Hamburg. Der Umschlag stagniert, doch die Hafenbetriebe bauen kaum Stellen ab. In der Schifffahrt sieht das anders aus.

Die Nachricht kam nicht ganz unerwartet, traf Hamburgs maritime Branche aber dennoch mit voller Wucht. Am 1. Dezember gab der Oetker-Konzern bekannt, er werde die Reederei Hamburg Süd an den weltgrößten Konkurrenten Maersk verkaufen. Die Übernahme soll Ende kommenden Jahres wirksam werden. Die 6000 Mitarbeiter der mehr als 100 Jahre alten Hamburger Reederei bangen um ihre Jobs, denn Maersk will mit der Übernahme Synergien nutzen, um die Containerschifffahrt billiger zu machen.

So herausragend diese Ankündigung war, so symptomatisch ist sie für den Verlauf des Jahres in der gesamten Branche in Hamburg. Das Reedergeschäft ist von einem weltweiten Konsolidierungskurs geprägt, der zu spektakulären Zusammenschlüssen oder zum Verschwinden vieler Marktteilnehmer führt.

Leitartikel: Neue Jobs für Hamburg

Auch in der Hansestadt: „Das war ein gruseliges Jahr für die Schifffahrt in Hamburg“, sagt etwa Ulrich Malchow, Professor für Maritime Ökonomie an der Hochschule Bremen. „Es geht nur noch ums Überleben. Wer die geringsten Fettpolster hat, verhungert. Wer noch etwas Speck hat, kann froh sein, gefressen zu werden“, sagt Malchow mit Blick auf Hamburg Süd. Er erwartet einen Arbeitsplatzabbau bei dem Unternehmen.

Auch bei Hapag-Lloyd, der zweiten großen Hamburger Linienreederei, war 2016 von Unruhe geprägt. Kaum hatte die Traditionsreederei mit Sitz am Ballindamm die Fusion mit der chilenischen Compañía Sudamericana de Vapores (CSAV) verdaut, kündigte sie im April einen weiteren Zusammenschluss an. Diesmal mit der arabischen United Arab Shipping Company.

Leichte Verzögerungen

Geplant war ursprünglich, diese Fusion bis zum Jahresende abzuschließen. Doch es kam zu leichten Verzögerungen. „Wir gehen davon aus, dass der Zusammenschluss in den ersten Januar-Wochen geschieht“, sagte ein Sprecher von Hapag-Lloyd. Durch die Fusion wächst auch die Zahl der Mitarbeiter: In der großen Abendblatt-Arbeitsplatzumfrage kündigt die Reederei an, ihr Personal, das derzeit 9400 Mitarbeiter weltweit umfasst, im kommenden Jahr aufzustocken. Im abgelaufenen Jahr hat sich die Zahl der Hamburger Beschäftigten um elf erhöht.

Profitiert Hapag-Lloyd als Linienreederei personell von der Fusion, sieht es bei den unzähligen Charterreedereien in Hamburg sehr viel schlechter aus. Aufgrund der extrem niedrigen Charterraten fahren fast alle Betriebe derzeit Verluste ein. In diesem Zusammenhang ist es erstaunlich, dass die Erck Rickmers Gruppe (Platz 184 der größten Hamburger Arbeitgeber) ihre Mitarbeiterzahl in der Hansestadt stabil halten konnte – weltweit fielen allerdings 400 von 3400 Stellen weg.

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Andere Arbeitgeber kamen nicht so gut durchs Jahr. Der Hamburger Reeder Hermann Ebel etwa musste für einen Teil seiner Flotte im September Insolvenz anmelden. 36 von insgesamt 130 Mitarbeitern verloren ihren Job.

Ebenfalls im September wurde bekannt, dass die Hamburger Werft Blohm + Voss, die zuletzt einem britischen Finanzinvestor gehört hatte, an die Bremer Werftengruppe Lürssen verkauft wird. Mit dem Verkauf von Blohm + Voss und Hamburg Süd sind zwei maritime Ur-Hamburgensien verloren gegangen – „wenngleich es für Blohm + Voss sicherlich die beste Lösung nach jahrelangem Dahingedümpel ist“, sagt Schifffahrtsexperte Malchow. Dennoch sorgen sich viele der zuletzt knapp 1000 Werft-Mitarbeiter um ihren Job. Blohm + Voss wollte in diesem Jahr an der Abendblatt-Arbeitsplatzumfrage nicht teilnehmen.

Elbvertiefung würde Hafen kaum neue Jobs bringen

Geht es der internationalen Handelsschifffahrt schlecht, macht sich das auch im Hamburger Hafen bemerkbar. 138 Millionen Tonnen Seegüter werden dort in diesem Jahr umgeschlagen. Davon knapp 8,8 Millionen Standardcontainer (TEU). Im Vergleich zum sehr schlechten Vorjahr bedeutet das eine Stagnation.

Hamburg habe „Marktanteile an Wettbewerbshäfen an der Nordsee verloren“, sagt Martin Makait, Chef des Beratungsunternehmens und Logistikspezialisten MWP GmbH. Zudem hätten das geringere Wirtschaftswachstum in China und das Russland-Embargo insbesondere bei der HHLA zu Aufkommensverlusten geführt. „Der zunehmende Einsatz sehr großer Containerschiffe hat zu einer Verlagerung von Schiffsrouten geführt, bei denen Hamburg zum Teil nicht mehr angelaufen wird“, so Makait.

„Noch mehr Insolvenzen“

Dennoch bauen die Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) und Eurogate – die beiden größten Umschlagbetriebe im Hafen – kaum Arbeitsplätze ab. „Die Anzahl der Arbeitsplätze in den deutschen Häfen hat sich gegenüber dem Vorjahr kaum verändert“, sagt der HHLA-Vorstandsvorsitzende Klaus-Dieter Peters, der seinen Posten zum Jahresende aufgibt.

Und was bringt 2017 für den maritimen Standort Hamburg? „Wir werden noch mehr Insolvenzen und Konsolidierungen von Schifffahrtsbetrieben erleben“, sagt Hochschullehrer Malchow. Die Entwicklung des Umschlags hänge ganz wesentlich von der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zur Elbvertiefung ab, sagt Makait.

Bei einem positiven Urteil werde Hamburg seine Marktposition ausbauen können, weil dann wieder Planungssicherheit gegeben sei und die infrastrukturellen Voraussetzungen für das Anlaufen sehr großer Containerschiffe verbessert werden könnten. Eine wachsende Zahl von Jobs im Hafen erwartet der Autor der Seehafenprognose für die Bundesregierung aber nicht. „Die Perspektiven für die Entwicklung der Arbeitsplatzsituation gehen einher mit den Perspektiven der Umschlagsentwicklung in Hamburg. Eine wesentliche Zunahme der Arbeitsplätze ist allerdings auch bei einer positiven Entscheidung zur Elbvertiefung nicht zu erwarten“, sagt Makait.