Hamburg. Steuereinnahmen durch die Spiele seien in Kalkulation nicht berücksichtigt. Auch Olympiagegner erhalten vor Referendum starken Zulauf.
Keine Debatte beschäftigt Hamburg unmittelbar vor dem Ende des Olympia-Referendums so sehr wie die Kostenfrage. Viele Kritiker befürchten, dass der Senat das finanzielle Risiko unterschätze. Der Wirtschaftswissenschaftler Wolfgang Maennig, 1988 Ruder-Olympiasieger im Achter, ist dagegen überzeugt, dass Hamburg die Kosten zu hoch veranschlagt habe. Allein das Olympiastadion sei viel günstiger zu bauen als für die angesetzten 600 Millionen Euro. „Der Maßstab dürfen nicht die Stadien von London oder Peking sein. In Hamburg planen wir nur eine temporäre Arena“, sagte Maennig bei einer Veranstaltung der Laureus-Sportstiftung im „Mercedes me Store“ am Ballindamm.
Maennig empfahl, sich an den für die WM 2006 neu erbauten Stadien zu orientieren, die im Schnitt nur 100 Millionen Euro gekostet hätten. Zudem plädiert er dafür, mehr private Investoren für Olympia ins Boot zu holen. Sportstaatsrat Christoph Holstein verteidigte die Kalkulationen gerade vor dem Hintergrund des Finanzdesasters beim Bau der Elbphilharmonie: „Dort wusste jeder, dass ein Konzerthaus dieser Güte für 77 Millionen Euro nicht zu bauen ist.“ Deshalb habe man nun sehr bewusst entsprechend großzügig Puffer wie die Inflationsrate eingebaut.
Auch der Bund der Steuerzahler Hamburg befürwortet jetzt „nach sorgfältiger Abwägung von Nutzen und Lasten“ und Studium des 114-seitigen Finanzreports eine Olympia-Bewerbung. „Dieser Finanzplan ist eine solide und realistische Darstellung der potenziellen Kostenfaktoren und beinhaltet die derzeit gebotenen Sicherheitsaufschläge“, sagte Lorenz Palte, der Vorsitzender des lokalen Steuerzahlerbundes.
Dabei seien mögliche Steuereinnahmen im Rahmen der Austragung der Spiele bisher im Finanzreport aus Gründen der kaufmännischen Vorsicht nicht einmal einkalkuliert worden. „Auch unter Berücksichtigung von Sicherheitsabschlägen gehen wir davon aus, dass bis 2040 erhebliche Teile des Hamburger Anteils durch Steuereinnahmen refinanziert werden könnten“, schreibt der Steuerzahlerbund. Dank dieser Zuflüsse könne sich auch der Bundesanteil kalkulatorisch reduzieren. Palte: „Diese in der öffentlichen Diskussion bisher nicht genannten und schwer quantifizierbaren Einnahmen könnten am Ende das positive Zünglein an der Waage bei den Verhandlungen mit dem Bund werden.“
Allerdings erhalten auch die Olympiagegner in den letzten Tagen vor dem Referendum starken Zulauf. Die Volksinitiative „Stop Olympia Hamburg“ hat jetzt 13.000 Unterschriften gesammelt. Die Liste soll am Montag um 14.30 Uhr im Rathaus der Senatskanzlei übergeben werden. Werden von den Behörden mindestens 10.000 dieser Unterschriften anerkannt, kann die Initiative ein Volksbegehren gegen Olympia auf den Weg bringen – jedoch erst nach Ablauf der Legislaturperiode der Bürgerschaft, wohl also nicht vor März 2020.
So lange gilt das Votum des aktuellen Referendums. „Es zeigt sich, dass der frühe Referendumstermin nur ein Ziel hatte: so viel wie möglich von der anfänglichen Olympia-Euphorie mitzunehmen, bevor die Zweifel der Hamburger zu groß werden. Und diese Zweifel sind mehr als berechtigt“, sagte Vertrauensfrau Sabine Lafrentz.
Das Ende der Olympiakampagne träfe vor allem den Breitensport. Die Bewerbungsgesellschaft würde sofort aufgelöst, die für Olympia abgestellten Beamten kehrten in ihre Behörden zurück. Im Rahmen der Dekadenstrategie würden in Hamburg die Sanierung öffentlicher Fußballplätze, der Neubau und die Instandsetzung von Schulturnhallen zwar wie geplant bis 2020 fortgesetzt, danach dürften aber Projekte aus anderen gesellschaftlichen Bereichen auf der Agenda des Senats wieder nach vorne rücken, fürchtet der Hamburger Sportbund. Auch die angelaufene Bewerbungsoffensive um Welt- und Europameisterschaften dürfte bei einem Nein gestoppt werden. Die zuletzt akquirierten Veranstaltungen wie das Beachvolleyball-Weltserienturnier im Juni 2016, die Box-WM im August 2017, die Endrunde der Frauenhandball-WM im Dezember 2017 und die Rollstuhlbasketball-WM 2018 werden aber in Hamburg ausgetragen.
„Dank der Olympia-Bewerbung hat der Sport in der Stadt den Stellenwert erhalten, der ihm aufgrund seiner vielfältigen Leistungen in den Bereichen Gesundheit, Soziales und Integration auch gebührt“, sagt Sportstaatsrat Holstein. Ob dieser Status ohne Olympia behauptet werden kann, da hat der SPD-Politiker seine Zweifel.
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