Hamburg. Von steigenden Umsätzen profitieren vor allem große Unternehmen. Kleine und mittlere Einzelhändler haben zunehmend Schwierigkeiten.

Zweimal hat der amerikanische Handelskonzern Amazon 2017 seinen Expansionswillen auch in Hamburg gezeigt: mit der Einführung des Lebensmittel-Lieferdienstes Amazon Fresh im Juli und im November mit der Ankündigung für ein neues Verteilzen­trum im Hafen. Es sind Schlaglichter, aber sie stehen für eine Entwicklung. Egal, ob Tierfutter, Tannenbäume oder Textilien – immer mehr Waren und Dienstleistungen werden außerhalb klassischer Handelstrukturen angeboten. Die Bedeutung des E-Commerce-Geschäfts hat auch 2017 rasant zugenommen und ist laut Handelsverband Nord mit einem Plus von zehn Prozent der dynamischste Faktor für Rekordeinnahmen von geschätzten 13,3 Milliarden Euro in Hamburg.

Kommentar: Viele Jobs, viele Probleme

Aber, und das macht der Branche zunehmend Sorgen, von den Zuwächsen in Höhe von drei Prozent profitieren vor allem die großen Unternehmen. Die Schere geht immer weiter auf. Kleine und mittlere Einzelhändler haben zunehmend Schwierigkeiten, sich im globalen Wettbewerb zu behaupten. Und das in einer Phase, in der eine stabile Wirtschaftslage und gute Einkommensentwicklung die Konsumlaune beflügeln. Trotzdem ist der Wandel etwa in der Hamburger City nicht zu übersehen. Im Bereich der Mönckeberg- und Spitalerstraße gibt es inzwischen quasi keine inhabergeführten Geschäfte mehr – dafür hat das (austauschbare) Angebot internationaler Modeketten deutlich zugenommen.

Mehr Einzelhandelsbetriebe

Insgesamt hat sich die Zahl der Einzelhandelsbetriebe leicht erhöht. Die aktuellste Bestandserhebung des Statistikamts Nord weist etwa 8000 Firmen mit 13.000 Geschäften in der Hansestadt aus (Stand Ende 2015). „Hamburg gewinnt an Attraktivität“, sagt die Geschäftsführerin des Handelsverbands Nord, Brigitte Nolte. „Viele Ketten wollen im Stadtbild präsent sein.“ Auffällig: Vor allem skandinavische Marken wie Clas Ohlson (Haushaltswaren), Søstrene Grene (Dekoration), Tiger (Dekoration), Stadium (Sport) oder Hi-fi Klubben (Audio) expandieren mit Schwerpunkt in den City-Lagen.

Die Liste mit den Unternehmen als PDF zum Download

Auf die Zahl der Jobs wirken sich diese Veränderungen kaum aus. 91.865 Männer und Frauen sind nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit Voll- oder Teilzeit im Einzelhandel beschäftigt (Stand März 2017). Im Vergleich zum Vorjahr waren es 1,5 Prozent mehr. Dazu kommen 22.852 Minijobber. Zuwächse gibt es im Lebensmittelhandel, was vor allem mit der Eröffnung neuer Märkte zu tun haben dürfte. Deutschlands größte Supermarkt-Kette Edeka etwa hat die Zahl der Mitarbeiter 2017 um 100 auf 5900 erhöht. Auch 2018 will das Unternehmen weiter einstellen.

Digitalisierung großes Thema

Bei der Bäckerei-Kette Junge arbeiteten 2017 mehr Männer und Frauen als im Vorjahr (plus 109), beim Konkurrenten Dat Backhus sank die Zahl der Beschäftigten dagegen (minus 53). Leichte Zuwächse melden auch die Drogeriekette Budnikowsky und der Möbelhändler Ikea. Einen deutlichen Jobaufbau plant der Internet-Händler Otto, der zum internationalen Handelskonzern Otto Group gehört. 300 neue Mitarbeiter werden gesucht. Allerdings keine Verkäufer, sondern primär IT-Fachkräfte.

Größtes Thema im Handel ist die Digitalisierung. Sie ermöglicht viele Innovationen, ist aber auch mit hohen Investitionen verbunden. „Viele kleinere Händler sind dazu nicht in der Lage und erleiden so Wettbewerbsnachteile oder verschwinden ganz vom Markt“, sagt der Präsident des Handelsverbands Nord und Globetrotter-Geschäftsführer Andreas Bartmann. Nach einer Auswertung der Handelskammer gaben seit 2015 in Hamburg 88 Traditionsgeschäfte unterschiedlicher Branchen auf, die vor 1960 gegründet worden waren.

Unterstützung der Politik gefordert

Die Veränderungen gehen auch einher mit einem tiefgreifenden Wandel im Käuferverhalten: weit von der Orientierung am Angebot in den erreichbaren stationären Läden hin zur Nachfrage-Orientierung. Im Klartext: Die Kunden erwarten inzwischen eine Online-Präsenz, im besten Fall auch einen Shop, um die gewünschten Artikel direkt zu ordern. Im Kampf gegen das Sterben der kleinen Läden plant der Handelsverband im kommenden Jahr verschiedene Maßnahmen. „Die Händler müssen sich zusammentun, um besser präsent zu sein“, sagt Geschäftsführerin Nolte. Unter anderem soll es deshalb im nächsten Jahr eine Kooperation mit der Internetseite Hamburg.de geben. Für das Frühjahr hat der Verband eine Initiative angekündigt, unter anderem soll es Schulungen für die Einführung von E-Commerce-Angeboten geben.

Einzelhandelsprecherin Brigitte Nolte sieht die Politik gefordert. „Die Stadt muss sich intensiver im öffentlichen Raum engagieren“. Der Einzelhandel könne nicht mehr allein verantwortlich dafür sein, dass Quartiere belebt werden. Dazu kommt: „Die Einbußen durch den G-20-Gipfel haben den Handel in der Stadt schwer getroffen. „Es gab ein Versprechen, dass das kompensiert werden soll“, sagt Nolte. Unter anderem fordert der Handel mehr und unbürokratische verkaufsoffene Sonntage – auch in den Bezirken –, um der Wettbewerbsverzerrung mit dem immer erreichbaren Online-Handel etwas entgegenzusetzen.