Hamburg. Elf Protestzüge hat die Polizei Sonnabend begleitet. 720 Menschen zogen durch die City, 430 protestierten gegen das G20-Gefängnis.

22.15 Uhr: Elf Demonstrationen am Sonnabend – Bilanz

Insgesamt elf Demonstrationen gegen den näher rückenden G20-Gipfel hat es im Verlauf des Sonnabends in der Stadt gegeben, mehrere Tausend Polizisten waren im Einsatz – auch, weil mit den Harley Days ein weiteres Großereignis in Hamburg gesichert werden musste. Die genauen Einsatzzahlen gibt die Polizei nicht bekannt, wobei die größte Aufmerksamkeit wohl zunächst der Demonstration in der City gebührte. Bis zu 720 Beteiligte zogen vom Hachmannplatz zum Grünen Jäger an der Feldstraße. Beobachtern zufolge soll es sich jedoch um wesentlich mehr Demonstranten gehandelt haben.

Weniger Demonstranten, dafür aber ein im Verhältnis höheres Polizeiaufgebot forderte offenbar der Protestzug "GeSa to Hell", der sich gegen die für gewalttätige Demonstranten eingerichtete Gefangenensammelstelle in Harburg richtete. Zunächst nur 250 Menschen, meldete die Polizei schließlich 430 Teilnehmer an der Demonstration, von der Beobachter potenziell Ausschreitungen erwartet hatten. Die Stimmung sei zwischenzeitlich "verbal aggressiv" gewesen, hieß es von Seiten der Polizei. Wohl auch aufgrund der hohen Polizeipräsenz ist es nach Angaben der Behörde ruhig geblieben. In Harburg seien mehrere Hundertschaften im Einsatz gewesen.

Während des Protestmarsches hat es mehrere Zwischenkundgebungen gegeben. Ein Sprecher der „Libertären Harburgs“ etwa kritisierte die Ernennung von Harmut Dudde zum G20-Einsatzleiter. Dem Polizeidirektor wird ein hartes Vorgehen gegen Demonstranten vorgeworfen. Darüber hinaus rief der Sprecher der „Libertären Harburgs“ die Demonstranten zur Solidarität auf: „Gemeinsam für eine bessere Welt. Wir lassen uns nicht spalten“, rief er der Menge zu. „Wir wollen eine Welt, in der Ressourcen schonend genutzt und gerecht verteilt werden“, sagte er unter Applaus der Teilnehmer. Um 22 Uhr wurde die Demonstration für beendet erklärt.

Indes wurde eine geplante Demonstration im Altonaer Volkspark unter dem Motto „Yes we Camp“, die die Einrichtung von Camps für Aktivisten während des Gipfels fordert, kurzfristig auf Montag verschoben.

Mehr als tausend Gipfelgegner demonstrieren in Hamburg

Am Sonnabend waren gleich mehrere Demonstrationen gegen den G20-Gipfel in Hamburg geplant. Am Ende demonstrierten mehr als tausend Menschen in ganz Hamburg
Am Sonnabend waren gleich mehrere Demonstrationen gegen den G20-Gipfel in Hamburg geplant. Am Ende demonstrierten mehr als tausend Menschen in ganz Hamburg © HA | Michael Arning
Flüchtlingsgruppen und Unterstützer hatten sich zunächst am Hachmannplatz versammelt
Flüchtlingsgruppen und Unterstützer hatten sich zunächst am Hachmannplatz versammelt © HA | Michael Arning
Die Demonstranten forderten unter anderem
Die Demonstranten forderten unter anderem "offene Grenzen" und "Rechte für alle" © Michael Arning | Michael Arning
Transparente der Demonstranten
Transparente der Demonstranten © HA | Michael Arning
Insgesamt zogen bei dieser Demo rund 720 Menschen durch die City zum Rathausmarkt
Insgesamt zogen bei dieser Demo rund 720 Menschen durch die City zum Rathausmarkt © HA | Michael Arning
Die Polizei sicherte die Demonstration am Jungfernstieg auch mithilfe ihrer Reiterstaffel, die dem starken Regen trotzen musste
Die Polizei sicherte die Demonstration am Jungfernstieg auch mithilfe ihrer Reiterstaffel, die dem starken Regen trotzen musste © HA | Michael Arning
Am Abend versammelten sich dann noch Demonstranten am Harburger Rathaus, um gegen die Gefangenensammelstelle an der Schlachthofstraße zu protestieren
Am Abend versammelten sich dann noch Demonstranten am Harburger Rathaus, um gegen die Gefangenensammelstelle an der Schlachthofstraße zu protestieren © HA | André Zand-Vakili
Nach Angaben der Polizei waren insgesamt 430 Menschen beteiligt
Nach Angaben der Polizei waren insgesamt 430 Menschen beteiligt
1/8

19.30 Uhr: Demo gegen G20-Gefängnis

Mit rund einer Stunde Verspätung begann eine weitere groß angelegte Demonstration gegen den G20-Gipfel. Rund 430 Menschen zogen vom Rathaus durch Harburg und wurden dabei von großem Polizeiaufgebot begleitet, zunächst war die Rede von 250 beteiligten Demonstranten. Der Protest richtet sich gegen die eigens für den G20-Gipfel eingerichtete Gefangenensammelstelle an der Schlachthofstraße unweit des Bahnhofs Harburg. Gegen 22 Uhr erklärte die Polizei die Demonstration nach der Abschlusskundgebung am Schellerdamm für beendet. Alles sei friedlich verlaufen, hieß es.

Das Gebäude der Gefangenensammelstelle, ein ehemaliger Lebensmittelmarkt, diente zuletzt als Zentrale Erstaufnahme-Einrichtung (ZEA) für Flüchtlinge und soll während des Gipfels bis zu 400 Gefangene beherbergen. Ob es bei den zunächst veranschlagten Umbaukosten von drei Millionen Euro bleibe, sei noch unklar, sagte ein Polizeisprecher.

19 Uhr: Demo im Volkspark verschoben

Zunächst war für den Sonnabend eine weitere Demonstration angekündigt, die nun spontan auf Montag verschoben wurde. Gipfelgegner wollten im Altonaer Volkspark unter dem Motto „Yes we Camp“ die Einrichtung von Camps für Demonstranten während des Gipfels fordern. Am Freitag hatte das Hamburgische Oberverwaltungsgericht entschieden, ein Protestcamp im Hamburger Stadtpark sei keine grundrechtlich geschützte Versammlung.

16 Uhr: Demo in der Hamburger Innenstadt

Mit rund 720 Teilnehmern ist am Sonnabend von 15 bis 17.30 Uhr eine Demonstration von G20-Gegnern durch die Innenstadt gezogen. Flüchtlingsgruppen und Unterstützer hatten sich am Hachmannplatz versammelt und forderten unter anderem "offene Grenzen" und "Rechte für alle". Die Demo "Wir sind hier" protestiert auch gegen Rassismus und zog über den Gänsemarkt bis zum Neuen Pferdemarkt. Die Proteste verliefen nach Angaben der Polizei friedlich.

Zu dem Demonstrationszug durch die Innenstadt hatten mehrere Initiativen aufgerufen, darunter der Flüchtlingsrat Hamburg, Lampedusa in Hamburg und das Bündnis „Right to the City – Never mind the Papers (NMTP)“. Die Demonstranten, darunter Flüchtlinge aus dem Sudan, Afghanistan, Syrien und Eritrea, skandierten immer wieder „Stoppt die Abschiebungen“ und forderten ein uneingeschränktes Bleiberecht. „Kein Mensch ist illegal“ stand auf etlichen Fahnen.

G20-Gegner klagen vor Bundesverfassungsgericht

Nach der Entscheidung des Oberwaltungsgerichts (OVG) will die Vorbereitungsgruppe des Antikapitalistischen Camps an diesem Wochenende Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe einlegen. "Wir hoffen auf ein baldiges Urteil", heißt es in einer am Sonnabend verbreiteten Mitteilung. Das geplante Camp von G20-Gegnern im Hamburger Stadtpark bleibt nach dem Urteil des OVG verboten. Das Camp sei keine Kundgebung nach dem Versammlungsrecht, entschieden die Richter. Es gehe hier vorwiegend um eine Übernachtungsmöglichkeit, hieß es in der Begründung (Az. 4 Bs 125/17). Für die politischen Kundgebungen im Stadtpark sei es nicht notwendig, dort auch zu übernachten. Zuvor hatte das Verwaltungsgericht in zwei Entscheidungen das G20-Protestcamp genehmigt.

5477701973001_videostill_1513115268737.jpg
Vor G20-Gipfel: Hamburg stellt Sammelstelle für Gefangene vor

weitere Videos

    Hamburger Kirchenkonzert für G20-Genervte

    Zum Finale des Hamburger G20-Gipfels am 8. Juli veranstaltet die evangelische St. Johannis-Gemeinde in Harvestehude um 19 Uhr ein Sommerkonzert. Eingeladen sind alle Hamburger, "die genug haben vom Hype um den Gipfel", kündigte die Gemeinde am Sonnabend an. Versprochen wird ein Konzert, das "ohne Polizeischutz auskommt und wenig kostet". Die Kirche liegt in der Demo-Verbotszone zum G20-Gipfel. Das Verbot endet zwei Stunden vor Konzertbeginn.

    Unter dem Titel "500 und 5 und 50" will das Sommerkonzert an drei Komponisten erinnern: Heinrich Isaac, der vor 500 Jahren verstarb, Hans Werner Henze ("Cherubino"), dessen Tod nun fünf Jahre zurückliegt, und Zoltan Kodály ("Laudes organi", "Missa brevis"), dessen Todestag sich in diesem Jahr zum 50. Mal jährt.

    Über sich selbst schreibt die Gemeinde in der Einladung: "Wir befinden uns am 8. Juli im Jahre 2017 n.Chr. Ganz Hamburg ist vom G20-Gipfel besetzt… Ganz Hamburg? Nein! Ein von unbeugsamen Kulturschaffenden bevölkerte Gemeinde hört nicht auf, dem hohlen Dröhnen Widerstand zu leisten."

    Kirchenkreis Ost holt Akteure an einen Tisch

    Die evangelische Kirche bringt derweil verschiedene Akteure an einen Tisch. Am Montag (26. Juni) diskutieren Vertreter verschiedener Bündnisse über ihre Veranstaltungen zum G20-Treffen. Der Kirchenkreis Hamburg-Ost lädt dazu in die St. Pauli-Kirche (Pinnasberg 80, 19 Uhr) ein. Mit dabei sind unter anderem Jan van Aken (Linke) und Christoph Bautz (für die G20-Protestwelle am 2. Juli). Pröpstin Isa Lübbers vom Kirchenkreis Ost sagte dem Abendblatt: "Mit dieser Podiumsdiskussion mischen wir uns nicht in die Parteipolitik ein. Wir treten für Menschen ein, denn für sie soll ja Politik gemacht werden." Die Veranstaltung werde Vertreter verschiedener Bündnisse an einen Tisch bringen und zur "Sachlichkeit" in der Debatte beitragen.

    Zwangsurlaub zum G20-Gipfel bei der Handwerkskammer

    Bei der Handwerkskammer sind während des G20-Gipfels in Hamburg die Türen zu. Wegen der zu erwartenden Behinderungen bleibe das Haus am Holstenwall am 7. und 8. Juli geschlossen, teilt die Kammer auf ihrer Internetseite mit. Die Beschäftigten müssen für den ersten Gipfeltag, den Freitag, einen Tag Urlaub nehmen. Das bestätigte eine Sprecherin auf Anfrage des Abendblatts. Sie hätten auch die Möglichkeit, Überstunden abzubummeln. Die Maßnahme sei zwischen Geschäftsführung und Personalrat abgesprochen. Hintergrund seien Überlegungen gewesen, wie die Mitarbeiter sicher und pünktlich zu ihrem Arbeitsplatz in der Neustadt gelangen können und auch wieder von dort weg, so die Sprecherin. Bei der Handwerkskammer sind knapp 200 Menschen tätig.

    Andere Firmen, wie etwa Gruner + Jahr oder Lufthansa Technik, geben einen Tag bezahlten Sonderurlaub. Beiersdorf hat für Freitag einen Home­office-Tag ausgerufen. Mitarbeiter der Hamburg Messe, die nicht für das Großereignis gebraucht werden, sind gehalten, Überstunden abzubauen oder einen Urlaubstag zu nehmen.

    Hamburger Grüne wählen neuen Vorstand - G20 im Fokus

    Die Hamburger Grünen kommen am Sonnabend zu ihrer Landesmitgliederversammlung zusammen. Im Mittelpunkt der Veranstaltung stehen eine Rede der Bundestags-Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt sowie die Diskussion und ein Beschluss zum G20-Gipfel in Hamburg. Dabei soll es nicht mehr um die Debatte gehen, ob Hamburg und die Messehallen geeignete Orte für den Gipfel sind, sondern um politische Forderungen zu den Themen Klimaschutz, Migration, nachhaltige Entwicklung für Afrika, Frauenpolitik und Militärausgaben. Auf der Tagesordnung steht zudem die Neuwahl des Landesvorstands. Die Landesvorsitzende Anna Gallina tritt ohne Gegenkandidatin zur Wiederwahl an.

    Der G20-Newsblog von Freitag