Hamburg. Die Hamburger FDP-Chefin über eine Kandidatur für den Bundestag 2017 und ihre Strategie. Katja Suding: Im Senat knistert es.

Seit fünf Jahren ist sie Fraktionschefin in der Bürgerschaft, seit 2014 auch FDP-Landesvorsitzende. Vor dem Parteitag am Wochenende mehren sich Gerüchte, dass es Katja Suding 2017 in den Bundestag nach Berlin zieht. Das Abendblatt traf die 40-Jährige in ihrem Büro im Rathaus.

Hamburger Abendblatt: Die Hamburger FDP ist so friedlich wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Der Laden läuft, könnte man sagen. Das ist doch der ideale Zeitpunkt für Sie, den Absprung nach Berlin zu wagen, oder?

Katja Suding: Ich engagiere mich schon seit Ende 2013, seit der aus unserer Sicht nicht erfolgreichen Bundestagswahl, im Präsidium der Bundespartei, also in unseren engsten Führungsgremien. Und natürlich bemühe ich mich im Team um Christian Lindner intensiv darum, dass wir 2017 wieder in den Deutschen Bundestag einziehen. Da bin ich an vorderster Front dabei und werde das auch weiterhin sein. Ob und gegebenenfalls mit welchem Team ich kandidiere, darüber sprechen wir gerade. Spätestens im Sommer wird dazu eine Entscheidung fallen.

Ist es überhaupt vorstellbar, dass Christian Lindner auf eines der bundesweit bekanntesten Gesichter der FDP verzichtet, wenn es darum geht, die Partei wieder über die Fünfprozenthürde zu hieven?

Suding: Er muss ja nicht auf mich verzichten, ich bin doch stellvertretende Bundesvorsitzende.

Die Frage zielte nicht auf Ihre generelle Mitarbeit in der FDP-Spitze ab, sondern auf Ihre Zugkraft als Kandidatin: Sie haben wie keine zweite FDP-Politikerin zweimal bewiesen, dass Sie Wählerstimmen gewinnen können. Da ist es doch unvorstellbar, dass Parteichef Lindner es Ihnen bei einer so wichtigen Wahl durchgehen lässt, nicht anzutreten.

Suding: Natürlich ist es wichtig, dass wir unsere Zugpferde nach vorne stellen. Darum engagiere ich mich so. Aber alles Weitere möchte ich zunächst mit unseren Gremien besprechen.

Andere sind weniger zögerlich. Der schleswig-holsteinische FDP-Vorsitzende Wolfgang Kubicki hat schon gesagt, dass er in den Bundestag will.

Suding: Ich bin da halt etwas anders als Kubicki oder auch Lindner. Die haben aber auch beide, anders als wir in Hamburg, vor der Bundestagswahl noch eine Landtagswahl und sind daher in einer anderen Situation.

Anders gefragt: Was ist an der Hamburger Politik noch reizvoll, wenn man auch auf Bundesebene mitspielen kann?

Suding: Es gibt in Hamburg für uns als FDP viele Möglichkeiten zur Gestaltung und Profilierung: das Loch, in das die Stadt nach dem Olympia-Aus gefallen ist, die Sorgen um die HSH Nordbank, der Haushalt, der noch lange nicht saniert ist, und innerhalb des Senats knirscht es, wie man an der Kritik der Kultursenatorin am Abriss der City-Hochhäuser sieht. In den ersten vier Jahren lief es besser für Olaf Scholz. Da war es für uns schwieriger durchzudringen. Jetzt ist das leichter, das nutzen wir, und das macht mir auch Spaß.

Zum Parteitag am Wochenende hat der Landesvorstand einen 23-seitigen Leitantrag vorgelegt, der sich wie ein Wahlprogramm liest. Dabei wird erst 2020 regulär gewählt. Rechnen Sie mit einem baldigen Bruch von Rot-Grün?

Suding: Nein. Das ist auch kein Wahlprogramm, sondern wir haben nach einem Jahr Rot-Grün analysiert, wo die Stadt steht und was wir in den kommenden Jahren anschieben oder umsetzen wollen.

Einen echten Gegenentwurf zu der Politik des SPD-geführten Senats sucht man auf den 23 Seiten aber vergebens.

Suding: Es ist kein Wahlprogramm, sondern wir beschreiben den Status quo und fordern notwendige Korrekturen – in allen Bereichen.

Die Stadt streitet darüber, wie und wo Flüchtlinge untergebracht werden können. Wo steht eigentlich die FDP?

Suding: Möchten Sie, dass ich Vorschläge für Standorte mache?

Nein. Aber zum Beispiel Ihre Haltung zu der Volksinitiative gegen Großunterkünfte würde uns interessieren.

Suding: Wir finden die Forderungen der Initiative nach kleineren Unterkünften im Prinzip richtig. Aber ob das mit den von ihr geforderten Obergrenzen für die Unterkünfte, Mindest-Abständen und zeitlichen Abläufen so funktioniert, sei dahingestellt. Ich glaube, da braucht man mehr Flexibilität. Ich wundere mich aber, dass die Kommunikation von Rot-Grün mit der Volksinitiative so schlecht gelaufen ist, dass wir jetzt diese Bürgerbegehren in den Bezirken haben. Jetzt kann über ein paar Unterschriften eine Sperrwirkung für neue Unterkünfte erreicht werden. Dabei ist dem Bürgermeister doch klar, dass er diesen Volksentscheid, wenn es dazu kommen sollte, nur verlieren kann. Er muss auf die Initiative zugehen, aber das tut er nicht.

Eine Art Moratorium zuzulassen, wie von der Initiative gefordert, ist aus Sicht des Senats halt schwierig, weil ja weiter Unterkünfte geschaffen werden müssen, zum Beispiel für Tausende Flüchtlinge, die in Baumärkten ausharren.

Suding: Daher fordern wir ja auch, dass sich der Bürgermeister auf Bundes­ebene für eine gerechtere Verteilung auf die Bundesländer und eine Entlastung der Stadtstaaten einsetzen soll. In den umliegenden Bundesländern – übrigens alle von der SPD regiert – sind Kapazitäten frei, die müssen auch genutzt werden. Aber Scholz ist total passiv und unternimmt nichts. Das ist gefährlich, weil wir die Sorge haben, dass es beim Volksentscheid am Ende nur um die Frage geht: Flüchtlinge ja oder nein? Und ich sehe die Gefahr der Unterwanderung. Die Initiative versucht zwar, die AfD außen vor zu halten. Aber in einer nicht professionellen Struktur ist das auf Dauer schwierig.

Haben Sie Verständnis für die Blankeneser Bürger, die Baumfällarbeiten für die Herrichtung einer Flüchtlingsunterkunft blockiert haben?

Suding: Nein, habe ich nicht. Ich halte die Aktion für rechtsstaatlich bedenklich. Das bedeutet natürlich nicht, dass man den Rechtsweg nicht bemühen darf. Aber ich kann nicht einsehen, warum es in dieser Gegend in meinem Wahlkreis Blankenese nicht möglich sein sollte, 192 Flüchtlinge unterzubringen.

Stimmt es Sie nachdenklich, dass solch ein Widerstand ausgerechnet in einem so wohlhabenden Stadtteil geleistet wird?

Suding: Jedenfalls wundert es mich nicht. Einmal abgesehen von der nicht zu tolerierenden Blockade: In Blankenese gibt es eher Menschen, die das Potenzial, das Know-how und vielleicht auch die finanziellen Mittel haben, sich in so einer Frage zu engagieren, als etwa in Billbrook. Aber es ist ja keinesfalls so, das ist mir sehr wichtig, dass alle Blankeneser gegen die Flüchtlingsunterkunft sind. Ganz im Gegenteil.