Hamburg. Teil 8: Digitale Trainingssysteme werden immer beliebter. Auch in Hamburg erobern Trends wie eGym die Studios.
Ich bin ein Fitnessmuffel. Das war schon immer so. Damals als Jugendlicher, als ich mich im kleinen Kraftraum des Oldesloer Stadtschwimmbads das erste Mal an die Brustpresse gesetzt habe. Und das ist auch heute noch so, wenn ich mich mal wieder zu einem Probetraining in einem der großen Hamburger Fitnessstudios durchringe. Meistens sieht das dann so aus: ein paar Durchgänge an der Lat-Zug-Maschine und den anderen Kraftsport-Klassikern, ein bisschen Hanteltraining, Liegestütze. Vor allem aber lange Pausen. Um dann doch recht schnell in den Wellnessbereich abzubiegen, wenn ich mich zwischen den muskelbepackten Dauerpumpern zunehmend unwohl fühle. Am nächsten Tag dann trotzdem Muskelkater. Aber kein Muskelwachstum. Klar, das dauert. Bei mir aber irgendwie besonders lange. Und überhaupt, Sport ohne Ball ist sowieso langweilig.
Für Typen wie mich gibt es eGym. Was die Münchner Florian Sauter und Philipp Roesch-Schlanderer vor vier Jahren als kleine Start-up-Idee gründeten, hat sich nun innerhalb kurzer Zeit weltweit zu einem der größten Fitnesstrends mit Hunderttausenden Kunden entwickelt. Das Konzept: ein dynamischer Kraftzirkel mit automatisierter Bedienung, persönlicher Ansprache, kurzen Pausen, präziser Steuerung, individuellen Ergebnissen – und das alles elektronisch. Klinkt kompliziert, soll aber ganz einfach sein. Ich beschließe, eGym eine Chance zu geben.
Im Meridian Spa Barmbek, einem von zehn eGym-Anbietern in Hamburg, empfängt mich Trainerin Sina Schuldt. Die ist sehr freundlich, aber eigentlich brauche ich sie nicht. Zumindest nicht, wenn man die Einführungsrunde besteht. Diese hat es allerdings in sich. In einem Maximalkrafttest an allen neun Geräten stellt das System die individuelle Leistungsfähigkeit fest. „Drücke das Gewicht so fest du kannst“, sagt Sina, als ich an Station eins, der Beinpresse, sitze. Zuvor hat sie mir die passende Sitzposition eingerichtet. Der Computer merkt sich diese und soll sie ab der zweiten Runde automatisch einstellen. Aber dazu später mehr.
Um vor Sina nicht als absoluter Anfänger dazustehen, drücke ich die Gewichte in leicht übertriebener Kraftanstrengung weg und entgehe einer Muskelzerrung nur knapp. Auf einem Chip werden die Ergebnisse gespeichert, nachdem man ihn an das jeweilige Gerät gehalten hat. Auf dem Smartphone oder am PC kann man dann jederzeit und überall seine Leistungen und Entwicklungen verfolgen. Self-Tracking heißt das im modernen Fitness-Jargon.
Nachdem ich den Krafttest an allen neun Geräten unfallfrei überstanden habe, kann es schließlich losgehen. Ich sitze wieder am ersten Gerät, der Beinpresse, und halte den Chip an die Station. „Hallo Henrik“, erleuchtet es auf dem Bildschirm. Eine nette, persönliche Begrüßung, die man nicht in jedem Fitnessstudio erhält. „Bist du schon aufgewärmt?“, fragt der Computer. Ja, bin ich. Dafür hat Sina gesorgt. Denn bevor sie mich an die Geräte lässt, schickt sie mich auf das Laufband. „Das muss sein“, sagt Sina. Nachdem ich also guten Gewissens auf den Startknopf drücke, schiebt sich die Beinpresse zunächst exakt in die Position, die Sina mir am Anfang eingestellt hat. So sollen Fehlstellungen beim Fitness vermieden werden. Es funktioniert. Ich sitze bequem. Und die Überraschung: Trotz meines übertriebenen Krafteinsatzes in der Testrunde fühlt sich der Widerstand des Gewichtes genau richtig an.
Nun folgt der spaßige Teil. Auf dem Bildschirm erscheint eine weiße Kugel, die sich auf einer Linie vorwärts bewegt. Das Ganze erinnert mich an den Sat.1-Superball. Ich bin die weiße Kugel, und die Linie gibt die Bewegungen vor, die ich auszuführen habe. Nach zehn Sekunden geht es los. Aus der geraden Linie wird nun eine Sinuskurve. Ich drücke das Gewicht hoch und steuere damit die Kugel. Die Linie zeigt mir genau an, wann ich belasten und wieder entlasten muss. Bewegt sich die Kugel auf der Linie, mache ich alles richtig. Tut sie es nicht, bin ich entweder zu schnell oder zu langsam. In meinem Fall ist es eher die zweite Variante.
20-mal läuft die Kurve nach oben. Ich fühle mich wie beim heißen Draht in der 100.000 Mark-Show mit Ulla Kock am Brink. Bloß nicht die Linie verlieren. Spätestens bei Kurve Nummer 15 hört der Spaß dann aber auf. Ich bin im Erschöpfungsmodus angekommen. Normalerweise würde ich jetzt aussteigen, doch die Kurve und die Kugel zwingen mich zur Ziellinie. Erster Teil geschafft.
Nun beginnt der eGym-spezifische Ablauf. Nach dem Ende der ersten Übung hat man genau 50 Sekunden Zeit bis zum Start der nächsten Station. Das System ist streng. Checkt man am zweiten Gerät ein, läuft die Zeit bereits weiter. Das Gerät stellt sich erneut ein, dann startet der Kurvenverlauf. 60 Sekunden Belastung, 50 Sekunden Pause. So arbeitet man sich durch den eGym-Zirkel. Und das Beste: nach nur 15 Minuten hat man alle Geräte geschafft und gleichzeitig alle wichtigen Muskelpartien des Körpers beansprucht.
An Mitteln zur persönlichen Motivation mangelt es eGym nicht
Ich bin zufrieden mit dem kurzweiligen Konzept. Zufrieden, wie frisch sich mein Körper nach zwei Durchgängen anfühlt. Zufrieden, als ich mir abends auf dem Handy meine erste eGym-Bilanz anschaue. „Du hast heute 15.905 Kilogramm bewegt.“ Klingt irgendwie viel. Nun könnte ich mir über das System einen persönlichen Trainingsplan erstellen. Ich könnte mich digital mit anderen Kunden verbinden und in Gruppen meine Ergebnisse vergleichen. An Motivationsmitteln mangelt es eGym nicht. Ob es reicht, um mich vom Fitnessmuffel zum Kunden umzupolen? Mein Muskelwachstum konnte eGym nach drei Einheiten zumindest nicht auffällig beeinflussen.
Oder doch? Vor Kurzem traf ich meinen alten Fußballtrainer. Er schlug mir im Spaß auf den Bauch und sagte: „Mensch, du hast ja zugelegt.“ Ob er mein zartes eGym-Sixpack meinte oder doch die Folgen meiner Schreibtischtätigkeit, wollte er mir nicht verraten.