Hamburg. Airline streicht Hamburg-Flüge am Gipfelwochenende. Mahnwache von G20-Gegnern am Montag im Stadtpark.

Bundesregierung will Gewaltszenen verhindern

Nach den Ausschreitungen von Sicherheitskräften des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan gegen Demonstranten in Washington will die Bundesregierung ähnliche Gewaltszenen beim G20-Gipfel in Hamburg verhindern. Die türkische Botschaft soll dem Auswärtigen Amt eine Liste mit rund 50 Personen übermittelt haben, die Erdogan nach Hamburg begleiten sollen. Darunter seien mehrere Sicherheitskräfte, gegen die US-Behörden nach den Gewaltszenen von Washington Haftbefehle erlassen haben.

Im Vorfeld des Gipfeltreffens wendeten sich die deutschen Behörden nun offenbar mit Nachdruck an die türkische Seite. Es sei „Vorsorge dafür getroffen worden, dass es in Deutschland nicht zu solchen Vorfällen kommen kann“, heißt es aus Regierungskreisen dazu auf Nachfrage des Abendblatts. Die Leibwächter einzelner ausländischer Delegationen seien „international bekannt für ihr robustes Vorgehen“, sagen manche Polizisten, aber auch Regierungsbeamte in Hamburg und im Bund. Welche Maßnahmen die deutsche Regierung mit Bezug auf die türkische Delegation genau getroffen hat, ließ das Auswärtige Amt auf Nachfrage offen.

Als Erdogan Mitte Mai in den USA zu Besuch war, kam es in Washington zu Übergriffen. Sicherheitsleute des Präsidenten gingen auf Demonstranten los. Die US-Polizisten waren überfordert, konnten die Männer nicht stoppen, selbst als sie einzelne am Boden liegende Protestler traten. Die US-Polizei ermittelt nun gegen zwölf Leibwächter aus Erdogans Delegation: neun Agenten der türkischen Sicherheitsbehörden, drei türkische Polizisten. Erdogan rechtfertigte den Angriff seiner Leute auf die Demonstranten damit, dass die US-Behörden ihn unzureichend geschützt hätten.

In der vergangenen Woche hatten Vertreter der Bundesregierung die Abgeordneten des Bundestags über die Sicherheitslage vor dem G20-Treffen in Hamburg unterrichtet. Ein Teilnehmer berichtete, dass deutsche Sicherheitsbehörden die Personalien der angemeldeten Leibgarde von Erdogan überprüft hätten. Ob konkrete Einreiseverbote durch das Auswärtige Amt ausgesprochen wurden, bleibt offen.

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Flüge von Hamburg nach Hannover verlegt

Während des G20-Gipfels wird die Fluggesellschaft Condor Hamburg meiden: Die Airline hat entschieden, insgesamt sechs Abflüge und Ankünfte in Hamburg zu streichen. Diese Flüge werden nach Hannover verlegt. Das teilt Condor auf seiner Homepage mit. "Aufgrund der zu erwartenden Unregelmäßigkeiten am Flughafen Hamburg (HAM) haben wir direkt betroffene An- und Abflüge in Hamburg (HAM) zum Flughafen Hannover-Langenhagen (HAJ) verlegt", heißt es in der offiziellen Mitteilung. "Wir wollen damit sicherstellen, dass unsere Fluggäste ihren Urlaub entspannt beginnen bzw. ohne größere Behinderungen zuhause ankommen."

Zum G20-Wochenende machen Condor-Flieger einen Bogen um Hamburg (Symbolbild)
Zum G20-Wochenende machen Condor-Flieger einen Bogen um Hamburg (Symbolbild) © picture alliance | Wolfgang Mendorf

Für die betroffenen Passagiere wird ein kostenfreier Transport per Bus zur Verfügung gestellt. Das bedeutet für die Fluggäste allerdings auch, dass sie sich wesentlich eher auf den Weg machen müssen. Wer am 7. Juli um 6.45 Uhr nach Palma de Mallorca fliegen will, muss bereits um 2.15 Uhr in Hamburg in den Bus steigen. Und wer am 8. Juli um 15.15 Uhr nach Antalya reist, muss um 10.15 Uhr am Terminal Tango Ankunftsebene in Hamburg stehen. NDR 90,3 hatte zuerst über die Condor-Mitteilung berichtet.

Alle weiteren An- und Abflüge werden laut Condor wie geplant durchgeführt. Dennoch empfiehlt die Airline – ebenso wie der Flughafen selbst und andere Fluggesellschaften – den Passagieren, für die An- und Abreise zum Airport Hamburg mehr Zeit als üblich einzuplanen und die S-Bahnverbindung von der Innenstadt zum Flughafen zu nutzen. Auch die Passkontrollen könnten aufgrund des Gipfeltreffens und der damit verbundenen verstärkten Kontrollen länger dauern.

Streit um das G20-Protestcamp geht weiter

G20-Gegner im Mai zwischen Zelten mit Anti-G20-Schriftzügen
G20-Gegner im Mai zwischen Zelten mit Anti-G20-Schriftzügen © dpa | Axel Heimken

Der Streit um das G20-Protestcamp im Hamburger Stadtpark geht in die nächste Runde: Am morgigen Montag wird die Vorbereitungsgruppe des Antikapitalistischen Camps ab 9 Uhr eine Mahnwache im Stadtpark veranstalten. "Sofern uns die Versammlungsbehörde keinen Strich durch die Rechnung macht, werden wir auf der Kiesfläche zwischen Festwiese und Otto-Wels-Straße zu finden sein", teilten die Veranstalter mit. Hintergrund der Mahnwache der G20-Gegner ist die aktuelle Entscheidung des Oberwaltungsgerichts (OVG), nach dem ein Protestcamp im Stadtpark verboten bleibt. Das Camp sei keine Kundgebung nach dem Versammlungsrecht, entschieden die Richter. In der Begründunh hieß es, das es hier vorwiegend um eine Übernachtungsmöglichkeit gehe.

Die Vorbereitungsgruppe des Antikapitalistischen Camps habe in der Nacht zum Sonntag per Fax Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingelegt, teilte eine Sprecherin am Sonntag mit. . "Wir hoffen auf ein baldiges Urteil", hieß es bereits in einer am Sonnabend verbreiteten Mitteilung. Für die politischen Kundgebungen im Stadtpark sei es nicht notwendig, dort auch zu übernachten. Mit der Mahnwache wollen die G20-Gegner ihrer Forderung Nachdruck verleihen.

"Coffee to Fly" für Planespotter zugänglich

Zum G20-Gipfel in Hamburg erwarten Planespotter mehrere tausend Gleichgesinnte aus ganz Europa, die am Hamburger Flughafen seltene Regierungs- und Spezialflugzeuge fotografieren wollen. Nach Schätzungen aus dem Hamburger Planespotter-Verein Coincat werden mindestens 1000, vielleicht auch 3000 Flugzeugfans anreisen. Sie lockt unter anderem die Air Force One des US-Präsidenten, aber auch Regierungsmaschinen aus Japan, Korea, Argentinien und Saudi-Arabien, die selten in Europa zu sehen sind. Zum Gipfel werden mehr als 100 Regierungsmaschinen erwartet.

US-Präsident Donald Trump steigt mit seiner Frau Melanie aus der Air Force One
US-Präsident Donald Trump steigt mit seiner Frau Melanie aus der Air Force One © picture alliance | Eric Lalmand

Der G20-Gipfel in Hamburg ist für die Planespotter so etwas wie Ostern und Weihnachten am gleichen Tag. „Die Amerikaner kommen wohl mit beiden Präsidenten-Maschinen“, sagt Reiner Geerdts, einer der aktivsten Hamburger Planespotter. „Insgesamt fliegt die US-Delegation mit fünf bis sieben großen Boeings.“ Nach den Informationen der Planespotter kommen die Saudis mit zehn Großflugzeugen. Offiziell bestätigt ist das alles nicht, sondern es handelt sich um Gerüchte in dieser Insider-Szene.

Einer der Treffpunkte der Hamburger Planespotter-Szene, das Café „Coffee to Fly“ am Rande der Rollbahn mit Panoramablick auf das Flugfeld, wird nach Angaben der Hamburger Polizei zugänglich sein, allerdings nur für Fußgänger. Ansonsten sind im Bereich des Flughafens großräumige Absperrungen zu erwarten. Auch das Café Himmelsschreiber wird geschlossen sein. "Nach jetzigem Stand wird das Café Himmelsschreiber vom 7. bis 9. Juli 2017 für die Allgemeinheit nicht zugänglich sein", teilt der Airport auf seiner Homepage mit. Dort wird ebenfalls darauf hingewiesen, dass es kurzfristig zur Sperrung der Aussichtsplattform kommen kann.

Hamburger Kirchenkonzert für G20-Genervte

Zum Finale des G20-Gipfels am 8. Juli veranstaltet die evangelische St. Johannis-Gemeinde in Harvestehude um 19 Uhr ein Sommerkonzert. Eingeladen sind alle Hamburger, "die genug haben vom Hype um den Gipfel", kündigte die Gemeinde am Sonnabend an. Versprochen wird ein Konzert, das "ohne Polizeischutz auskommt und wenig kostet". Die Kirche liegt in der Demo-Verbotszone zum G20-Gipfel. Das Verbot endet zwei Stunden vor Konzertbeginn.

Unter dem Titel "500 und 5 und 50" will das Sommerkonzert an drei Komponisten erinnern: Heinrich Isaac, der vor 500 Jahren verstarb, Hans Werner Henze, dessen Tod nun fünf Jahre zurückliegt, und Zoltan Kodály , dessen Todestag sich in diesem Jahr zum 50. Mal jährt. Über sich selbst schreibt die Gemeinde in der Einladung: "Wir befinden uns am 8. Juli im Jahre 2017 n.Chr. Ganz Hamburg ist vom G20-Gipfel besetzt… Ganz Hamburg? Nein! Ein von unbeugsamen Kulturschaffenden bevölkerte Gemeinde hört nicht auf, dem hohlen Dröhnen Widerstand zu leisten."

Rinder- und Möhrengulasch für Polizeibeamte

„Ein leerer Bauch patrouilliert nicht gern“ – so könnte das Motto der Caterer für den G20-Einsatz der Polizei lauten. Für die mindestens 15.000 Beamten unter ihrem Kommando hat die Hamburger Polizei 185.000 Verpflegungsbeutel, 100.000 warme Mahlzeiten und 600.000 Liter Kalt- und Warmgetränke geordert, wie ein Sprecher mitteilte. Diese Mengen werden allerdings nicht allein an den beiden Gipfeltagen verspeist, sondern in der Zeit des gesamten Einsatzes, der bereits am Donnerstag offiziell begann.

Am ersten Gipfeltag, dem 7. Juli, geben die Einsatzköche der Polizei Herzhaftes aus: Rindersaftgulasch mit Nudeln. Vegetarier in Uniform bekommen Möhrengulasch. Allerdings können längst nicht alle Beamte warm essen. Auf der Straße müssen sie sich mit einem Verpflegungsbeutel begnügen. Die Beutel enthalten Dosenbrot, Käse- und Wurstaufschnitt, Obst, Müsliriegel und andere Süßigkeiten.

Polizei hat 160.000 Übernachtungen gebucht

Polizisten werden auch mit Jagdwurst aus Dosen versorgt
Polizisten werden auch mit Jagdwurst aus Dosen versorgt © dpa/Daniel Reinhardt

Für den gesamten Einsatzzeitraum hat die Polizei 160.000 Übernachtungen in 143 Hotels und anderen Unterkünften gebucht. Auch die Bundespolizei, die im Raum Hamburg mit mehr als 3300 Beamten im Einsatz ist, hat Hotels reserviert, zumeist Doppelzimmer mit Frühstück, wie der Leitende Polizeidirektor Thomas Przybyla sagte.

An vier Ausgabepunkten können sich die Bundespolizisten Lunchpakete abholen. Auch die Getränkeversorgung wird nicht vernachlässigt, immerhin schleppten die Kollegen jeweils mehr als zehn Kilo Ausrüstung herum, in Schichten von zehn bis zwölf Stunden und bei möglicherweise hochsommerlichen Temperaturen, hieß es.

Elf Demonstrationen am Sonnabend – Bilanz

Insgesamt elf Demonstrationen gegen den näher rückenden G20-Gipfel hat es im Verlauf des Sonnabends in der Stadt gegeben, mehrere Tausend Polizisten waren im Einsatz – auch, weil mit den Harley Days ein weiteres Großereignis in Hamburg gesichert werden musste. Die genauen Einsatzzahlen gibt die Polizei nicht bekannt, wobei die größte Aufmerksamkeit wohl zunächst der Demonstration in der City gebührte. Bis zu 720 Beteiligte zogen vom Hachmannplatz zum Grünen Jäger an der Feldstraße. Beobachtern zufolge soll es sich jedoch um wesentlich mehr Demonstranten gehandelt haben.

Demo am Sonnabend durch die Hamburger Innenstadt
Demo am Sonnabend durch die Hamburger Innenstadt © Michael Arning | Michael Arning

Weniger Demonstranten, dafür aber ein im Verhältnis höheres Polizeiaufgebot forderte offenbar der Protestzug "GeSa to Hell", der sich gegen die für gewalttätige Demonstranten eingerichtete Gefangenensammelstelle in Harburg richtete. Zunächst nur 250 Menschen erwartet, meldete die Polizei schließlich 430 Teilnehmer an der Demonstration, von der Beobachter potenziell Ausschreitungen erwartet hatten. Die Stimmung sei zwischenzeitlich "verbal aggressiv" gewesen, hieß es von Seiten der Polizei. Wohl auch aufgrund der hohen Polizeipräsenz ist es nach Angaben der Behörde ruhig geblieben. In Harburg seien mehrere Hundertschaften im Einsatz gewesen.

Während des Protestmarsches hat es mehrere Zwischenkundgebungen gegeben. Ein Sprecher der „Libertären Harburgs“ etwa kritisierte die Ernennung von Harmut Dudde zum G20-Einsatzleiter. Dem Polizeidirektor wird ein hartes Vorgehen gegen Demonstranten vorgeworfen. Darüber hinaus rief der Sprecher der „Libertären Harburgs“ die Demonstranten zur Solidarität auf: „Gemeinsam für eine bessere Welt. Wir lassen uns nicht spalten“, rief er der Menge zu. „Wir wollen eine Welt, in der Ressourcen schonend genutzt und gerecht verteilt werden“, sagte er unter Applaus der Teilnehmer. Um 22 Uhr wurde die Demonstration für beendet erklärt.

Indes wurde eine geplante Demonstration im Altonaer Volkspark unter dem Motto „Yes we Camp“, die die Einrichtung von Camps für Aktivisten während des Gipfels fordert, kurzfristig auf Montag verschoben.

Mehr als tausend Gipfelgegner demonstrieren in Hamburg

Am Sonnabend waren gleich mehrere Demonstrationen gegen den G20-Gipfel in Hamburg geplant. Am Ende demonstrierten mehr als tausend Menschen in ganz Hamburg
Am Sonnabend waren gleich mehrere Demonstrationen gegen den G20-Gipfel in Hamburg geplant. Am Ende demonstrierten mehr als tausend Menschen in ganz Hamburg © HA | Michael Arning
Flüchtlingsgruppen und Unterstützer hatten sich zunächst am Hachmannplatz versammelt
Flüchtlingsgruppen und Unterstützer hatten sich zunächst am Hachmannplatz versammelt © HA | Michael Arning
Die Demonstranten forderten unter anderem
Die Demonstranten forderten unter anderem "offene Grenzen" und "Rechte für alle" © Michael Arning | Michael Arning
Transparente der Demonstranten
Transparente der Demonstranten © HA | Michael Arning
Insgesamt zogen bei dieser Demo rund 720 Menschen durch die City zum Rathausmarkt
Insgesamt zogen bei dieser Demo rund 720 Menschen durch die City zum Rathausmarkt © HA | Michael Arning
Die Polizei sicherte die Demonstration am Jungfernstieg auch mithilfe ihrer Reiterstaffel, die dem starken Regen trotzen musste
Die Polizei sicherte die Demonstration am Jungfernstieg auch mithilfe ihrer Reiterstaffel, die dem starken Regen trotzen musste © HA | Michael Arning
Am Abend versammelten sich dann noch Demonstranten am Harburger Rathaus, um gegen die Gefangenensammelstelle an der Schlachthofstraße zu protestieren
Am Abend versammelten sich dann noch Demonstranten am Harburger Rathaus, um gegen die Gefangenensammelstelle an der Schlachthofstraße zu protestieren © HA | André Zand-Vakili
Nach Angaben der Polizei waren insgesamt 430 Menschen beteiligt
Nach Angaben der Polizei waren insgesamt 430 Menschen beteiligt
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