Hamburg. Für die meisten Politiker im Rathaus ist es ein frustrierender Abend – Linke und die AfD dürfen sich dagegen zu den Gewinnern zählen.
Für einen Moment an diesem Abend schien die Welt der Olympiabefürworter in Ordnung. Als das ZDF kurz nach 18 Uhr einen Abstimmungstrend veröffentlichte, wonach 56 Prozent der Hamburgerinnen und Hamburger für die Bewerbung um Olympische Sommerspiele gestimmt hätten, sah man im Rathaus vor allem entspannte Gesichter. Politiker wie die Fraktionschefs Andres Dressel (SPD), Anjes Tjarks (Grüne), André Trepoll (CDU) und Katja Suding (FDP) standen zusammen und diskutierten mit Kollegen und Journalisten locker über die Wahlbeteiligung und das Wahlrecht – an eine Niederlage dachte in dem Moment wohl niemand von ihnen.
Doch die Wohlfühlstimmung hielt keine halbe Stunde. Als das Landeswahlamt um 18.28 Uhr im Raum 151 des Rathauses die ersten Ergebnisse aus den Abstimmungslokalen per Beamer an die Wand warf, war die Überraschung groß: Die Gegner der Olympiabewerbung lagen mit 50,3 Prozent vorn. Das schien noch sehr knapp. Doch je länger der Abend dauerte, desto mehr stabilisierte sich der Vorsprung der Nein-Stimmen bei etwa 52 zu 48 Prozent. Erst gegen Ende der Auszählung konnten die Olympiabefürworter noch einmal leicht aufholen. Doch es reichte nicht: Um 22 Uhr verkündete Landeswahlleiter Willi Beiß im Rathaus das Endergebnis: 51,6 zu 48,4 für die Gegner.
Unter den zahlreichen Politikern, die bis auf die Linke und die etwas unentschiedene AfD sich für eine Olympiabewerbung ausgesprochen hatten, hatte sich da längst Katerstimmung breit gemacht. Zeitweise war im Raum 151 kaum ein Mucks zu hören. Viele Politiker trugen eine Grabesmiene zur Schau und unterhielten sich nur flüsternd.
Die Grünen-Bürgerschaftsabgeordnete Christiane Blömeke verwies auf die verschiedenen Einflüsse außerhalb Hamburgs. Die Terroranschläge in Paris und der Fifa-Skandal dürften einen wichtige Rolle beim Abstimmungsverhalten gehabt haben. Blömeke bewertete die hohe Beteiligung von fast 50 Prozent an dem Referendum als einen Erfolg. Das zeige, dass dieses Instrument funktioniere.
CDU-Fraktionschef André Trepoll meinte schon früh, er habe ein so enges Rennen nicht erwartet – da hatte er noch Hoffnung auf eine Trendwende. Später räumte er ein, dieses Ergebnis sei nun „zu akzeptieren“. Auch FDP-Fraktionschefin Katja Suding wollte lange nicht wahrhaben, dass die Nein-Stimmen überwiegen. Später ging sie vorsichtig zur Regierungskritik über und nannte die „Uneinigkeit bei Rot-Grün“ als einen Grund des Scheiterns.
„Olaf Scholz hat sich das selbst zuzuschreiben, weil er es nicht geschafft hat, eine Finanzierungszusage des Bundes vorzulegen“, sagte Alexander Wolf (AfD). Auffallend sei zudem, dass es trotz der breiten Mehrheit in der Bürgerschaft und in der Wirtschaft für die Bewerbung nur knapp 49 Prozent Zustimmung gibt. „Das zeigt, dass die Bindungswirkung der etablierten Politik zurückgeht.“
Die Stimmung bei den Olympiagegnern, die ebenfalls zahlreich ins Rathaus gekommen waren, war natürlich positiv. Anfangs mochten viele noch gar nicht an den eigenen Erfolg glauben. Doch je mehr Abstimmungsergebnisse eintrafen, desto gelöster und freudiger ging es bei den Gegnern zu. „Ich denke, dass es darauf hinausläuft, dass Hamburg seine Bewerbung stoppen muss“, sagte Sabine Lafrentz von der Initiative Stop Olympia schon gegen 19.15 Uhr. Sie behielt Recht.
Um 21 Uhr gestanden Bürgermeister Olaf Scholz (SPD), die Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank und Deutschlands Olympia-Chef Alfons Hörmann in der Diele des Rathauses die Niederlage ein (siehe Seite 1). Auch die rot-grünen Fraktionschefs Dressel und Tjarks kehrten zurück. „Ich bin tief enttäuscht“, rang der schwer frustrierte Dressel um Worte. Tjarks räumte er ein, dass er sich über die 56-Prozent-Umfrage des ZDF um 18 Uhr gewundert habe: „Ich hatte erwartet, dass es knapp wird. Und natürlich hätte ich mir ein anderes Ergebnis gewünscht.“
Die Linke-Fraktionschefin Sabine Boeddinghaus nahm da schon Glückwünsche entgegen: „Mit diesem Referendum hat Olaf Scholz und mit ihm der rot-grüne Senat eine Vertrauensabstimmung verloren“, sagte sie.
Wer sich die Zahlen genauer anschaute, konnte die Verteilung der Stimmen erkennen. Die Gegner einer Olympiabewerbung leben vor allem in Altona und in Hamburg-Mitte. Die Unterstützer dagegen sind vor allem in Wandsbek, Hamburgs bevölkerungsreichsten Bezirk, zu finden. In Nord und Eimsbüttel gab es nur einen leichten Vorsprung für die Gegner.
Nachdem bereits knapp 570.000 Hamburger per Brief abgestimmt hatten, war auch am Abstimmungstag die Beteiligung überraschend hoch. „Ich mag diesen Akt der Abstimmung in der Wahlkabine gern“, sagte etwa Florence, 33, die am Gymnasium Hoheluft ihre Stimme abgab.