Hamburg. Erste Bewerbung der Stadt liegt mehr als 100 Jahre zurück. Alle Anläufe, Olympische Sommerspiele auszurichten, scheiterten vorzeitig.
Wann Hamburgs von Irrungen und Wirrungen geprägte Geschichte der Olympiabewerbungen begann, ist bis heute nicht endgültig geklärt. Es gibt Indizien, dass die Stadt vor mehr als 100 Jahren ein Kandidat für die Sommerspiele im Jahre 1916 gewesen sein könnte. Berlin hatte sich zuvor zweimal vergeblich beim Internationalen Olympischen Komitee (IOC) beworben – um die Spiele 1908 und 1912 – und es soll daher um 1910 in den Salons der Hauptstadt des deutschen Kaiserreichs Überlegungen gegeben haben, diesmal einen anderen Bewerber ins Auswahlverfahren zu schicken. Wo Spiele in Hamburg hätten stattfinden können, darüber herrschte offenbar in Berlin Einigkeit: im Stadtpark in Winterhude.
Es kam bekanntlich anders. Berlin bewarb sich schließlich ein drittes Mal und erhielt 1912 in Stockholm den Zuschlag für 1916. Die Austragung der sechsten Olympischen Sommerspiele verhinderte der Erste Weltkrieg. Berlin wurde erst 1936 Schauplatz des größten Sportfestes der Welt.
Olympia-Referendum: Der Tag der Entscheidung
Es war Bürgermeister Henning Voscherau (SPD), der Ende der 1980er-Jahre die Idee wieder aufgriff. Hamburg plante, sich für die Sommerspiele der Jahre 2000 oder 2004 zu bewerben. Olympia passte in Voscheraus Pläne des Ausbaus der HafenCity. Die Begeisterung der Hamburger hielt sich zunächst in Grenzen. Nach einer repräsentativen Umfrage des Infas-Instituts befürworteten Ende Januar 1989 nur 55 Prozent der befragten Hamburger eine Olympia-Kandidatur. Die Zustimmung wuchs auf 65 bis 70 Prozent.
Ein Jahr später beendete Voscherau die Kampagne, bevor sie richtig begonnen hatte. Nach einem Treffen mit DDR-Ministerpräsident Hans Modrow am 5. Januar 1989 verzichtete er auf eine Fortsetzung der Bewerbung zugunsten des noch geteilten Berlins. Modrow hatte ihm gesagt, dass er glaube, dass eine Gesamtberliner Bewerbung Realität werde. „Dem konnte ich mich nicht verschließen“, sagte Voscherau. Dazu muss man wissen: Hamburgs im Februar 1989 beschlossene Olympiapläne sollten nur dann umgesetzt werden, falls es keine gemeinsame Bewerbung West- und Ost-Berlins gäbe. Mit Hamburg begruben Frankfurt am Main, Stuttgart und Dortmund ihre olympischen Ambitionen. Und auch Hamburger Sportfunktionäre schimpften, eine große Chance für die Entwicklung des Breitensport sei leichtfertig vertan worden, Hamburg werde weiter sportliche Provinz bleiben.
Die Vereinigung 1990 veränderte die sportpolitische Lage nicht, obwohl die Voraussetzungen von Voscheraus Verzicht – Mauer und Teilung – nicht mehr gegeben waren. Berlin bewarb sich um die Sommerspiele 2000 und scheiterte kläglich. Nur neun von 99 Stimmen erhielt die Hauptstadt 1993 in Monte Carlo im ersten und auch im zweiten Wahlgang. Sydney siegte.
Im Frühjahr 2001 hatten sich Stuttgart, Frankfurt am Main, Düsseldorf und Leipzig entschlossen, einen erneuten deutschen Anlauf für Olympia zu wagen. Hamburg hatte andere Pläne. Noch im Juli des Jahres, als Handelskammer und Sportamtsdirektor Hans-Jürgen Schulke schon laut über eine Bewerbung für die Sommerspiele 2012 nachdachten, mahnte Bürgermeister Ortwin Runde (SPD), man solle sich nicht verzetteln und sich besser auf die internationale Gartenschau 2013 in Wilhelmsburg konzentrieren.
Daraus wurde nichts. Runde beugte sich dem Druck der Wirtschaft, während der für den Sport zuständige Innensenator Olaf Scholz bereits Vorbereitungen für die Bewerbung traf. 92 Prozent der Hamburger freuten sich laut Umfragen auf die Spiele. Umso größer war am Nachmittag die Enttäuschung, Tränen flossen, als sich im letzten Wahlgang Leipzig mit 81:51 Stimmen gegen Hamburg durchsetzte.
„Wir hatten darauf vertraut, dass sich die Entscheidung an objektiven Kriterien orientieren würde“, sagte Bürgermeister Ole von Beust kürzlich. Die Evaluierungskommission des NOK hatte Hamburg 2003 in fast allen Kategorien Bestnoten gegeben. Leipzigs negative Bewertungen wurden, wahrscheinlich auf politischen Druck von Kanzler Gerhard Schröder, nachträglich geschönt, um der ostdeutschen Stadt die Chancen zu erhalten. Das IOC ließ sich nicht täuschen und erklärte Leipzig für nicht olympiatauglich.