Hamburg. Eine Krankenschwester soll ihre kleine Tochter schwer geschädigt haben. Nun muss der Prozess in Hamburg neu aufgerollt werden.

Es hätte ganz schlimm ausgehen können für die kleine Sophia (Name geändert). Die Vierjährige brach plötzlich zusammen und wirkte leblos. Was war geschehen? Warum war das Mädchen, das eben noch fröhlich gewirkt, das gespielt und gezeichnet hatte, plötzlich nicht mehr ansprechbar? Es dauerte eine Weile, bis sich herausstellte, was geschehen war – und sich ein nahezu unfassbar Verdacht abzeichnete: War es tatsächlich Sophias eigene Mutter, die ihrem Kind so schwer geschadet hat?

In dem Prozess, der an diesem Mittwoch vor dem Schwurgericht begonnen hat, wird Sophias Mutter Jennifer F. vorgeworfen, ihrer Tochter Medikamente verabreicht zu haben, die deren Gesundheit geschädigt haben. In der Anklage ist sogar von versuchtem Mord die Rede, weil die 37-Jährige, eine ausgebildete Intensiv-Krankenschwester, dem Kind Medikamente gegeben haben soll, die in dieser Kombination und Dosierung zu einem Atemstillstand und damit zum Tod hätten führen können. Dabei habe die Hamburgerin „heimtückisch“ gehandelt und das bedingungslose Vertrauen ihrer Tochter ausgenutzt.

Mutter wegen versuchten Mords verurteilt – BGH hebt Urteil auf

Jennifer F., eine schlanke Frau mit müden Augen, kennt die Situation auf der Anklagebank. Es ist dies das zweite Mal, dass sie sich wegen der mutmaßlichen Geschehnisse vom 28. und 29. Dezember 2020 vor Gericht verantworten muss. In einem ersten Prozess war eine andere Schwurgerichtskammer mit Urteil vom 13. September 2021 zu der Überzeugung gekommen, dass die 37-Jährige sich des versuchten Mordes und der gefährlichen Körperverletzung schuldig gemacht habe. Dafür hatte das Gericht vier Jahre und zehn Monate Freiheitsstrafe verhängt. Das Motiv sei bei der Tat allerdings bis zum Schluss „vollkommen im Dunklen“ geblieben, hatte der Vorsitzende Richter gesagt.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hob das Urteil teilweise auf. Die Begründung dafür, dass die Angeklagte mit bedingtem Tötungsvorsatz gehandelt habe, sei unzureichend, meinten die BGH-Richter. Insofern muss teilweise neu verhandelt und über das Strafmaß erneut entschieden werden.

Kind bekam hohe Dosis Schlafmittel

Sophia war seinerzeit ins Krankenhaus gekommen, nachdem sie am 28. Dezember offenbar zu Hause vom Sofa gefallen war und über Kopfschmerzen geklagt hatte. In der Klinik verschlechterte sich der Zustand des Mädchens plötzlich dramatisch; Sophia war schlapp und kaum ansprechbar. Die Vierjährige wurde ins UKE verlegt, wo ein MRT durchgeführt werden sollte.

Am nächsten Tag erneut eine dramatische Zuspitzung: Nachdem das Kind am Nachmittag noch fröhlich war, brach es plötzlich zusammen. Später zeigten die Analysen von Blut- und Urinproben: Dem kleinen Mädchen war unter anderem eine erhebliche Dosis eines Schlafmittels verabreicht worden.

Eine Tat, für die nach Überzeugung des Gerichts allein die Mutter verantwortlich ist. Die Kammer hatte es als erwiesen angesehen, dass Jennifer F. Ihrer Tochter jeweils heimlich und ohne medizinische Indikation zweimal ein Benzodiazepin verabreicht hat, beim zweiten Mal in Kombination mit einem Schlafmittel. Die zweite Medikamentengabe sei in einer potenziell lebensgefährlichen Dosis erfolgt. Insofern habe die Angeklagte einen tödlichen Ausgang billigend in Kauf genommen.

Im ersten Prozess hatte die Angeklagte keine Aussage gemacht. Allein in ihrem letzten Wort hatte sie geäußert: „Wenn ich krank sein sollte, brauche ich Unterstützung, weil ich zu meiner Familie zurückwill.“ Neben Sophia hat Jennifer F. mit ihrem Mann noch zwei weitere Kinder, die jetzt beim Vater leben.

Die 37-Jährige ist seit Februar vergangenen Jahres in Untersuchungshaft. Eine Aussage seiner Mandantin sei nicht vorgesehen, erklärt der Verteidiger jetzt im neuen Prozess. Bislang sind acht Verhandlungstage anberaumt.