Hamburg. Der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes über die Folgen des Neins für Athleten und Verbände.

Alfons Hörmann wirkte gefasst. Der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) hatte im Gästehaus des Senats an der Außenalster zuvor fast drei Stunden lang mit Bürgermeister Olaf Scholz die Auszählung des Referendums verfolgt. Jetzt musste er das Ergebnis im Foyer des Rathauses kommentieren; ein Ergebnis, das er so nicht erwartet hatte und das den deutschen Sport in seiner gesellschaftlichen und politischen Bedeutung weit zurückzuwerfen droht.

„Die Entscheidung ist ein herber Rückschlag, ein Tiefschlag“, sagte Hörmann mit ernstem Gesicht, aber klarer Stimme, „wir hatten gehofft, mit der Bewerbung um Olympische und Paralympische Spiele dem Sport in Deutschland eine neue Perspektive zu geben. Diese Chance wird es für die kommende Generation nun nicht geben. Wir hatten auf Rückenwind gesetzt, jetzt werden wir wahrscheinlich auf vielen Ebenen Gegenwind bekommen. Der olympische Gedanke und Deutschland passen offenbar nicht zusammen. Unser Ziel ist es nun, Sportdeutschland auch ohne die Vision der Olympischen Spiele weiterzuentwickeln.“ Was Hörmann nicht sagte, aber wohl fürchtet: Die Mittel, die von der öffentlichen Hand, von Bund, Ländern und Kommunen, für den Breiten- und Spitzensport zur Verfügung gestellt werden, könnten weiter gekürzt werden, weil sie für andere gesellschaftliche Aufgaben, Stichwort Flüchtlinge, derzeit dringend benötigt werden.

Hamburg habe über fast zwei Jahre in seiner Kampagne keine Fehler gemacht, betonte Hörmann, es sei gelungen, das Thema in der Stadt zu platzieren und eine gute Diskussion im Dialog mit den Bürgern zu führen. Das zeige allein die Wahlbeteiligung von 50 Prozent. Man habe aus den Fehlern von München gelernt, als im November 2013 nur knapp 29 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme beim Referendum abgaben. Die Münchner hatten ebenfalls mit rund 52 Prozent gegen eine Olympia-Bewerbung der Stadt für die Winterspiele 2022 gestimmt. Die finden jetzt in der chinesischen Hauptstadt Peking statt.

Auch von der Bundespolitik fühlte sich Hörmann nicht im Stich gelassen. Dass Berlin vor der Volksabstimmung kein klares Bekenntnis abgegeben habe, mit welchem Betrag sich der Bund an den Hamburger Olympiakosten beteiligen wolle, „was vermutlich hilfreich gewesen wäre“, dafür habe er Verständnis. „Schließlich ging es um Milliarden, da muss man schon ganz genau hinschauen und nachrechnen. Das hat der Bund getan.“ Es sei für ihn jedoch immer klar gewesen, dass sich Bund und Hamburg bei den Kosten einigen werden, anders sei auch der Auftritt von Bundesinnenminister Thomas de Maizière am Donnerstagnachmittag bei der Bewerbungsgesellschaft in der HafenCity nicht zu interpretieren gewesen. „Er hätte nicht nach Hamburg kommen müssen. Dass er es tat, war ein klares Bekenntnis zur Hamburger Olympia-Bewerbung.“

Der Tag hatte für Hörmann, 55, im 778 Kilometer entfernten Sulzberg im Allgäu begonnen, seiner derzeit schneebedeckten Heimatgemeinde. Nach dem morgendlichen Gottesdienst machte sich der DOSB-Präsident sofort Richtung Münchner Flughafen auf, schon gegen halb zwölf, „denn auf den Straßen hier kann immer was passieren“. Die Weitsicht zahlte sich aus, wegen eines Unfalls war die Autobahn vorübergehend wegen einer Ölspur gesperrt, Hörmann erreichte seinen Flug dennoch ohne Probleme. Pünktlich um 15.39 Uhr landete er dann mit Air-Berlin-Flug AB 6304 in Fuhlsbüttel.

Nein, nervös sei er nicht, sagte Hörmann bei seiner Ankunft am Terminal 1. „Wir haben alles, was möglich war, getan, wir haben Pflicht und Kür gewissenhaft erledigt, jetzt warten wir wie ein Eiskunstläufer darauf, was die Punktrichter in Hamburg und Kiel entscheiden.“ In den vergangenen Wochen und Monaten war Hörmann fast jeden zweiten oder dritten Tag in Hamburg, „ich weiß gar nicht wie oft“, um in Veranstaltungen für die Fortsetzung der Olympiakandidatur zu werben. „Und ich hatte bis zum Schluss das Gefühl, dass die Menschen unseren Argumenten folgen können. Olympia hätte die Stadt und Sportdeutschland auf vielen Ebenen vorangebracht. Davon bin ich nach wie vor überzeugt.“ Hörmanns erster Weg in Hamburg hatte ihn vom Flughafen ins Rathaus geführt, wo er zum Interview mit der ARD-„Sportschau“ verabredet war. Dort verbreitete er eine Stunde vor Schließung der Wahllokale noch Optimismus.

Die Stunde der Niederlage. Hörmann
spricht im Rathaus
Die Stunde der Niederlage. Hörmann spricht im Rathaus © Bongarts/Getty Images

Das Nein der Hamburger sagte Hörmann später, dann schon wieder etwas kämpferischer gestimmt, werde zu keiner Resignation der handelnden Personen im DOSB führen, „wir haben, um es einmal positiv zu formulieren, nun Zeit für andere Projekte gewonnen“. Olympia aber, das habe er in vielen Gesprächen mit Politikern, Unternehmern und Verbänden festgestellt, „war ein Türöffner einer ganz anderen Qualität. Mit diesem Thema sind wir in Kreise gelangt, die dem Sport sonst eher verschlossen bleiben“. Schon die zurückliegende Olympiakampagne habe zahlreiche positive Effekte für Hamburg gezeitigt, international habe sie zu größerer Bekanntheit geführt, national zu Solidarität mit der Stadt. Hörmann: „Selbst in Berlin, das Hamburg ja in der nationalen Ausscheidung unterlegen war, hatten viele für das Referendum die Daumen gedrückt.“

Es sei sehr schade, dass es nun anders gekommen sei, vor allem für Hamburg: „Olympische Spiele wird es hier in den nächsten 50 Jahren nicht geben. Das ist sicher“, sagte Hörmann. „Dabei passte das Konzept perfekt in die neue Ausrichtung des Internationalen Olympischen Komitees. Es war maßgeschneidert für die Reformagenda 2020. Deutschland hätte ein Zeichen für die Erneuerung Olympias setzen können, mit bescheidenen Spielen, die der Stadt keine Ruinen, sondern einen neuen Stadtteil hinterlassen hätte, den ersten voll inklusiven der Welt.