Hamburg. Nach nur anderthalb Jahren wird der Platz im Finkenau-Quartier umbenannt: Was hinter altem und neuem Namen steckt.
Versöhnliches Ende des Streits um den Namen eines kleinen Platzes auf der Uhlenhorst: Erst im Januar 2020 hatte der Platz am Ende der Leo-Leistikow-Allee den Namen Emily-Ruete-Platz erhalten. Ein knappes Jahr zuvor hatte sich die Bezirksversammlung Hamburg-Nord auf den Namen geeinigt.
Auf den ersten Blick eine unstrittige Umsetzung des Plans, Frauen bei der Benennung von neuen Straßen und Plätzen in Hamburg stärker zu berücksichtigen. Denn die Tochter des Sultans von Sansibar, die 1867 den Hamburger Kaufmann Rudolph Heinrich Ruete heiratete, veröffentlichte die mutmaßlich erste Autobiografie einer arabischstämmigen Frau in der Literaturgeschichte.
Erzählungen von "N****sklaven" und "Eunuchen"
In den "Memoiren einer arabischen Prinzessin", die wegen des großen Erfolges mehrfach neu aufgelegt wurden (zuletzt im Jahr 2011), zeigt sie zudem ein selbst 135 Jahre später recht modern anmutendes Frauenbild, das den "orientalischen" Klischees der Polygamie, der "Haremsdamen" und der unterdrückten Frau widerspricht.
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In ihrer Biografie berichtet Ruete aber auch wie selbstverständlich von "N****sklaven" und "Eunuchen", die in den Palästen und auf den Plantagen der Sultansfamilie Zwangsarbeit verrichten.
Emily Ruete über Sklaven: "Der N**** ist bekanntlich sehr arbeitsscheu"
Bei der Beurteilung des Namensvorschlages durch das Staatsarchiv war das augenscheinlich übersehen worden – obwohl die Ansichten der Sultanstochter schon bei nur kursorischer Lektüre des Kapitels "Auf einer Plantage" zu Tage treten. Ruete schreibt dort: "Der N**** ist bekanntlich sehr arbeitsscheu und man muss ihn sehr scharf und beständig beaufsichtigen, wenn er wirklich etwas leisten soll." Die Staatsbibliothek Berlin stellt die Autobiografie in digitalisierter Form zur Verfügung.
Der eklatante Rassismus der Adligen aus dem "Morgenland" fiel trotzdem erst auf, als die Geschichtswerkstatt Barmbek eine Tafel für den Platz erstellen sollte, auf der die Vita der Prinzessin im Überblick beschrieben werden sollte. Als Ruetes Haltung zu Sklaven durch einen Hinweis des Arbeitskreises Hamburg Postkolonial auch in den Gremien der Stadt bekannt wurde, hieß es im Oktober 2020 aus der Kulturbehörde: "Rückblickend hätte die Benennung nach Emily Ruete bereits beim Vorschlag des Bezirks durch das Staatsarchiv detaillierter geprüft werden müssen."
Gedenken an die jüngsten Opfer des Nationalsozialismus
Man bemühte sich nun im Bezirk eilig, den entstandenen Schaden zu begrenzen. Zu eilig: Denn die Schilder mit dem Namen Emily-Ruete-Platz, die auf Beschluss der Bezirksversammlung Nord abgebaut wurden, mussten zwischenzeitlich wieder aufgestellt werden. Der von Amts wegen erforderliche Umbenennungsantrag hatte noch nicht vorgelegen.
Nun aber hat der Bezirk dem Staatarchiv einen neuen Namensvorschlag vorgelegt: Wenn dieses seine Prüfung abgeschlossen und der Senat über die Umbenennung entschieden hat, wird der Platz am Ende der Leo-Leistikow-Allee Teressa-Platz heißen.
Teressa-Platz statt Emily-Ruete-Platz
Das Bezirksamt hatte im Dezember vergangenen Jahres dazu aufgerufen, Namensvorschläge für den ehemaligen Emily-Ruete-Platz und weitere, bisher namenlose Straßen im Mesterkamp-Quartier zu machen. Der Regionalausschuss und eine interfraktionelle Arbeitsgruppe haben sich für den Teressa-Platz (sowie Mesterkamp, Gerda-Kohn-Platz, Ingeborg-Morgenstern-Weg) entschieden.
Der neue Name erinnert an die Gräuel der Nazizeit: In der damaligen Geburtsklinik Finkenau wurden bei hunderten Zwangarbeiterinnen Schwangerschaftsabbrüche vorgenommen, Neugeborene dieser Frauen starben zudem an Vernachlässigung und Unterernährung. Teressa Scira kam am 25. Dezember 1943 zur Welt. Zwei Tage später starb sie. Ihre Mutter, Hanka Scira, wurde kurze Zeit später zurück ins Polizeigefängnis Fuhlsbüttel gebracht. Dort verliert sich ihre Spur.
Mit dem Namen Teressa-Platz soll das Gedenken an all jene Kinder wach gehalten werden, die im nationalsozialistischen Hamburg ermordet wurden.