Hamburg. Verwirrspiel um Belege und Aussagen: Konnte der zurückgetretene Vorstand dem Aufsichtsrat keine überzeugenden Dokumente zeigen?

Gegen den Hamburger Medizinunternehmer Thomas Wüstefeld werden schwere Vorwürfe erhoben. Er beteuert, das geschehe zu Unrecht. Was am Ende dazu geführt hat, dass er seinen Vorstandsposten beim HSV und den Sitz im Aufsichtsrat abgegeben hat, hat im Prinzip weder mit seiner Arbeit für den Zweitligaverein zu tun noch mit seinem Engagement als Geschäftsführer und Anteilseigner zahlreicher Firmen. Es geht um den Professoren-Titel und den Doktorgrad. Bis zuletzt hat er auf mehrere Abendblatt-Nachfragen keine Belege präsentiert oder klare Aussagen zu diesen Titeln gemacht.

Ob sich der Aufsichtsrat des HSV mit Wüstefelds Erklärungen dazu zufriedengegeben hat? Dessen Vorsitzender Marcell Jansen erklärte am Donnerstag, er wisse, dass Wüstefeld einem "Gremium" Dokumente vorgelegt habe. Er habe diese aber nicht gesehen und könne sie nicht bewerten. Jansen wich der Frage aus, ob ihm jemand gesagt habe, die Belege seien korrekt oder nicht korrekt im Hinblick auf Doktorgrad und/oder Professorentitel.

Der Medizinunternehmer selbst hatte nach dem Abendblatt-Bericht mehrfach öffentlich versichert, er werde die entsprechenden Dokumente dem Aufsichtsrat vorlegen. „Ich werde dazu, wenn es notwendig ist, detailliert Stellung beziehen“, hatte Wüstefeld dem NDR gesagt. „Wir werden das alles sachlich aufarbeiten und dementsprechend anderweitig darlegen.“ Er betonte: „Ich habe studiert, ich habe dementsprechend meine Arbeiten gemacht.“

Ex-HSV-Vorstand Thomas Wüstefeld: Prof. Dr. auch in Verträgen

Nicht nur in der Stadt und in der Politik, sondern auch innerhalb des Vereins wurde zunehmend fassungslos gesehen, wie unglücklich Wüstefeld mit Zweifeln an seiner akademischen Qualifikation umging. Erst wollte oder konnte Wüstefeld auf Fragen des Abendblatts dazu keine klare Antwort geben und verwickelte sich in Widersprüche. Dann versprach er schnelle, nähere Angaben, lieferte sie aber eine Woche lang nicht. Und verkündete dann plötzlich: Er habe Aufklärung geleistet, „bestimmten Personenkreisen“ seine Dissertation und auch Unterlagen zu seinem Professorentitel gezeigt.

Das Problem: Wer diese bestimmten Personen gewesen sein sollen, ist weiterhin unklar. Und dass die Sache damit hoffentlich erledigt sei, wie Wüstefeld selbst noch in der vergangenen Woche sagte, ist definitiv falsch. Die Titelsammlung des nun zurückgetretenen HSV-Vorstands bleibt nebulös: Neben dem Doktor und Professor trägt Wüstefeld auf Firmenwebseiten auch einen „PhD“ aus dem englischsprachigen Raum, ohne dass sich in sehr intensiven Abendblatt-Recherchen davon irgendwelche öffentlichen Spuren finden ließen. Oder trägt er den PhD nur als „Verenglischung“ eines deutschen Doktorgrades, wie das manche tun?

Die Signatur „Prof. Dr. Thomas Wüstefeld“ steht auch von ihm unterschrieben auf notariellen Dokumenten, die das Abendblatt einsehen konnte.

Ex-HSV-Vorstand Wüstefeld: Titel aus den USA, Schweiz, Deutschland?

Er sei „auch in den USA“ gewesen, war die einzige Aussage im Gespräch mit dem Abendblatt dazu. Wüstefeld gab auch an, sowohl Diplom-Ingenieur als auch Diplom-Ökonom zu sein, aber Details sind so unklar wie der Rest der akademischen Karriere.

Warum macht Wüstefeld aus der Herkunft der Titel ein Geheimnis? Zu Fragen nach seinem Doktorgrad verwies er auf seine Privatsphäre, zeigte jedoch Medienvertretern seinen Personalausweis mit dem eingetragenen „Dr.“. Für gewöhnlich muss man beim Einwohnermeldeamt eine Doktorurkunde oder eine beglaubigte Kopie vorlegen, um das – nicht zwingend einzutragende – Kürzel im Personalausweis oder Reisepass zu erhalten.

Größer sind bei Wüstefeld die Zweifel am Professorentitel. Und selbst als Wüstefeld in der vergangenen Woche von geleisteter Aufklärung sprach, machte er die Verwirrung darum noch größer. Der Professor sei ihm für die Mithilfe an einem Forschungsprojekt verliehen worden, so Wüstefeld nach der Anhörung im Haushaltsausschuss der Bürgerschaft gegenüber dem Abendblatt.

Wüstefeld macht widersprüchliche Angaben zu Professorentitel

Vor längerer Zeit hatte er bereits einmal gesagt, diese akademische Würde stamme aus einem Lehrauftrag aus der Schweiz. Nicht der einzige Widerspruch: Gegenüber dem Abendblatt schloss er zuletzt genau das kategorisch aus. Doktor und Professor stammten beide aus Deutschland, aber er wolle nicht sagen, woher. In der Schweiz sei er zum Skifahren gewesen.

Offiziell wird die akademische Qualifikation Wüstefelds bislang nicht überprüft. Zwar ist auch gesetzlich reglementiert, wie lange ein Professorentitel nach einer Lehr- oder Forschungstätigkeit noch getragen werden darf, wenn es sich nicht um verbeamtete und somit eigens an Hochschulen oder Institutionen berufene Professoren handelt.

Entscheidend sind aber die Regeln des Bundeslandes, in dem der Titel verliehen wurde. So sieht sich die Hamburger Wissenschaftsbehörde bislang nicht zuständig, da sie nur die Aufsicht auf in Hamburg verliehene akademische Grade innehat.