Hamburg. Bürgerinitiativen starten in mehreren Hamburger Bezirken Unterschriftensammlungen gegen Großsiedlungen für Flüchtlinge.
Der Streit um die Unterbringung von Flüchtlingen in Großunterkünften ist in die nächste Runde gegangen. Vertrauensleute von Bürgerinitiativen reichten am Dienstag in den Bezirksämtern von Altona, Wandsbek und Hamburg-Nord Bürgerbegehren ein. Damit will man verhindern, dass in den Bezirken vollendete Tatsachen geschaffen werden. Das Abendblatt beantwortet die wichtigsten Fragen.
Was ist der Inhalt der am Dienstaggestarteten Bürgerbegehren?
Die Bürgerbegehren haben nach den Worten von Klaus Schomacker, Sprecher des Dachverbands der Bürgerinitiativen, einen gleichlautenden Text. Die Bürger werden gefragt, ob sie dafür seien, dass die Bezirke bis zum Abschluss des Volksgesetzgebungsverfahrens „Hamburg für gute Integration“ keine große Flüchtlingsunterkünfte mehr errichten dürfen.
Wo wurden Bürgerbegehren auf Bezirksebene gestartet?
Am Dienstag wurden nach den Worten von Klaus Schomacker in den Hamburger Bezirken Altona, Wandsbek und Nord Bürgerbegehren gestartet. Geplant sind in dieser Woche noch Bürgerbegehren in Eimsbüttel, Bergedorf und Harburg. Unklar ist bislang, ob im Bezirk Hamburg-Mitte die Bürger gefragt werden, da sich hier offenbar keine Bürgerinitiative in der Lage sieht, die Umsetzung sicherzustellen.
Wie laufen auf bezirklicher Ebene Bürgerbegehren ab?
Ein Bürgerbegehren muss durch drei Vertrauenspersonen schriftlich beim Bezirksamt angezeigt werden. Zudem muss es eine mit „Ja“ oder „Nein“ zu entscheidende Fragestellung enthalten.
Wann ist ein bezirkliches Bürgerbegehren erfolgreich?
Ein Bürgerbegehren gilt als erfolgreich, wenn es innerhalb von sechs Monaten von drei Prozent der wahlberechtigten Einwohner unterstützt wurde. Im Bezirk Wandsbek, wo mehr als 300.000 Menschen leben, reicht die Unterstützung von zwei Prozent der Wahlberechtigten. Die Feststellung über das Zustandekommen eines Bürgerbegehrens trifft das Bezirksamt.
Was ist das Besondere an einem bezirklichen Bürgerbegehren?
Wenn beim jeweiligen Bezirksamt ein Drittel der für einen Erfolg notwendigen Stimmen vorliegt, darf der Bezirk keine Entscheidung mehr treffen, die dem Anliegen des Bürgerbegehrens zuwiderläuft. Anders als die Volksinitiative und das Volksbegehren auf Landesebene entwickelt das Bürgerbegehren auf Bezirksebene eine sogenannte Sperrwirkung. Schätzungen der Anmelder zufolge können bereits 2000 Unterschriften eine Veränderungssperre und damit einen Baustopp auslösen.
Warum beantragen die Bürgerinitiativen jetzt in allen Bezirken Volksbegehren?
Die Initiatoren haben es auf die Sperrwirkung der Bürgerbegehren abgesehen. Dadurch soll gesichert werden, dass die Bezirke das Ergebnis der erfolgreichen Volksinitiative auf Landesebene nicht unterlaufen. „Trotz des großen Erfolgs unserer Volksinitiative wird ununterbrochen an vielen Unterkünften gebaut“, sagt Klaus Schomacker. Man habe in mehreren Gesprächen mit den regierenden Bürgerschaftsfraktionen von SPD und Grünen um ein zweimonatiges Moratorium gebeten. „Diese Bitte wurde jedoch wiederholt abgelehnt.“
Worum ging es bei der erfolgreichen Volksinitiative auf Landesebene?
Bei der Volksinitiative Ende Februar dieses Jahres ging es im Kern darum, Geflüchtete nur dezentral und in kleineren Unterkünften unterzubringen. So sollen maximal 300 Personen in einer Folgeunterbringung untergebracht werden. Der Regelabstand zwischen den Flüchtlingsunterkünften sollte 1000 Meter nicht unterschreiten.
Wie reagiert der Senat auf die nuneingereichten Bürgerbegehren?
Die zuständige Finanzbehörde erklärte: „Wir setzen auf eine vernünftige Verständigung in der Volksinitiative. Eine Herausforderung, die wir als gesamte Stadt zu bewältigen haben, sollte nicht in sieben einzelnen Bürgerbegehren behandelt werden.“ Im Hinblick auf die Sperrwirkung bezirklicher Bürgerbegehren auf das Verwaltungshandeln sehe man die Gefahr, dass damit einer Entscheidung über die Volksinitiative vorgegriffen werde. Insofern gebe es aus Sicht des Senats Bedenken, dass die aktuellen Bürgerbegehren rechtlich zulässig seien.
Was sagt die Opposition?
Nach Ansicht von CDU-Fraktionsvize Karin Prien klaffen bei Bürgermeister Olaf Scholz Wort und Tat auseinander. „Während er Rot-Grün belanglose Gespräche mit den Initiativen führen lässt, veranlasst er zugleich, dass durch die Bezirke vollendete Tatsachen geschaffen werden.“ Ein Moratorium werde ebenso verweigert wie die Vorlage einer alternativen Planung für kleinere und dezentrale Unterkünfte. FDP-Fraktionschefin Katja Suding erklärte, Rot-Grün nehme die Sorgen der Menschen nicht ernst, sondern tue nur so.