Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz nennt beim Lokaljournalisten-Forum notwendige Schritte für die Zukunft des Journalismus und sichert seine Unterstützung zu. Die Branche brauche ein neues Selbstbewusstsein.

Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) hat den großen Wert des Journalismus für die Gesellschaft betont. „US-Präsident Barack Obama spricht davon, dass Journalismus die ‚conversation of democracy’ gewährleisten müsse", sagte Scholz am Freitag beim 21. Forum Lokaljournalismus in der Handwerkskammer vor leitenden Redakteuren von Regional- und Lokalzeitungen aus ganz Deutschland. „In der Tat ist kaum vorstellbar, wie unser Gemeinwesen ohne die Beiträge kompetenter und unabhängiger Journalistinnen und Journalisten funktionieren könnte." Die Gesellschaft sei „angewiesen darauf, dass in Zeitungen und Zeitschriften, Nachrichtensendungen und Reportagen, Blogs und Tickerdiensten die wesentlichen Nachrichten aufbereitet und verbreitet werden". Durch journalistische Vermittlung entstünden Gesprächsfäden in unserer Gesellschaft, so dass man gemeinsam identifizieren könne, was relevant ist und worum wir uns als Gesellschaft kümmern müssen.

„Es gibt den alten Satz von Hanns-Joachim Friedrichs, dass sich Journalismus mit keiner Sache gemein machen dürfe, auch nicht mit einer guten", so Scholz. „Diese Forderung darf nicht mit Standpunktlosigkeit verwechselt werden. Sich nicht gemein zu machen bedeutet nicht, dass einem alles einerlei ist. Im Gegenteil. Journalismus hat immer einen Standpunkt und mehr noch einen Standort."

Der Bürgermeister ging auch auf die Krise der Zeitungen durch sinkende Printauflagen und wegbrechende Werbeeinnahmen ein. „Zum ersten Mal in der Geschichte stehen Medienhäuser damit vor der Aufgabe, Journalismus zum tatsächlichen Preis und weitgehend ohne Quersubventionierung an den Markt zu bringen – und das nachdem sich in den letzten anderthalb Jahrzehnten im Netz eine Gratiskultur entwickelt hat, gegenüber der sie ohnehin kaum einen Preis überzeugend rechtfertigen können", so Scholz. „Dennoch müssen Sie jetzt anfangen, Journalismus auch im Netz zu verkaufen, wenn Sie wollen, dass Journalismus auch morgen und übermorgen noch einen Wert hat, der seinen Bestand sichern kann."

Die Politik könne die neuen journalistischen Geschäftsmodelle nicht entwickeln, „aber sie kann die Rahmenbedingungen so gestalten, dass sie sich entwickeln können", sagte der Hamburger Bürgermeister. „Dazu sind wir gerne bereit."

Zur Lösung der aktuellen Probleme nannte Scholz drei aus seiner Sicht notwendige Schritte. Erstens müsse man sich um „Mediengeschäftsmodelle und ihre Rahmenbedingungen kümmern". Die Aufgabe der Politik sei es hier zunächst, „das Gespräch zwischen allen in der Branche zu ermöglichen und notfalls auch zu erzwingen". Zweitens müsse die Journalistenausbildung weiter modernisiert werden. Und: „Wer den Journalismus als Beruf erhalten will, der muss sich drittens um das Selbstbewusstsein von Journalistinnen und Journalisten kümmern – und zwar im Wortsinne", so der Bürgermeister. „Journalismus ist für mich Dienst an der Demokratie. Ohne Journalistinnen und Journalisten, die unabhängig und unerschrocken berichten, was passiert, nützten die schönsten Beteiligungsmöglichkeiten nicht, weil sie nicht informiert genutzt werden können."

Jan Bayer, Vorstandsmitglied der Axel Springer AG, betonte in seiner Rede die Chancen, die in der aktuellen Krise für den Journalismus lägen. Wenn es der Branche nicht ergehen solle, wie den mittlerweile vom Markt verschwundenen Herstellern von Fotofilmen oder Enzyklopädien, müsse sie sich allerdings auf den Wandel einstellen. Jahrzehntelang sei die „Zeitung auf der Fußmatte" ein Ritual des Lebens der meisten Menschen gewesen. Nun aber ändere sich der Alltag, und die Zeitung sei nicht mehr überall Teil eines Rituals. Mit Blick auf die neue Konkurrenz, auch in den lokalen Märkten werde es für den Journalismus daher immer wichtiger „dort zu sein, wo die Menschen sind". Bürgermeister oder Pfarrer dürften die Agenda der lokalen Berichterstattung nicht mehr dominieren, „wir müssen mehr ergründen, was die Menschen bewegt", so Bayer.

Zudem sei es wichtig, auch innerhalb der Verlage, interdisziplinärer zu arbeiten und „Wände einzureißen", um die große Kreativität noch stärker zu nutzen, die in den Medienunternehmen versammelt sei. Das bedeute allerdings nicht, dass die Trennung zwischen Geschäftsinteressen und Redaktionen aufgehoben werden dürfe, so der Springer-Vorstand. Im Gegenteil. Gerade diese Trennung sichere die Unabhängigkeit des Journalismus – und mache einen wesentlichen Unterschied zur nicht-journalistischen Konkurrenz aus.