Banken und Sparkassen bieten 100-Prozent-Finanzierung an. Historisch niedrige Zinsen. Viele nehmen auch ungewöhnlich hohe Schulden auf.
Hamburg. Der Traum von den eigenen vier Wänden ist groß. Immer mehr Hamburger leisten sich inzwischen sogar Immobilien, ohne eigene Ersparnisse einbringen zu können. "Die Zahl der Ratsuchenden, die wenig oder gar kein Eigenkapital haben, nimmt zu", sagt Christian Schmid-Burgk von der Verbraucherzentrale Hamburg. Diejenigen, die finanziell gut ausgestattet seien, hätten sich ihr Haus oder ihre Wohnung längst gekauft. Jetzt drängten neue Käuferschichten auf den Markt.
Viele nehmen auch ungewöhnlich hohe Schulden auf, um in die eigene Immobilie ziehen zu können. Die durchschnittliche Darlehenssumme der Hamburger stieg von 2009 bis November 2012 um 45 Prozent auf jetzt 262.187 Euro. Das geht aus einer Studie des Baugeldvermittlers Bauf24 hervor, die dem Abendblatt exklusiv vorliegt. Im gleichen Zeitraum reduzierte sich die Eigenkapitalquote der Hamburger von 24 auf 16,6 Prozent.
Dank der historisch niedrigen Zinsen von 2,50 Prozent für eine zehnjährige Baufinanzierung können sich die Erwerber auch hohe Kaufpreise mit einer relativ niedrigen Monatsbelastung leisten. Selbst 300.000 Euro Kredit kosten monatlich nur knapp 900 Euro (bei einem Prozent Tilgung). "Das verleitet auch Haushalte mit geringem Einkommen und wenig Ersparnissen zum Immobilienkauf", sagt Ralf Weitz, Geschäftsführer Baufinanzierung bei Immobilienscout24. "Wenn das Zinsniveau wieder ansteigt, gerät die Anschlussfinanzierung für diese Niedrigverdiener in Gefahr." So hatten auch die Immobilienkrisen in Spanien, Irland und den USA begonnen.
Banken finanzieren Immobilien auch zu 100 Prozent. Nur die Erwerbsnebenkosten wie Notargebühren und Maklercourtage müssen die Kunden selbst tragen. Nach Einschätzung der Verbraucherzentrale Hamburg bietet die Hamburger Sparkasse (Haspa) attraktive Konditionen bei einer Vollfinanzierung. Die Sparkasse Harburg-Buxtehude finanziert Immobilien sogar bis 110 Prozent. Daneben gibt es noch weitere Modelle, das fehlende Eigenkapital zu ersetzen. Während die Banken 80 Prozent des Kaufpreises finanzieren, werden die restlichen 20 Prozent über staatliche KfW-Förderkredite aufgebracht. Hilfestellung geben dabei Förderbanken wie die Wohnungsbaukreditanstalt Hamburg, die dann auch das Risiko eines Kreditausfalls tragen.
Die Verbraucherzentrale Hamburg sieht keinen Anlass, generell vor Vollfinanzierungen zu warnen. Im Gegenteil: Sie macht Kaufwillige darauf aufmerksam, dass es solche Modelle gibt und mit welchen Banken sie realisiert werden können. "Natürlich muss das zur gesamten finanziellen Situation passen", sagt Schmid-Burgk. Aber angesichts der steigenden Preise sei der Ratschlag, erst einmal zu sparen, nicht wirklich sinnvoll. Die Experten raten zu einer langen Zinsbindung von 20 und mehr Jahren und zu einer erhöhten Tilgung, um die Risiken zu begrenzen.
Die inzwischen deutlich vernehmbaren Warnungen vor einer Preisblase hält die Bundesbank noch für unbegründet, auch wenn sie die Entwicklung am Immobilienmarkt mit Sorge beobachtet. Erfahrungen aus anderen Ländern zeigten, dass es gerade in einem Umfeld niedriger Zinsen und hoher Liquidität zu Übertreibungen an den Immobilienmärkten kommen könne, sagte Bundesbank-Vorstand Andreas Dombret. Im Moment sei dies in Deutschland aber noch nicht der Fall.
Ungewiss ist, wie lange die große Nachfrage nach Wohneigentum anhalten wird. Der Immobilienverband IVD rät bereits zum Verkauf: "Gerade weil alle anderen kaufen wollen, ist jetzt der ideale Zeitpunkt." Derzeit seien "kräftige Gewinnmitnahmen" drin.