Hamburg. Politiker hätten sich zu sehr auf Virologen konzentriert – „reine Labormediziner“. Prof. Kuck: Viele Patienten zu Hause gestorben.

Der international renommierte Hamburger Herzspezialist Prof. Karl-Heinz Kuck (68) sieht im Kampf gegen die Corona-Pandemie schwere Versäumnisse seiner Arzt-Kollegen und der Politik. Es sei ein „kapitaler Fehler“ gewesen, die Krankenhäuser für Covid-19-Kranke freizuräumen: „Man hätte Schwerpunkt-Kliniken bilden können. Wir haben mehr als 40 Krankenhäusern in Hamburg, die sind par ordre du mufti alle gegen die Wand gelaufen“, sagt Kuck im Gespräch mit dem Hamburger Abendblatt.

Und: „Hätte es Schwerpunkt-Kliniken gegeben, wären andere Krankenhäuser frei von Corona-Patienten gewesen, in die sich andere Kranke getraut hätten.“ Das hätte das Erliegen von klinischer Medizin und Forschung in anderen Fachgebieten verhindert: „So einen wissenschaftlichen Kollaps habe ich in meinem ganzen Leben nicht erlebt.“

Corona-Angst: Patienten ignorieren Herzinfarkt und sterben zu Hause

Kuck sagte, die Europäische Gesellschaft für Kardiologie habe ermittelt, dass in den vergangenen drei Monaten die Zahl der Behandlungen von Herzinfarkten in den großen Kliniken um 50 Prozent heruntergegangen sei. Der Grund: „Die Leute sind aus Angst nicht mehr in die Klinik gegangen, sie sind zu Hause gestorben. Die haben ihre Erkrankungen ignoriert.“

Im selben Zeitraum sei die Zahl der häuslichen Wiederbelebungen um denselben Prozentsatz gestiegen. „Damit sehen wir einen eindeutigen Zusammenhang“, so Kuck. „Patienten haben unsere lebensrettende Medizin nicht mehr wahrgenommen. Ich finde das dramatisch, und es dokumentiert ein absolutes Versäumnis von Fachkollegen und Politikern.“

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Prof. Kuck: "Virologen sind reine Labormediziner"

Ein großer Fehler sei außerdem gewesen, sich zu sehr auf die Virologen zu konzentrieren. Das seien reine Labormediziner. „Ich will das nicht abwerten, aber wer nie Patienten untersucht, der kann doch gar nicht wissen, wie kranke Menschen sind und wie sie behandelt werden müssen.“ Sie hätten versäumt, „darauf hinzuweisen, dass niemand an dem Virus stirbt, sondern die Menschen sterben an den Folgen des Virus“.

Herz-Patient Helmut Schmidt qualmte auch im Krankenhaus

Mit der Lanserhof-Gruppe entwickelt der Kardiologe, der lange Jahre am Universitätsklinikum Eppendorf und in der Asklepios Klinik St. Georg arbeitete und heute zudem am UKSH in Lübeck wirkt, derzeit eine App gegen den Schlaganfall. Sie soll jeden vierten Fall verhindern können.

Kuck äußert sich in dem Interview erstmals detaillierter über seine prominenten Patienten wie Helmut Schmidt, David Bowie und Udo Lindenberg. Über den Altkanzler sagte er: „Er qualmte und trank Kaffee in Hülle und Fülle. Der Aschenbecher war voll, wenn er ging, und wir mussten 24 Stunden lüften."