Hamburg/Kiel. Die Mehrheit hat sich gegen eine Hamburger Olympia-Bewerbung ausgesprochen. So hat ihr Bezirk abgestimmt.
Fiasko für den deutschen Sport: Die Hamburger haben den Traum von Olympia 2024 in ihrer Stadt überraschend platzen lassen. 51,6 Prozent stimmten gegen Sommerspiele an der Elbe, nur 48,4 Prozent dafür.
Deutschland erlebte damit seine zweite olympische Pleite binnen zwei Jahren. 2013 hatten München und Umgebung in einer Volksbefragung gegen Winterspiele 2022 votiert. Nachdem die Ausrichtung des größten Sportspektakels hierzulande erneut durchgefallen ist, hat sich Deutschland damit vorerst ins Abseits katapultiert.
Die Ereignisse des Tages hier zum Nachlesen:
22:18 Uhr: Mit dem vorläufigen amtlichen Endergebnis steht auch fest, wie in den Hamburger Bezirken abgestimmt wurde. Demnach war der Anteil der Befürworter in Bergedorf und Wandsbek am höchsten; am niedrigesten war er in Altona und Hamburg Mitte:
Hier die Übersicht:
Altona (44,7 % Ja/ 55,3 % Nein)
Bergedorf (51,9 % Ja/ 48,1 % Nein)
Eimsbüttel (48,5 % Ja/ 51,5 Nein)
Hamburg-Mitte (43,6 % Ja/ 56,4 % Nein)
Hamburg-Nord (48,8 % Ja/ 51,2 Nein)
Harburg (46,6 % Ja/ 53,4 % Nein)
Wandsbek (51,9 % Ja, 48,1 % Nein)
22:07 Uhr: Nach dem Nein der Hamburger zur Bewerbung um Olympische Spiele dominierte auch in Schleswig-Holsteins Landeshauptstadt am Sonntagabend die Enttäuschung. „Das ist ein bisschen wie die goldene Ananas“, sagte Kiels Oberbürgermeister Ulf Kämpfer (SPD) und sprach von einem „schwarzen Tag für den deutschen Sport“. Zuvor hatten sich 65,57 Prozent der Kieler für die Bewerbung ausgesprochen. 34,43 Prozent waren dagegen. Die Wahlbeteiligung lag bei 31,71 Prozent.
22:01 Uhr: Das vorläufige amtliche Endergebnis steht fest: Nach Auszählung aller 650.106 gültigen Stimmen entfielen 51,6 Prozent auf ein Nein zu Olympischen Spielen 2024 in der Hansestadt, wie das Statistikamt Nord mitteilte. 48,4 Prozent der Hamburger stimmten demnach mit Ja. Die Wahlbeteiligung lag bei 50,1 Prozent.
21:30 Uhr: DOSB-Präsident Alfons Hörmann sagte am Sonntagabend: "Das ist für den Sportdeutschland ein herber Rückschlag. Wir wollten Sportdeutschland neue Chancen geben. Leider ist das mit diesem Ergebnis nicht möglich." Hamburg habe sich nichts vorzuwerfen. Im Gegensatz zu der in München gescheiterten Olympiakampagne habe die Stadt "fehlerfrei und mit viel Liebe agiert". Olympia und Deutschland sei eine Verbindung, die zur Zeit nicht passe.
21: 15 Uhr: "Hamburg wird sich nicht bewerben. Das Ergebnis ist jetzt verbindlich", sagte Olaf Scholz. Man sollte das Ergebnis des Referendums akzeptieren und nicht diskutieren. Hamburg sei eine Stadt, die sich auch ohne Olympische Sommerspiele weiterentwickeln werde. Allerdings machte Scholz auch deutlich, dass es keine städtebauliche Entwicklung des Kleinen Grasbrook geben werde.
Olaf Scholz räumt Niederlage ein
21:05 Uhr: "Hamburg wird sich nicht um die Austragung der Olympischen Spiele 2024 bewerben", sagte Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) am Sonntag im Rathaus der Hansestadt. Er räumte damit die Niederlage der Olympia-Befürworter beim Referendum ein.
20:52 Uhr: Olaf Scholz wird in wenigen Minuten vor die Kamera treten
20:32 Uhr: Jubel bei der Fraktion der Linken
20:16 Uhr: "Nur Olympia-Gegner lächeln"
20:10 Uhr: Die Kieler haben sich für die Ausrichtung der Segelwettbewerbe bei den Olympischen Spielen 2024 ausgesprochen. Bei dem zeitgleich zur Befragung in Hamburg ausgetragenen Referendum an der Förde stimmten 65,6 Prozent der Wahlberechtigten für die Fortsetzung der Bewerbung um das Sport-Großereignis.
19:50 Uhr: Das "Nein" zu Olympia verfestigt sich. 350 Wahllokale sind bereits ausgezählt. Demnach haben 52 Prozent gegen Olympia gestimmt, 48 Prozent dagegen.
"Das Ergebnis ist knapper als erwartet"
19:36 Uhr: Erste Stimmen der Olympia-Gegner. Sabine Lafrentz von Stop Olympia sagte: "Das läuft überraschend positiv. Ich denke, dass es darauf hinausläuft, dass Hamburg seine Bewerbung stoppen muss."
19:34 Uhr: Katja Suding, Vorsitzende der FDP-Bürgerschaftsfraktion: "Das Ergebnis ist knapper als erwartet. Aber noch kann man nicht viel sagen - die Briefwahlstimmen fließen jetzt ja erst ein."
19:32 Uhr: Stimmen aus dem Rathaus: André Trepoll, Vorsitzender der CDU-Bürgerschaftsfraktion: "Ich hätte nicht erwartet, dass es so ein enges Rennen wird. Wir müssen jetzt abwarten." Heike Sudmann, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Linken sagte: "Ich bin optimistisch, dass das Referendum die Bewerbung abwendet. Dann kann sich die Stadt endlich um die wirklichen Probleme kümmern."
Gedrückte Stimmung im Rathaus
19:10 Uhr: Die Journalisten warten im Rathaus weiter auf Olaf Scholz. Er wollte erst vor die Kamera treten, wenn das Ergebnis eindeutig ist. Die Gegner liegen mit 52,1 Prozent weiter vorn.
19:05 Uhr: Die Stimmung im Rathaus ist angesichts des aktuellen Trends gedrückt. Rund eine Stunde nach Beginn der Auszählung liegen die Olympia-Gegner knapp vorn
18:54 Uhr: HSV-Handballer Johannes Bitter (l) und Unternehmer Alexander Otto sind zwei von vielen Olympia-Befürwortern, die am Sonntagabend in die Barcleycard-Arena gekommen sind.
18:45 Uhr: Blick nach Kiel: Nach Angaben der Kieler Nachrichten sind nach 19 ausgezählten Bezirken 65 Prozent für die Olympia-Bewerbung.
18:40 Uhr: Kleiner Überblick über die Hamburger Bezirke: In Wandsbek stimmten bisher mit 54,5 Prozent im Vergleich die meisten für die Spiele. Besonders viele Nein-Stimmen kommen mit jeweils rund 55 Prozent aus Altona und Mitte.
Erster Trend: das wird knapp...
18:37 Uhr: Bisher sind 159 von 556 Wahllokalen ausgezählt. Es sieht knapp aus: 49,7 Prozent dafür; 50,3 Prozent voteten dagegen.
18:33 Uhr: Auch im Rathaus steigt die Stimmung. Sobald es ein gesichertes Ergebnis gibt, will Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) hier vor die Kamera treten.
18:25 Uhr: "Wir hatten keine Pannen", sagte Landeswahlleiter Will Beiß kurz nach der Schließung der Wahllokale.
18.22 Uhr: Auch in der Barcleycard-Arena steigt die Spannung. Hier soll es bei positivem Ausgang eine große Party geben
18.18 Uhr: Die ersten Auszählungsergebnisse laufen langsam ein. Stand jetzt: 50,2 Prozent ja, 49,8 Prozent nein.
18.17 Uhr: Kurz nach der Schließung der Wahllokale veröffentlichte das ZDF Umfrageergebnisse der Forschungsgruppe Wahlen. Diese hat rund 3800 Hamburger nach dem Urnengang befragt. Demnach stimmten 56 Prozent für Ja.
18.03 Uhr: Bis 17 Uhr gaben nach Angaben des Landeswahlamtes insgesamt 637.273 Menschen ihre Stimme ab - die meisten per Briefwahl. 67.789 Bürger suchten die Wahllokale auf. Die Beteiligung betrug zu diesem Zeitpunkt demnach 48,8 Prozent.
Olympia-Referendum: Der Tag der Entscheidung
So lief der Referendums-Tag in Hamburg
In dem Wahllokal am Gymnasium Hoheluft helfen vier Jurastudenten, die am Morgen etwas überrascht waren, dass bereits wenige Minuten nach der Öffnung der Wahllokale bereits die ersten Bürger zum Abstimmen eintrafen. Zudem seien es mehr Personen gewesen, als erwartet. Bis 10 Uhr kamen bereits rund 50 Hamburger. Es gab allerdings auch eine Panne zu vermelden. Wie ein Mann mitteilte, hätte seine verstorbene Frau auch einen Abstimmungsschein bekommen.
Eine weitere Panne ereignete sich in Eimsbüttel. Dort haben Denise Leo Hilla und ihr Mann zunächst nicht abstimmen können. Der Grund: Die beiden Hamburger hatten den Wahlbenachrichtigungsschein nicht dabei, nur ihre Personalausweise. Das Problem dabei war, dass der Computer Doppelnamen ohne Bindestrich nicht erkennen kann. "Kommen Sie doch bitte nachher wieder, bis wir eine Lösung haben", hieß es von den Wahlhelfern. Die beiden waren sehr verärgert. Dann doch die Rückmeldung aus dem zuständigen Bezirksamt: "Namen im Verzeichnis gefunden!" Die beiden konnten doch gleich abstimmen. "Das Bezirksamt hatte mir vor fünf Jahren den Bindestrich meines Nachnamens weggenommen, weil das zu umständlich sei", erzählte Frau Leo Hilla. Mit Leerzeichen scheint es aber auch nicht besser zu funktionieren.
Im Kundenzentrum St. Pauli an der Simon von Utrecht Straße war um 12 Uhr viel los. Viele St.-Pauli-Fans gaben ihre Stimme kurz vor dem Spiel gegen Nürnberg ab. Ralf, 55, ist gegen Olympia in Hamburg. Er fürchtet die Kosten, Verdrängung der alteingesessen Anwohner und höhere Mieten. Nicht so Flo und Steffi, beide 26. Sie sprechen sich für die Sommerspiele in Hamburg aus, weil es "eine tolle Sache wäre, die Spiele in der Stadt" zu haben. Zudem hoffen die beiden, dass die Infrastruktur dann ausgebaut werde und es dann mehr kulturelle Angebote geben wird. Auch im Bezirksamt Altona herrschte gegen 12:30 Uhr ein großer Andrang. Die Menschen stehen Schlange. Ein Trubel wie zu den Öffnungszeiten.
Relativ wenig los war bis zu den Mittagsstunden im Wahllokal an der Grundschule Trenknerweg in Othmarschen. Die meisten hätten bereits per Briefwahl abgestimmt, hieß es. Die Wahlhelfer nahmen die leeren Kabinen sportlich: "Dann sind wir mit der Auszählung eben schneller durch."
Briefwahlscheine werden zerrissen
Viele der wahlberechtigten Hamburger kommen mit ihrem ausgefüllten Wahlschein im rosa Umschlag in die Wahllokale. Da heißt es dann: "Zerreißen, bitte!" Wer seine Briefwahlunterlagen mitbringt, muss erneut wählen und den alten Stimmzettel vor den Augen der Wahlhelfer zerreißen, um doppelte Stimmen zu vermeiden. Briefwahlscheine können nur in den Briefwahlstellen abgegeben werden. Der zerrissene Schein darf nicht in den Mülleimer, sondern muss eingesteckt werden. Muss ja alles seine Ordnung haben. Bei Wahlvorstand Cord Zischang im Kundenzentrum st Pauli gibt es eine Mülltüte, die der Chef (er ist auch Leiter des Kundenzentrums) bewacht. Diese wird dann der Wahldienststelle am Abend übergeben.
Sowohl beim Referendum in Hamburg als auch beim Bürgerentscheid in Kiel, wo die Segelwettbewerbe stattfinden sollen, sehen Umfragen eine Mehrheit für die Olympia-Bewerbung. In der Hansestadt sind rund 1,3 Millionen Bürger abstimmungsberechtigt. Allein 569.484 Hamburger beteiligten sich im Vorfeld per Briefwahl. Das entspreche 43,6 Prozent der Wahlberechtigten, sagte Oliver Rudolf vom Landeswahlamt am Sonntagmorgen. Das sei deutlich mehr als etwa bei dem Volksentscheid über die Hamburger Schulpolitik im Jahr 2010, bei dem der Anteil der Briefwähler bei 34,1 Prozent gelegen habe.
Zahl der Gegner wächst
Um das Olympia-Referendum im Sinne der Befürworter zu entscheiden, müssen sie zum einen eine Mehrheit der abgegebenen Voten haben und zum anderen mindestens 20 Prozent der Stimmen aller Wahlberechtigten auf sich vereinen. In Kiel, wo fast 200.000 Menschen mitmachen können, müssen mindestens acht Prozent aller Wahlberechtigten Ja sagen, um die Segel-Bewerbung möglich zu machen.
Sowohl in Kiel als auch in Hamburg gibt es eine wachsende Zahl an Olympia-Gegnern, wobei in der Hansestadt der Widerstand größer ist. Sie befürchten unter anderem steigende Mieten und soziale Ausgrenzung und beklagen einen Missbrauch der Olympischen Idee durch Konzerne.
Im Zentrum der Kritik steht jedoch die Finanzierungsfrage. Hamburgs Senat hat für die öffentliche Hand Kosten von rund 7,4 Milliarden Euro veranschlagt, von denen die Hansestadt maximal 1,2 Milliarden Euro übernehmen will. Den Rest soll der Bund finanzieren. Eine Zusage steht jedoch weiter aus.
Neben Hamburg und dem Segel-Partner Kiel wollen sich Budapest, Paris, Rom und Los Angeles um die Spiele in neun Jahren bewerben. Die Entscheidung fällt das IOC 2017 in Lima (Peru).
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