Teil 2: Immer mehr Hamburger trainieren in Studios und Clubs. Das Abendblatt stellt die unterschiedlichen Spezies vor.
Training im Fitnessstudio ist in – besonders in Hamburg. 17,3 Prozent aller Einwohner waren im Jahr 2014 Mitglied in einem der vielen Clubs und Studios. Bundesweit sind es nur 11,2 Prozent. Die Zahlen für das Jahr 2015 liegen zwar noch nicht vor, doch der Trend ist nach Angaben des Arbeitgeberverbands der Fitnesswirtschaft (DSSV) eindeutig: Die Mitgliederzahl steigt weiter.
Durch die traditionelle Vereinslandschaft kamen kommerzielle Fitnessangebote in Deutschland eher langsam in Gang, doch mittlerweile verfügt Deutschland über den mitgliederstärksten Fitnessmarkt in Europa. Die Klientel hat sich allerdings verändert: Waren früher hauptsächlich muskelgestählte Bodybuilder in „Muckibuden“ anzutreffen, hat die Fitnesslust mittlerweile alle Bevölkerungsschichten gepackt. „Bei uns trainiert der Opa neben dem Teenie, der Arbeiter neben der Akademikerin“, sagt Öznur Ergün, stellvertretende Clubleiterin im Fitness First am Rödingsmarkt.
Auch deswegen lassen sich die Mitglieder eines Full-Service-Studios, das neben Geräten auch Kurse und Wellness im Angebot hat, in ganz unterschiedliche Fitness-Typen unterteilen. Es gibt fünf unterschiedliche Muster, die immer wieder auffallen. „80 bis 90 Prozent unserer Mitglieder fallen in eine dieser fünf Kategorien“, sagt Ergün. Das Abendblatt stellt jeweils einen Sportler aus jeder Gruppe vor.
Die "Best Ager"
Immer mehr Leute im Alter von 50 oder mehr Jahren bevölkern die Studios. Bei ihnen steht die Gesundheit meist im Vordergrund. So wie bei Deniz Apu, 50, aus der Neustadt. „Ich habe früher auf gutem Level Amateurfußball gespielt, das geht jetzt nicht mehr. Dennoch möchte ich fit bleiben, laufe dafür dreimal pro Woche rund 70 Minuten auf dem Band – vor allem im Winter, wenn mir draußen zu kalt ist. Zusätzlich mache ich Kräftigungsübungen für die Bauchmuskeln und ab und zu Yoga, um gelenkig zu bleiben.“
Der gebürtige Türke trainiert jetzt seit fast zehn Jahren im Fitnessstudio. Vorher wog er bei einer Größe von 1,80 Metern 98 Kilo, mittlerweile sind es wieder 78 Kilo. „Ich hatte mich in meiner Haut einfach nicht mehr wohlgefühlt.“
Viele der „Best Ager“, die das Rentenalter schon erreicht haben, trainieren vormittags im Studio und erhalten dafür oft günstigere Tarife. Schätzungsweise sind rund 20 Prozent der Clubmitglieder bereits „Best Ager“ – Tendenz: weiter steigend.
Die "Pumper"
Patrick Heiser aus Eimsbüttel überlässt nichts dem Zufall. Der Hafenarbeiter geht viermal pro Woche ins Studio und trainiert ganz gezielt den Muskelaufbau, überwiegend an den Freihanteln, manchmal greift er auch auf die Geräte zurück. Immer rund eine Stunde intensives Training, in der Woche Oberkörper, am Sonntag die Beine. „Das ist mein Lifestyle. Seit ich vor neun Jahren mit dem Training angefangen habe, habe ich ein ganz anderes Körpergefühl und größeres Selbstbewusstsein“, sagt der 32-Jährige.
69 Kilo wog der 1,85-Meter-Hüne im Jahr 2007, heute bringt er 91 Kilo auf die Waage. Das gefällt auch seiner Freundin. Doch mit Fitness allein kann Patrick seine Figur nicht halten. Die Ernährung spiele eine wichtige Rolle, auch spezielle Nahrungsergänzungsmittel wie Proteine dürfen nicht fehlen. „Fitnesstraining ist ein bisschen wie eine Sucht, aber es hilft auch, in nicht so guten Lebensphasen positiv zu bleiben“, sagt Patrick. An manchen Tagen geht er sogar zweimal täglich ins Studio – dann aber nur, um zu schnacken.
Die "Kursmädels"
Alleine zu trainieren ist ihr zu langweilig. Violetta Blatz besucht in erster Linie Kurse, die von den meisten Fitnessstudios in großer Zahl angeboten werden. Für die 30-Jährige muss es dabei recht sportlich zugehen, YogaÜbungen sind nichts für sie. „Ich habe ganz viele Kurse ausprobiert, bin jetzt bei zweien hängen geblieben: Hot Iron, Langhanteltraining für den gesamten Körper – und Bauch, Beine, Po“, sagt die Bergedorferin, die rund dreimal pro Woche nach der Arbeit im Büro ins Studio geht.
Meist sind zwischen fünf und 20 Teilnehmer dabei, die unterschiedliche Übungen des Trainers nachmachen. Violetta will sich „auspowern“, das kann sie an den Geräten oder auf dem Laufband nicht so gut. Früher hat die Russin Karate gemacht und ist in ihrer Heimat Snowboard gefahren – das fällt in Hamburg ja eher flach. Es gibt übrigens auch „Kursjungs“ – doch die sind Schätzungen zufolge im Verhältnis von 20 zu 80 deutlich in der Unterzahl
Die "Normalos"
Tatjana Hlawatschke gehört zu den entspannten Fitnessgängern. Die 30- Jährige besucht das Studio regelmäßig mehrmals pro Woche, entweder in ihrer Mittagspause oder nach getaner Arbeit als Finanzbuchhalterin. Dabei trainiert sie selten länger als 45 Minuten und geht zunächst entweder aufs Laufband oder den Crosstrainer, um sich danach an den Geräten zu stärken.
Sofern es die Zeit zulässt, ist ein Saunagang im Anschluss Pflicht. „Nichts übertreiben, es aber auch nicht schleifen lassen“, ist das Motto der Eilbekerin. Früher war sie im Tennis- und Volleyballverein, doch auf feste Termine hatte sie irgendwann keine Lust mehr. „Ich will abschalten, meine Ruhe haben und dann Sport machen, wenn mir danach der Sinn steht.“
Tatjana will ihren Körper in dem jetzigen Zustand behalten, zudem Rückenbeschwerden vorbeugen. Auch ihre Migräne hat sie seit ihrem Beitritt im Jahr 2008 besser im Griff. „ Ich will mich aber auch verbessern: Zurzeit schaffe ich zwölf Liegestütze, 20 sind mein Ziel.“
Die "Karteileichen"
Jedes Studio hat einen nicht unerheblichen Anteil an Mitgliedern, die voller guter Vorsätze sind – doch ihren inneren Schweinehund einfach nicht überwinden können. So wie Christian Thamm aus Barmbek. Der 26-Jährige ist seit Anfang 2015 Mitglied im Fitnessstudio, war in den vergangenen vier Monaten jedoch nur viermal dort. „Es gab sogar zwei Monate, in denen ich den Club ganz ohne Gegenleistung gesponsert habe“, sagt der Student, der sich jetzt aber bessern will.
Die Gründe für sein Fernbleiben sind vielschichtig. Zum einen sei der Tag mit dem Studium und Nebenjob während des Semesters auch ohne Sport ziemlich ausgefüllt, zum anderen schleiche sich der Schlendrian verstärkt ein, sobald man erst einmal für ein, zwei Wochen heraus sei. Und wenn er die Anfahrt schon auf sich nimmt, will Christian auch Zeit und Muße haben. „Dabei wäre es für meinen Endorphinhaushalt wesentlich besser, sich regelmäßig zu bewegen. Zudem es ja auch ganz hübsche Frauen im Studio gibt“, sagt der Single.