Zeitungen genießen weiterhin das höchste Vertrauen unter allen Medien und leben von der Nähe zum Leser. Politikwissenschaftler diagnostiziert aber auch einen „Gewissheitsschwund“ in der Gesellschaft.

Hamburg. Der Blick von außen auf den Lokaljournalismus ist ja oft recht hilfreich. Der Politikwissenschaftler Karl-Rudolf Korte (Universität Duisburg-Essen) diagnostizierte jetzt beim Forum Lokaljournalismus (in diesem Jahr ausgerichtet vom Hamburger Abendblatt) einen „Gewissheitsschwund“ in der Gesellschaft. Heißt: Was die Bürger über Politik wissen, erfahren sie zum großen Teil aus ihren Medien. Doch nicht immer bringen sie die Fakten so gerade zusammen, wie das von ihnen als Staatsbürgern erwartet werde. So habe er, sagte Prof. Korte, an einem Stand der Piratenpartei in einer Fußgängerzone eine ältere Dame beobachtet. Sie sei auf die jungen Männer dort zugegangen. Denn die etablierten Parteien kenne man ja. „Jungs, was ihr macht, finde ich gut“, habe sie gesagt. „Aber was eure Partei da in Somalia macht, ist wirklich nicht gut.“

Die Gewissheit über die politischen Verhältnisse sind aber Voraussetzung für die richtige Wahl des gewollten politischen Führungspersonals. „Der Lokaljournalismus ist ein Qualitätsgarant für die Demokratie“, lobte Korte. Doch die Standards müssten gehalten werden. Die Zeitung genieße laut Umfragen unter allen Medien das höchste Vertrauen. Dennoch müsse sie sich weiterentwickeln. Als „Formatgeber der Politik“ müssten sich Zeitungsmacher fragen, welche Antworten sie auf die rasante Entwicklung digitaler Informationsangebote gäben.

Vor allem Bürgerproteste wie das lokal entstandene Forum zu Stuttgart 21 hätten gezeigt, dass die Medien sich für diese Herausforderungen rüsten sollten, um nicht am Publikum vorbeizuschreiben. „Es gibt eine Medienempörung und eine Publikumsempörung“, erklärte Korte. Die Schere zwischen beiden dürfe nicht weiter auseinander gehen. Sonst ist nämlich auch die Politik darüber irritiert. „Sie leben von Nähe“, mahnte Korte die Zeitungsmacher im Lokalen. Dieser enge Bezug zur Lebenswirklichkeit dürfe bei den Journalisten und Medienmachern nicht verloren gehen.

In dieselbe Kerbe schlug der Bürgermeister der sauerländischen Stadt Arnsberg, Hans-Josef Vogel. Er glaubt, dass die Bedeutung des Lokalen sogar noch wachsen werde. Unverständlich für ihn ist deshalb, dass einige Medien sich entschlossen hätten, im Lokalen zu kürzen. Gerade die Veränderungen der großen Politik würden vor Ort sichtbar.

Beispiel Demografie: Die Feuerwehr habe keinen Nachwuchs mehr, der Einzelhandel sterbe aus. Und die sogenannte große Politik werde immer bürokratischer, weil ihr der Bezug zum Bürger in der Region fehle. Arnsberg wollte eigene Parkplätze für klimaschonende Autos einrichten. Geht nicht, habe das Bundesverkehrsministerium geschrieben, das sei rechtlich nicht möglich. Und Vogel warnte: In der Region nehme die Bereitschaft ab, sich politisch zu engagieren, wenn die Berichterstattung weiter zurückgefahren werde. Das sehe man bereits in einigen Regionen in Mecklenburg-Vorpommern.

Und der Bürgermeister appellierte an die etablierten Medien, die ausländischen Mitbürger in der Berichterstattung nicht zu vernachlässigen, „und nicht nur bei Kriminalfällen über sie zu berichten“. Vogel sagte: „Es gibt da einen weißen Flecken in der Berichterstattung.“ Allein Arnsberg beheimate 120 Nationalitäten. Eine Emnid-Umfrage habe ergeben, dass 70 Prozent der Bürger ihre Nachrichten in der Zeitung suchten, nur 28 in sozialen Netzwerken wie Facebook. Vogels Blick nach vorn war versteckt optimistisch formuliert: „Die Zukunft ist ungewiss, weil wir sie gestalten können.“