. mit der Strafjustiz, zweifelt an der Durchsetzungsfähigkeit des Rechtsstaates. Mit seinem Vorschlag, das Verfahren einzustellen, mache es sich das Gericht zu einfach, so Katja B. Und die 10.000 Euro, die beide Angeschuldigten bei einer Einstellung als Auflage zu zahlen hätten, könnte sie zwar für sich beanspruchen. „Doch das deckt bei weitem nicht meine Kosten und den Schaden ab“, sagt sie. „Ich hoffe sehr, dass die Staatsanwaltschaft dem Vorschlag des Gerichts nicht zustimmt und es irgendwann ein Hauptverfahren gibt.“
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Aus Sicht des Gerichts spricht für eine Einstellung auch, dass seit Anklageerhebung dreieinhalb Jahre vergangen seien, dass die bei der „kalten Räumung“ aufgewendete kriminelle Energie „nicht hoch“ gewesen sei und „keine Wiederholungsgefahr“ drohe. Tatsächlich kam eine Verhandlung auch deshalb nicht zustande, weil eine mit dem Fall betraute Richterin schwanger wurde und ihr Nachfolger erkrankte. Zudem, so heißt es, habe Katja B. ihre Sachen wieder. „Das ist nicht richtig“, sagt sie. Unter anderem habe sie noch immer nicht ihre Mietkaution und ihren Schmuck zurück. Auch ihr Sonnenschirm fehle. Als sie unlängst durch die Bellevue gefahren sei, sagt sie, habe sie ihn gesehen – auf dem Balkon ihrer früheren Wohnung.