Hamburg. Frau eines Hamburger Kaufmanns soll sich für Sklavenhaltung eingesetzt haben. Politik: Sultanstochter ist der Ehrung nicht würdig.

Die Anwohner im Finkenau-Quartier stehen auf einem Platz ohne Namen. Der Bezirk Hamburg-Nord hat die Schilder der nach Emily Ruete benannten Fläche bereits vor zwei Wochen wieder abgebaut.

Ein solcher Vorgang ist äußerst selten. „Es wird doch immer eingehend durch das Staatsarchiv geprüft, wenn ein Platz nach einer Person benannt wird. Das scheint hier nicht der Fall gewesen zu sein“, sagt Claudia Kleyboldt, die mit ihrer Familie in dem neu entstandenen Wohngebiet auf der Uhlenhorst lebt. In der Nachbarschaft ist dieses Vorgehen ein viel diskutiertes Thema.

Namensgeberin hatte eine bewegte Lebensgeschichte

Aber was ist passiert? Der Regionalausschuss Barmbek-Uhlenhorst-Hohenfelde-Dulsberg hatte am 21. September auf Antrag von Grünen und SPD eine Beschlussempfehlung für den Hauptausschuss der Bezirksversammlung Nord verabschiedet, wonach der Platz im Finkenau-Quartier aufgrund der erst jetzt „zutage getretenen kritikwürdigen Ansichten“ nicht weiter nach Emily Ruete benannt sein soll. Der Hauptausschuss schloss sich der Empfehlung des Regionalausschusses an.

Auch auf Antrag von Rot-Grün war am 25. Februar 2019 beschlossen worden, den Platz am Ende der Leo-Leistikow-Allee nach Emily Ruete zu benennen. Schließlich erfolgte im Januar 2020 die Beschilderung.

Die Namensgeberin hatte eine bewegte Lebensgeschichte. Sie wurde 1844 unter dem Namen Salama bint Said, Prinzessin von Oman und Sansibar, als Tochter des regierenden Sultans auf Sansibar geboren, heiratete 1867 den Hamburger Kaufmann Rudolph Heinrich Ruete und lebte in der Hansestadt.

Emily Ruete setzte sich für Sklavenhaltung ein

Aber es gibt offensichtlich eine Schattenseite in ihrem Lebenslauf. „Emily Ruete setzte sich in ihren Memoiren wiederholt für die Sklavenhaltung ein, ihre Äußerungen gegenüber den Sklav*innen sind rassistisch“, heißt es in einer Drucksache der Bezirksversammlung, die dem Abendblatt vorliegt.

1886 erschien von Ruete das Buch „Memoiren einer arabischen Prinzessin.“ Das soll die erste Autobiografie einer arabischen Frau in der Literaturgeschichte gewesen sein – so ist es zumindest einem Wikipediaeintrag über Ruete, die 1924 in Jena starb und auf dem Friedhof Ohlsdorf begraben wurde, zu entnehmen.

Die Bezirkspolitik ist um Schadensbegrenzung bemüht

„Wir sind davon überrascht worden, dass Emily Ruete offensichtlich Sklavenhaltung gutgeheißen hat. Aber wir waren davon ausgegangen, dass alles in Ordnung ist, nachdem das Staatsarchiv keine Einwände gegen diese Namensgebung hatte“, sagte der SPD-Bezirksabgeordnete Rüdiger Wendt auf Abendblatt-Anfrage.

Wie es überhaupt dazu kam, dass Ruetes Vergangenheit durchleuchtet wurde, erklärt Daniela Dalhoff, Sprecherin der Grünen im Regionalausschuss und Bezirksabgeordnete: „Die Geschichtswerkstatt Barmbek ist damit beauftragt worden, eine Geschichtstafel für den Platz zu erstellen, auf der das Leben von Emily Ruete beschrieben wird. Bei den Recherchen, die sich auch auf die Kritik eines Mitgliedes des Arbeitskreises Hamburg Postkonial an der Platzbenennung bezogen, wurde festgestellt, dass sich Emily Ruete in ihren Publikationen für Sklavenhaltung eingesetzt hat.“

Die Grünen-Politikerin sagte weiter: „Das passt natürlich nicht zu einer weltoffenen Stadt wie Hamburg, und es entspricht nicht unserer Haltung, dass eine Person, die solche menschenfeindlichen Äußerungen getätigt hat, weiterhin die Namensgeberin für einen Platz ist.“

Staatsarchiv hätte Benennung detaillierter prüfen müssen

Unterdessen räumte eine Sprecherin der Kulturbehörde am Dienstag auf Abendblatt-Anfrage ein: „Rückblickend hätte die Benennung nach Emily Ruete bereits beim Vorschlag des Bezirks durch das Staatsarchiv detaillierter geprüft werden müssen.“

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Weitere Plätze oder Straßen in der Stadt könnten noch umbenannt werden. Die Behördensprecherin sagte: „Das Staatsarchiv arbeitet momentan die Themenkomplexe ,NS-belastete Straßennamen‘ und ,kolonial belastete Straßennamen‘ grundsätzlich auf.“ Für den Bereich „kolonial belastete Straßennamen“ habe im September eine Projektmitarbeiterin eine eigens geschaffene Stelle im Staatsarchiv angetreten.

Nachbarschaft und Anwohner sollen neue Vorschläge machen

Die Nachbarschaft und Anwohner umliegender Stadtteile sollen nun neue Vorschläge für einen Namen machen. „Wir sollten den Platz nicht wieder nach einer Person benennen, sondern einfach schlicht ,Platz am Wasser‘ oder ,Uferplatz‘“, sagt Claudia Kleyboldt. Auch ihr 13-jähriger Sohn Samuel, der hier mit Freunden ab und an Fußball spielt, hat sich Gedanken gemacht. „Wir brauchen keinen Namen, für uns ist das einfach nur ,der Platz‘.“

Im Frauenwohnprojekt Arche Nora, unweit des Platzes, lebt Kirsten Schwartau und verfolgt die Diskussion um den Platz. Schwartau sagt. „Wir sollten die Chance einer Neubenennung nutzen und einen zeitgemäßeren Namen finden. Aus meiner Sicht muss es nicht wieder eine Person sein.“