Die Zahl der Arbeitslosen in Hamburg sinkt, doch das ist nicht die ganze Wahrheit.
Der Hamburger Arbeitsmarkt zeigt sich in bester Verfassung – zumindest wenn man auf die offiziellen Zahlen schaut. Nur noch gut 66.000 Frauen und Männer suchen in der Hansestadt laut Statistik einen Job – ein historischer Topwert. In den meisten Branchen gibt es freie Stellen, sodass Neu-Hamburger vergleichsweise schnell einen Arbeitsplatz finden.
Und auch für 2018 sind die Aussichten glänzend – denn nach der aktuellen Abendblatt-Umfrage wollen 86 Prozent der 200 größten Firmen in der Stadt neue Jobs schaffen oder die Zahl ihrer Arbeitsplätze zumindest konstant halten. Offene Stellen, viele zusätzliche Jobs und wenige Erwerbslose – Zeit für eine Flasche Schampus? Nicht zwingend. Denn hinter den nüchternen Zahlen verstecken sich tiefer gehende Probleme.
So besteht weiter die altbekannte, aber immer noch nicht geschlossene Fachkräfte-Lücke. Vor allem technisch versierte Experten werden händeringend gesucht. Es gibt kaum ein größeres Unternehmen in der Stadt, das nicht IT-Spezialisten sucht. Seit Jahren ist dieses Problem bekannt – und trotz üppiger Gehaltsangebote können Tausende Stellen in der Stadt nicht besetzt werden.
Was Deutschland ändern muss
Im Alleingang wird Hamburg keine Lösung präsentieren. Hier ist die Stadt auf den Bund angewiesen, der endlich ein schlüssiges und für die Wirtschaft sinnvolles Einwanderungsgesetz auf den Weg bringen muss. Denn der Kampf um die besten Programmierer und Online-Spezialisten macht nicht an den nationalen Grenzen halt. Deutschland muss in einen weltweiten, hart geführten Wettbewerb einsteigen und diesen gewinnen, will es in einem wichtigen Zukunftsfeld nicht abgehängt werden.
Aber auch abseits von IT und digitaler Revolution suchen Unternehmen verzweifelt Personal. Ob in Pflegeheimen, Kindergärten oder an der Supermarktkasse – immer mehr Stellen in der Stadt bleiben unbesetzt. Hier sind die Gründe allerdings andere. Meist stimmen weder Bezahlung noch Arbeitszeiten. Löhne, von denen man sich in einer teuren Großstadt wie Hamburg keine akzeptable Wohnung leisten kann, kombiniert mit Schichtarbeit und/oder einem befristeten Arbeitsvertrag – attraktive Jobbeschreibungen sehen anders aus.
Vor allem im sozialen Bereich zeigen sich Arbeitgeber wenig sozial gegenüber ihren Beschäftigten. Sie geben den Kostendruck von Politik und Krankenkassen einfach weiter: ein fatales Signal, vor allem, wenn man auf die demografische Entwicklung hierzulande schaut und endlich realisieren sollte, dass die Babyboomer-Generation erst noch in Rente gehen wird. Die Krankenhäuser und Pflegeheime werden folglich noch deutlich mehr gut ausgebildetes und anständig bezahltes Personal benötigen.
Viele Jugendliche finden keinen Job
Zudem darf man bei aller Freude über die niedrige offizielle Arbeitslosenzahl nicht vergessen, dass Zehntausende Menschen ohne Job in dieser Statistik gar nicht auftauchen – unter anderem, weil sie bereits zu lange ohne Arbeit sind und als kaum noch vermittelbar gelten. Aber auch die weiterhin zu hohe Zahl von Jugendlichen, die keinen Ausbildungsplatz finden, muss nachdenklich machen. Jeder Schulabgänger, der direkt in der Arbeitslosigkeit landet, ist einer zu viel.
Und last but not least müssen sich Politik und Wirtschaft intensiv um die Flüchtlinge kümmern. Denn die Gefahr ist groß, dass immer mehr von ihnen nicht in den hiesigen Arbeitsmarkt integriert werden können. Und dies wäre eine vertane Chance.