Die Arbeitsmarkt-Bilanz 2016 fällt erfreulich aus. Doch es gibt auch Defizite
Der erste Blick auf den Hamburger Arbeitsmarkt macht Mut. Seit Jahresbeginn ist nicht nur die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Jobs in der Stadt um rund 11.000 gestiegen, auch die Arbeitslosenquote liegt mit 6,8 Prozent auf einem im langfristigen Vergleich sehr niedrigen Stand. Und die gute Nachricht für 2017: Nach der aktuellen Abendblatt-Umfrage unter den 200 größten Firmen der Stadt wird sich dieser positive Trend auch im kommenden Jahr fortsetzen. Denn mehr als 80 Prozent der Unternehmen wollen die Zahl ihrer Stellen in Hamburg halten oder sogar ausweiten. Doch auch ein zweiter und dritter Blick lohnen sich, um auf dem rosarot gefärbten Arbeitsmarkt Grautöne wahrzunehmen, deren Analyse sich lohnt.
Zum einen erkennt man deutlich, dass die Bedeutung des sozialen Sektors mit Krankenhäusern, Pflegeheimen und Kindertagesstätten sowie des Einzelhandels stark zunimmt. Gleichzeitig bleiben Industriebetriebe wie Airbus, Lufthansa Technik oder auch Werften und Maschinenbauer zwar ein wichtiger Teil der lokalen Wirtschaft, doch sie sind längst nicht mehr die Jobmotoren, die jedes Jahr eine große Zahl neuer Arbeitsplätze schaffen. Ähnliches gilt schon länger für Banken und Versicherungen, die sich in einem brachialen Strukturwandel befinden. Hamburg muss aufpassen, dass es auch in Zukunft noch einen gesunden Branchenmix aufweist – und einfache Dienstleistungen, die oft unterdurchschnittlich bezahlt werden, nicht überhandnehmen.
Bereits heute arbeitet fast jeder sechste Hamburger für weniger als zehn Euro in der Stunde – Tendenz steigend. Die Zeiten, in denen ein Vollzeit-Einkommen ausreichte, um eine Familie zu ernähren, sind vorbei. Die Arbeitswelt hat sich radikal verändert. Man mag dies bedauern, doch die Entwicklung wird kaum aufzuhalten sein. Die Politik kann sie nur mitgestalten. Dabei sollte sie alles daransetzen, um innovative Firmen an die Elbe zu locken, die qualifizierte und gut bezahlte Jobs anbieten. Gerade solche Neuansiedlungen hat es in den vergangenen Jahren zu wenige gegeben.
Auf der einen Seite fehlen qualifizierte Arbeitsplätze, auf der anderen Seite muss sich die Politik auch mit den weiterhin rund 68.000 Erwerbslosen und jenen Menschen beschäftigen, die noch in gar keiner Arbeitslosenstatistik auftauchen. Dazu zählen vor allem die Flüchtlinge in der Stadt. Sie haben es besonders schwer auf dem Arbeitsmarkt. Doch soll ihre Integration in die Hamburger Gesellschaft gelingen, muss man sie zwingend in Beschäftigung bringen.
Die Parolen rechter Populisten, dass Flüchtlinge am Ende Deutschen die Arbeit wegnehmen, sind so abgedroschen wie töricht. Gerade Handwerksbetriebe in der Stadt wären froh, könnten sie motivierte Arbeitskräfte für ihre offenen Stellen finden. Denn immer weniger Hamburger sind bereit, morgens um drei Uhr aufzustehen, um Brot zu backen oder auf dem Bau zu schuften. Es gibt bereits erste positive Ansätze, um Flüchtlinge in Arbeit zu bringen. Doch die bürokratischen Hürden dafür müssen noch deutlich stärker gesenkt werden.
Hamburg hat die große Chance, auch in zwölf Monaten wieder auf ein gutes Arbeitsmarktjahr zurückzublicken. Allerdings sollte der bloße Blick auf ein paar positive Zahlen in mehr oder weniger aussagekräftigen Statistiken nicht darüber hinwegtäuschen, dass es noch viel zu verbessern gibt auf dem hiesigen Arbeitsmarkt.