Hamburg . Seit ihrem Einzug in die Bürgerschaft habe die Fraktion in gut 70 Prozent der Ausschusssitzungen keinen Beitrag abgeliefert.
Die Abgeordneten der AfD haben sich im ersten Jahr der Wahlperiode nur sehr spärlich an den inhaltlichen Diskussionen der Hamburgischen Bürgerschaft beteiligt. Zu diesem Ergebnis kommt eine Auswertung sämtlicher Sitzungsprotokolle der Fachausschüsse, die der FDP-Abgeordnete Michael Kruse jetzt vorgelegt hat. Laut seiner Auflistung haben die bis zum Fraktionsaustritt von Ludwig Flocken im Februar 2016 noch acht AfD-Abgeordneten sich nur sehr selten mit Wortbeiträgen oder Fragen in den Ausschüssen beteiligt.
In den insgesamt 18 Sitzungen der Ausschüsse für Justiz, Wissenschaft und Öffentliche Unternehmen meldeten sich die AfD-Abgeordneten demnach laut den öffentlichen Protokollen nicht ein einziges Mal mit Fragen oder eigenen Vorschlägen zu Wort. Auch bei den insgesamt neun Sitzungen des wichtigen Haushaltsausschusses leistete die AfD keinerlei Beitrag. In vielen anderen Ausschüssen hielten sich ihre Abgeordnete ebenfalls zurück.
Am stärksten beteiligte sich die AfD-Fraktion an den Diskussionen zur Modernisierung des Parlamentsbetriebs im „Unterausschuss Stärkung der Bürgerschaft“ – mit 34 Beiträgen. Eine stärkere Beteiligung verzeichnet die Auswertung von FDP-Mann Kruse auch in den Ausschüssen für Inneres (23 Wortmeldungen), Stadtentwicklung (20) und Verkehr (17).
Laut AfD hat die Einarbeitungszeit länger gedauert als erwartet
Das Engagement der einzelnen AfD-Abgeordneten unterscheidet sich demnach sehr stark. Während AfD-Fraktionschef Jörn Kruse 47-mal und Detlef Ehlebracht 30-mal in Ausschusssitzungen das Wort ergriffen, meldete sich die Abgeordnete Andrea Oelschläger nur einmal binnen eines Jahres, und der Abgeordneten Joachim Körner leistete nicht einen einzigen Beitrag zu den Fachdiskussionen.
„Die Arbeit der AfD-Fraktion ist nicht nur qualitativ dünn. Die Zahlen zeigen, dass die AfD-Fraktion in einigen Themengebieten schlicht die Arbeit verweigert“, urteilt FDP-Mann Michael Kruse. „In mehr als 70 Prozent der Ausschusssitzungen des ersten Bürgerschaftsjahres hat die AfD-Fraktion nicht einen einzigen inhaltlichen Beitrag abgeliefert, hat also weder etwas gefragt noch eine inhaltliche Einschätzung vorgenommen.“
In den inhaltlichen Beratungen vieler Fachausschüsse sei die AfD „schlicht nicht existent“. Dies betreffe eine Reihe sehr wichtiger Ausschüsse, wie etwa den Haushaltsausschuss, den Ausschuss für öffentliche Unternehmen und den Justizausschuss. „Die Nichtbeteiligung an einer Vielzahl von Ausschussberatungen zeigt: Die von der AfD wie eine Monstranz vor sich hergetragene Forderung nach einer Auseinandersetzung mit ihren Positionen ist im Hamburger Parlament quasi nicht möglich, weil die AfD sich der Arbeit in wichtigen Ausschüssen schlicht verweigert“, sagt Kruse. „Die selbst ernannte Alternative scheitert an den eigenen Ansprüchen und befindet sich im parlamentarischen Tiefschlaf. So schürt man Politikverdrossenheit, anstatt sie zu bekämpfen.“
Die AfD selbst will derlei Kritik nicht auf sich sitzen lassen. Parteichef und Fraktionsvize Bernd Baumann gibt zu, dass die Einarbeitungszeit länger gedauert habe „als erwartet“. Man müsse aber bedenken, dass die AfD als Partei, anders als ihre politischen Mitbewerber, erst wenige Jahre alt und zum ersten Mal in der Bürgerschaft vertreten sei. „Wir stehen ja erst am Anfang unserer politischen Arbeit“, sagt Baumann, deswegen seien Vergleiche nach einem Jahr mit seit vielen Jahrzehnten bestehenden und im Parlamentsbetrieb geübten Parteien nicht ganz gerecht. Hinzu komme, dass die AfD die kleinste Fraktion sei und die einzelnen Abgeordneten für mehrere Ausschüsse zuständig seien, während die größeren Fraktionen mehrere Abgeordnete in jeden Ausschuss schickten. „Wir sehen aber eine gewisse Produktivitätsentwicklung in unserer Fraktion“, sagt Baumann. „Das sieht man auch an der Zahl unserer Anträge, die zuletzt deutlich gestiegen ist.“
AfD-Innenpolitiker Dirk Nockemann sagte, er beteilige sich sehr wohl an allen wesentlichen inhaltlichen Diskussion. Dabei seien ihm aber die Plenardebatten wichtiger. „In den Ausschüssen können Sie sich auf den Kopf stellen, die Mehrheit stimmt sowieso ab, wie sie will“, sagt Nockemann. „Ich stelle da doch nicht unsinnige Fragen, um anderen Menschen die Zeit zu stehlen oder nur, um im Protokoll aufzutauchen. Ich will schließlich kein Schaulaufen absolvieren, sondern Politik machen.“