Grund für den Wohnungsmangel: Sünden der Vergangenheit. In den letzten zehn Jahren wurden in Hamburg viel zu wenig Wohnungen gebaut.
Hamburg. In Hamburg werden einer Studie zufolge bereits in fünf Jahren bis zu 50.000 Mietwohnungen fehlen. „Wenn der Wohnungsbau in Hamburg nicht deutlich zulegt, klafft eine enorme Lücke“, sagte Matthias Günther, Leiter des Hannoveraner Pestel-Instituts, am Mittwoch. Auch der vom SPD-Senat angestrebte Bau von jährlich 6000 Wohnungen werde das Problem vorerst nicht lösen. „Bezahlbare Wohnungen werden zur Mangelware“, sagte Günther.
Das Pestel-Institut hatte im Auftrag des Deutschen Mieterbunds (DMB), der Gewerkschaft Bauen-Agar-Umwelt (IG BAU), dem Bundesverband Deutscher Baustoff-Fachhandel (BDB) und der Deutschen Gesellschaft für Mauerwerks- und Wohnungsbau (DGfM) die Wohnungssituation in Hamburg untersucht. Man habe dabei - vereinfacht gesagt - auf Grundlage der Zahlen vergangener Jahre die künftigen Einwohnerzahlen hochgerechnet und daraus den Bedarf an Mietwohnungen ermittelt.
Günther führt die schwierige Situation auf Versäumnisse in den vergangen fünf bis zehn Jahren zurück. „Die größte ‚Bausünde’ war, dass zu wenig neu gebaut wurde.“ Vor allem der Mietwohnungsbau sei vernachlässigt worden - nicht zuletzt wegen der schlechten Rahmenbedingungen. Gemessen am gesamten Wohnungsbestand machten die neu gebauten Wohnungen pro Jahr lediglich 0,42 Prozent aus.
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Der SPD-Senat hat mit den sieben Bezirken und der Wohnungswirtschaft ein „Bündnis für das Wohnen“ geschlossen. In dessen Rahmen sollen jährlich 6000 Wohnungen, davon ein Drittel Sozialwohnungen, gebaut werden. Im vergangenen Jahr wurden nach Angaben der Baubehörde in der Hansestadt Genehmigungen für den Bau von 5061 Wohnungen erteilt. 3.729 Wohnungen wurden 2011 fertiggestellt.
Zudem gibt es seit diesem Jahr einen zweiten Förderweg für den sozialen Wohnungsbau . Wer eine Wohnung im 1. Förderweg errichtet, darf den Quadratmeter für nicht mehr als 5,90 Euro vermieten. Bei im zweiten Förderweg errichteten Wohnungen sind höchstens acht Euro pro Quadratmeter erlaubt. Auf Grund hoher Baukosten sind frei finanzierte Wohnungen in Hamburg nicht unter elf Euro pro Quadratmeter vermietbar.
Insgesamt gibt es in der Hansestadt rund 890.000 Wohnungen. Rund 260.000 Wohnungen werden von dem städtischen Wohnungskonzern Saga/GWG und den Wohnungsgenossenschaften angeboten. Dem Mieterbund zufolge fehlen bereits jetzt bis zu 40.000 Wohnungen in der Hansestadt.
Nach den Worten von Institutschef Günther ist das hohe Alter von Hamburgs Bausubstanz ein weiteres Problem. Rund 66 Prozent der Wohnungen in der Hansestadt stammten aus der Zeit vor 1970. Vielen Wohnungen seien innerhalb kurzer Zeit in den Nachkriegsjahren errichtet worden. „Ein Großteil dieser Wohnungen ist weit von dem entfernt, was heute Standard ist: beim Energieverbrauch, bei der altersgerechten, barrierearmen Ausstattung und beim Grundriss“, sagte Günther.
Der Institutsleiter plädierte für mehr und bessere steuerliche Anreize für den Mietwohnungsbau. Denkbar wäre die Erhöhung des jährlichen Abschreibungssatzes von derzeit zwei auf vier Prozent. „Bei einem Neubau haben viele Teile eine Lebensdauer von nicht einmal 25 Jahren.“ Dazu gehörten Heizkessel, Wärme- und Wasserpumpen, Außen- und Innenanstrich.