Hamburg. Asklepios Kliniken und UKE unter den Top drei der Arbeitgeber in der Stadt. Aber es gibt Personalsorgen.
Es wäre eine Frage, die zur alles entscheidenden Aufgabe für den Gewinn von einer Million Euro bei Günther Jauch taugen würde: Welche Branche in Hamburg dominiert unter den Top fünf der Hamburger Arbeitgeber? Die Antwort Gesundheit würde wohl kaum jemandem einfallen. Doch in der Abendblatt-Aufstellung führt der Asklepios-Konzern mit 12.750 Beschäftigten das Arbeitgeber-Ranking an, das UKE belegt mit 10.053 Angestellten Rang drei.
Auch das Albertinen-Diakoniewerk landet mit 3600 Angestellten als 17. noch unter den Top 20. Die Evangelische Stiftung Alsterdorf rangiert mit 3951 Mitarbeitern sogar noch vor Albertinen, allerdings entfallen hier viele Arbeitsplätze auf die Bereiche Bildung und soziale Dienstleistungen. Alle vier Einrichtungen haben ihre Mitarbeiterzahl 2016 aufgestockt.
Leitartikel: Neue Jobs für Hamburg
„Die Gesundheitswirtschaft ist ein Jobmotor der Hansestadt“ analysierte das Darmstädter Wifor-Institut im Januar 2015 in einer Studie für die Gesundheitswirtschaft Hamburg GmbH (GWHH). Wie sehr dieser Sektor boomt, zeigt die Beschäftigtenzahl: Jeder siebte Erwerbstätige in Hamburg arbeitet in der Gesundheitsbranche.
„Die Gesundheitswirtschaft entwickelt sich aufgrund des demografischen Wandels, eines wachsenden Gesundheitsbewusstseins und des medizinisch-technischen Fortschritts dynamisch“, sagt die GWHH, die von Senat und Handelskammer getragen wird. Der Boom ist auch einem Sogeffekt zu verdanken. Denn immer mehr Bewohner aus dem Umland lassen sich in der Hansestadt behandeln, fast jeder dritte Krankenhauspatient kommt inzwischen von außerhalb der Stadtgrenzen.
Zu viele Apotheken in Deutschland
Konrad Obermann beschäftigt sich als Gesundheitsökonom seit Jahren mit der Branche. Er sagt, dass von einem echten Markt dort keine Rede sein: „In Wahrheit handelt es sich um eine gesundheitspolitisch gewollte gigantische Umverteilungsmaschinerie“. Der Wissenschaftler vergleicht das mit einer Süßigkeit: „Der Kunde, der sich einen Schokoriegel kauft, zahlt ihn selbst und isst ihn dann auf. Im Gesundheitswesen bezahlt in der Regel die Gemeinschaft für die ärztlich verordnete Leistung, die ein Einzelner in Anspruch nimmt. Dies führt zu einer gewissen Ineffizienz.“
Als Beispiel nennt Obermann, dass es viel zu viele Apotheken in Deutschland gebe. Auch Produktivitätssteigerungen seien nicht in dem Maß möglich wie etwa im Maschinenbau: „Ein Arzt muss sich Zeit nehmen für Gespräche und Untersuchungen. Automatisieren ist kaum möglich.“ Dies gelte erst recht für den Pflegebereich.
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Das ist einerseits gut für die Beschäftigten, da sie sich kaum Sorgen um ihren Job machen müssen. Andererseits kann Personalknappheit eine solche Branche auch bremsen. „Wir sind nicht nur größter Arbeitgeber, sondern mit rund 1400 Ausbildungsplätzen pro Jahr auch größter Ausbilder der Stadt.
Wie alle anderen Klinikbetreiber merken wir leider, dass immer weniger junge Menschen den Pflegeberuf ergreifen wollen“, klagt Asklepios-Vorstand Thomas Wolfram. Was vor allem am Gehalt liegen dürfte. „Die Bezahlung ist gemessen an der Leistung und der Bedeutung für unsere Gesellschaft viel zu gering“, sagt Asklepios-Chefarzt Volker Ragosch.
Dramatische Ausmaße des Personalmangels
Im Pflegebereich hat der Personalmangel längst dramatische Ausmaße erreicht. In Hamburg gaben bereits mehrere kleine ambulante Pflegedienste auf, weil sie kein geeignetes Personal fanden. Der Senat rechnet damit, dass im Jahr 2030 knapp 4000 Pflegefachkräfte in Hamburg fehlen werden, trotz aller Anstrengungen im Ausbildungsbereich.
Die Pflege taugt als veritables Beispiel, wie abhängig dieser Markt von staatlichen Eingriffen ist. Die ab Januar greifende Pflegereform wird den Vorrang der ambulanten Pflege vor der stationären Pflege stärken. Und schon jetzt sind im Schnitt zehn Prozent der Betten in den Hamburger Pflegeheimen nicht belegt – in gut geführten Einrichtungen heißt es, dass selbst eine Auslastung von 95 Prozent kaum reiche, um ein Heim wirtschaftlich zu führen. Entsprechend intensiv werben viele Heime um potenzielle neue Bewohner.
Zahlungskräftige ausländische Klientel
Große Wachstumschancen im Gesundheitsmarkt sieht Obermann durch zahlungskräftige ausländische Klientel: „Es wird zum Normalfall werden, dass wohlhabende Patienten schwierige Operationen dort machen lassen, wo die Expertise am größten ist.“
Asklepios-Gründer Bernard große Broermann hat sich auf den Trend bereits mit dem Kauf des Luxushotels Atlantic eingestellt, ideal, um etwa die Familie eines kranken Scheichs unterzubringen. Insgesamt werde die Medizin weiblicher werden: „Das Thema familienorientierte Arbeitszeiten wird in Kliniken immer wichtiger werden.“ Dazu gehöre indes der Abschied von extrem hohen Einkommensmöglichkeiten: „Die Zeiten, in denen fast jeder Chefarzt siebenstellig im Jahr verdienen konnte, sind vorbei.“
Der Boom in der Gesundheitsbranche gilt auch für den Industriesektor. Philips, in der bildgebenden Diagnostik mit Computertomografie und Magnetresonanztomografie einer der führenden Hersteller weltweit, beschäftigt jetzt 3200 (Vorjahr 2800) Mitarbeiter.