Hamburg. Teil 10: Warum Yoga teilweise effektiver bei Schmerzen hilft als reine Rückenübungen – und was Zähneknirschen bedeutet.

Wie immer, wenn man einen ernsthaften Yogi trifft, macht sich gleich der gute Vorsatz breit: Man selbst könnte auch mal ein bisschen weniger gestresst sein, ein bisschen mehr Buddha sein – so wie derjenige, der da vor einem steht. Yogalehrerin Caroline Clauder steht natürlich kerzengerade da und ruht in sich. Eine Kunst. Und die beste Präventionstaktik: Buddha zu sein bedeutet nämlich das Gegenteil von Rückenschmerzen. Doch dazu später.

Beginnen wir mit dem Leiden. Dr. Clauder arbeitet seit 18 Jahren als Zahnärztin, sie hatte in der Zeit zwei Bandscheibenvorfälle, weil sie in der Linksrotation in der Patientenbehandlung sitzt, acht Stunden täglich ist sie im Oberkörper gedreht. „Irgendwann fragte ich mich, wie ich eine Lösung finden kann, aus den Beschwerden herauszukommen“, sagt die 42-Jährige. Eine Operation der Bandscheiben lehnte sie ab, obwohl sie schon Taubheitsgefühle im Arm verspürte. Physiotherapie und Krafttraining halfen zunächst, doch Caroline Clauder kam nicht mehr bei gestreckten Beinen an ihre Füße und ­versuchte es schließlich mit Yoga.

Die Dehnungen sorgten für schnelle Erleichterung. „Das Erüben von Kraft, Flexibilität und Balance im Yoga haben mein System wieder ins Gleichgewicht gebracht. Als Ärztin wollte ich ganz genau wissen, warum es hilft“, erzählt die Zahnärztin, die dann nebenbei eine Yogalehrer-Ausbildung begann. Sie gibt inzwischen nicht nur Kurse bei „Peace Out Yoga“ in Barmbek, sondern bildet auch Yogalehrer aus und lehrt funktionelle Anatomie nach dem Konzept der Spiraldynamik der Osteopathie Schule Deutschland. (OSD)

Rückenschmerzen: Wann hilft Yoga?

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    Die Spiraldynamik ist ein dreidimensionales, anatomisch-funktionell begründetes Bewegungs- und Therapiekonzept, dass den Patienten beibringen soll, sich „gemäß des ursprünglichen Bauplanes des Körpers“ zu bewegen. Ein Gelenk bleibe gesund, wenn es sich so bewegen könne, wie die Natur es vorgesehen habe, erklärt Caroline Clauder. Werden die Gelenke jedoch durch Über- oder Unterspannung aus ihrer Achse gezogen, dann gerate der ganze Körper aus der Balance: „Wie bei einem Bettlaken, das an zwei Enden zu sehr verknotet ist; das wird nicht mehr glatt und gerade aufliegen können“.

    Man muss es schon entknoten, und das gelingt durch gezielte Yoga-Übungen. Vorbeugen, Rückbeugen, Hüftöffner, Drehungen und ein fließendes Bewegen in den Muskelfaszienketten. Um herauszufinden, welche Übungen wem am besten helfen, schaut sich Caroline Clauder die Schüler und ihre Haltung zunächst genau in der Bewegung an. Männern fehlt es häufig an Flexibilität, Frauen an Kraft, aber grundsätzlich brauchen beide beides.

    „Schmerz entsteht oft aus einer fehlenden Mitte, damit meine ich die Tiefenmuskulatur genauso wie eine Mitte im eigenen Leben“, sagt Clauder. Woran kann man sich aufrichten? Was erzeugt den Schmerz wirklich? Sie sei keine Therapeutin und könne in ihrem Unterricht einem Gestressten nicht sofort mit der Sinnfrage kommen. Also spricht sie zunächst von der Ausrichtung von Füßen und Händen, als gleich mit der inneren Leichtigkeit zu kommen. „Yoga ist mehr als ein Sport, und ich verstehe mich nicht als Trainerin, eher als Impulsgeberin“, erklärt Clauder.

    Drei Yogaeinheiten pro Woche

    Sie fragt die Schüler dann beispielsweise nach ihrem Traum, den sie visualisieren und nach dem sie sich künftig ausrichten sollen. Ein Abturnen beim Yoga sei lange nicht so effektiv wie wenn man durch Meditation oder Reflexion auch die Seele anspräche: „Körper und Seele durchdringen einander.“ Clauder liest in ihren Stunden gerne etwas vor, zum Beispiel aus der „Philosophie der Freiheit“ oder aus „Finde dein Warum“. Womit der Schüler seinen Geist füllt, das findet die Ärztin mindestens genauso wichtig wie die Bewegung.

    Genauso sieht es Dr. Ronald Steiner. Der Yogalehrer ist Arzt und Sportmediziner, er forscht in den Bereichen Prävention und Rehabilitation und hat festgestellt, dass Yoga effektiver als reine Rückenübungen ist: „Der konzentriert-meditative Fokus spielt eine große Rolle. Bei einem normalen Rückenkurs werden die Muskeln gestärkt, das schon, aber die Übungen werden wirkungsvoller, wenn sie bewusst mit einem ,Omm‘ beginnen sowie einer kurzen Meditation und Entspannung enden. Der Rahmen macht tatsächlichen einen Unterschied, weil der Stress des Alltags so besser abgeschüttelt wird - und schließlich stellt Stress häufig die Hauptursache für unsere Schmerzen dar.“ Das Ziel muss also sein, so entspannt und ausgeglichen zu sein wie Buddha, damit hätten wir ein Schutzschild gegen Schmerzen.

    Steiner und Clauder empfehlen drei Yogaeinheiten pro Woche, dann sei bei leichten Schmerzen schon nach einem Monat Besserung zu beobachten, chronische Schmerzen bräuchten länger. Aber bei wirklich allen bewege sich etwas, manchmal sogar stark. „Ich kenne viele, die durch Yoga begonnen haben, auch Veränderungen in ihrem Leben herbeizuführen. Die sich getrennt haben von einem Partner oder einem Job oder aufgehört haben, etwas nur zu tun, weil jemand es verlangt“, sagt Clauder.

    Guter Lehrer ist wichtig

    Zu viel Druck im eigenen Leben kann auch zum Zähneknirschen in der Nacht führen, das wiederum Nackenverspannungen auslösen kann, erklärt die Zahnärztin. „Knirschen kann eine innere Aussage sein. Eine Schiene stellt in manchen Fällen nur ein Pflaster dar, da hilft es in diesen Fällen, zum Beispiel zusätzlich zum Boxen oder Laufen zu gehen, um die Überspannung im System über die körperliche Bewegung zu balancieren und nicht über die Zähne herauszulassen.“

    Doch wie sieht die Forschung die Effektivität von Yoga? Eine Übersichtsarbeit, die im Wissenschaftlernetzwerk Cochrane Library publiziert wurde, hat ergeben, dass Schmerzen nachlassen und funktionelle Einschränkungen zurückgehen, wenn Patienten, die chronisch an unspezifischen Rückenschmerzen leiden, Yoga praktizieren. Vor allem Iyengar, Hatha oder Viniyoga wurden in der Studie untersucht.

    Caroline Clauder glaubt allerdings nicht, dass es auf einen bestimmten Yogastil ankomme, eher auf einen Lehrer, der sich auch mit Anatomie auskenne und Fehlhaltungen im Unterricht korrigieren könne. Insofern findet sie die Online-Videos als Einstieg sehr gut, doch zwischendurch brauche jeder einen Lehrer, der die Ursachen der Schmerzen eruiere: „Nur ein Mensch kann im Körper eines anderen lesen, wo eine Über- oder eine Unterspannung herrscht. Das kann ein Video nicht leisten.“

    Ronald Steiner vertraut hingegen auf die Intelligenz des Körpers. Wer noch nie Yoga gemacht habe, solle keine Angst vor Fehlern haben: „Was soll schon schiefgehen? Wir haben alle einen natürlichen Bewegungsinstinkt, unser Körper findet von allein seine Balance. Unsere Vorfahren hatten auch kein Handbuch, das beschreibt, wie genau sie nun auf einen Baum klettern müssen.“

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