Die P+S-Werften in Mecklenburg-Vorpommern melden Insolvenz an. Der deutsche Schiffbau muss schweren Schlag einstecken kämpft ums Überleben.
Hamburg. Der deutsche Schiffbau muss erneut einen herben Schlag verkraften. Die P+S-Werften, mit Standorten in Stralsund und Wolgast das größte Unternehmen der Branche in Mecklenburg-Vorpommern, haben gestern Insolvenz angemeldet. Betroffen sind inklusive der Auszubildenden insgesamt rund 1900 feste Mitarbeiter. Die Geschäftsführung um Rüdiger Fuchs beantragte beim Amtsgericht Stralsund ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung. Das Management des Unternehmens hätte in diesem Fall mehr Spielraum, um die Sanierung selbst mitzugestalten. Anstelle eines Insolvenzverwalters würde das Gericht einen Sachwalter bestellen. Eine Entscheidung darüber fällt womöglich heute.
Vordringlich geht es laut Fuchs darum, die Finanzierung des Betriebs zu sichern. "Wir beantragen Insolvenzgeld für unsere Mitarbeiter und sehen, dass wir ein Massedarlehen für den Baubetrieb bekommen", sagte er dem Abendblatt. Mit dem Insolvenzgeld werden die Vergütungen bis Oktober gesichert.
Unklar ist, woher ein Massedarlehen für den Weiterbetrieb kommen könnte. Das Bankenkonsortium von P+S wird angeführt von der NordLB, auch die Bank KfW Ipex zählt dazu. Die NordLB in Hannover meldete gestern vor allem wegen der Krise der Schifffahrt einen starken Gewinnrückgang. Die Schifffahrt wie auch der Schiffbau in Deutschland leiden zunehmend an Kapitalmangel. Die Commerzbank zieht sich aus der maritimen Wirtschaft wegen schlechter Perspektiven ganz zurück. Die weltgrößte Schiffsfinanzierungsbank HSH Nordbank in Hamburg reduzierte ihr Kreditportfolio aufgrund von Sanierungsauflagen der Europäischen Kommission um etwa ein Drittel auf 20 Milliarden Euro.
Auch von der öffentlichen Hand kann P+S derzeit keine Hilfe mehr erwarten: Bund und Land hatten in der vergangenen Woche die weitere Auszahlung von Hilfsmitteln gestoppt. Im Mai waren unter Vorbehalt der EU-Kommission 152,4 Millionen bewilligt worden, um der Doppelwerft aus ihrer Finanzklemme zu helfen. Nach Gesprächen der Geschäftsführung mit Auftraggebern und Zulieferern war aber im Lauf dieses Monats klar geworden, dass die Mittel nicht ausreichen, um P+S vor der Insolvenz zu bewahren.
Das Unternehmen folgt einer Reihe deutscher Werften, die in den vergangenen Jahren Insolvenz anmelden mussten. Mit Beginn der Welt-Finanzmarktkrise im Jahr 2008 hatte sich die Erosion des deutschen Seeschiffbaus erneut beschleunigt. Die Lindenau-Werft in Kiel, spezialisiert auf Doppelhüllentanker, ist nach langer Insolvenz nur noch ein Schatten ihrer selbst. Schichau Seebeck in Bremerhaven ging unter. Nordic Yards in Wismar und Rostock, die früheren Wadan Werften, arbeiten seit 2009 nach einer Insolvenz unter Regie des neuen russischen Investors Witali Jussufow am Wiederaufbau. Deutschlands ältestes Werftunternehmen Sietas in Hamburg musste Ende 2011 Insolvenz anmelden. Die einzelnen Betriebsteile wurden in diesem Jahr an verschiedene Investoren verkauft.
Die Anteile an den P+S-Werften in Stralsund und Wolgast waren 2010 vom damaligen Mehrheitseigner, der Bremer Hegemann-Gruppe, an eine Treuhandgesellschaft überführt worden, um das Unternehmen zu sanieren. Dies schien auch zu gelingen, das Auftragsbuch war mit verschiedenen Schiffstypen gut gefüllt. Allerdings täuschte das über die wahre Lage des Unternehmens hinweg. Zwei Fähren für die Reederei Scandlines konnten in diesem Jahr nicht wie vereinbart abgeliefert werden. Das führte letztlich zur Insolvenz.
"Die Kollegen und Kolleginnen können Spezialschiffe bauen, wenn man sie nicht überfordert", sagte Fuchs, der am 7. August die Geschäftsführung bei P+S übernommen hatte. Als Grund für die finanziellen Probleme nannte er frühere Managementfehler. Die Volkswerft in Stralsund, die jahrelang nur Containerschiffe gebaut hatte, habe auf dem Weg zum Spezialschiffbauer zu viele Neukonstruktionen in zu kurzer Zeit übernommen. "Man hat sich zu viel vorgenommen", sagte Fuchs.
Der Manager will sein weiteres Engagement in Stralsund und Wolgast von der Entscheidung des Amtsgerichts abhängig machen, ob die Werftengruppe das Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung bestreiten kann. Fuchs, der unter anderem viele Jahre für den Flugzeughersteller Airbus gearbeitet hatte, organisiert in Mecklenburg-Vorpommern derzeit bereit seinen zweiten Sanierungsfall in der maritimen Wirtschaft in unmittelbarer Folge. Zuvor hatte er versucht, die traditionsreiche Sietas-Gruppe vor dem Untergang zu retten, die Anfang 2009 vor dem Aus stand. Von den damals rund 1200 Arbeitsplätzen existiert nach der Insolvenz und den Verkäufen der Betriebsteile noch rund die Hälfte.
In der vergangenen Woche hatte Fuchs ein Sanierungskonzept für die P+S-Werften vorgelegt. Dieses wird unter anderem auch benötigt, um das Einverständnis der EU-Kommission für die staatlichen Finanzhilfen zu bekommen. Die Werft in Wolgast, der kleinere der beiden Schiffbaubetriebe, könnte demnach verkauft werden. Die Peene-Werft baut vor allem Behördenschiffe und kleinere Marinefahrzeuge. Die Volkswerft in Stralsund will Fuchs "in einen leistbaren Takt bringen, damit sie den eingeschlagenen Weg zum Spezialschiffbauer erfolgreich gehen kann". Der Manager strebt dabei eine Leistung von eineinhalb Neukonstruktionen und drei Schiffsneubauten im Jahr an. Voraussetzung dafür ist aber offenbar ein umfassender Umbau der Strukturen. Schon seit April 2011 hat die Werft kein neues Schiff mehr abgeliefert.
Eine ganze Reihe deutscher Werften sucht derzeit ihr Heil im sogenannten Spezialschiffbau. Beim Bau von Serienschiffen - etwa Container- oder Massengutfrachtern - können die heimischen Schiffbaubetriebe mit den Großwerften vor allem in China und Südkorea nicht mehr konkurrieren. Bei den Spezialschiffen geht es um einzelne oder wenige Anfertigungen von Schiffen mit besonders hohem Ingenieursaufwand. Vorreiter in Deutschland sind dabei die Meyer Werft in Papenburg mit Kreuzfahrtschiffen, FSG in Flensburg mit kombinierten Fracht- und Passagierfähren sowie die Bremer Lürssen-Werft, die Großyachten baut. Eine solche Neuausrichtung allerdings erfordert in der Regel Jahre Zeit und eine entsprechend gute Auftragslage.
Erhebliches Potenzial verspricht die Offshore-Windkraft-Industrie in Europa. Für Windparks auf See werden komplexe Errichterschiffe, Umspannwerke und Wartungsfahrzeuge gebraucht. Nordic Yards in Wismar und Rostock baut derzeit bereits das dritte Offshore-Umspannwerk für Siemens. Die Doppelwerft will ihre Spezialisierung auf Strukturen und Fahrzeuge für die Energiewirtschaft auf See in den kommenden Jahren weiter vorantreiben. Die Hamburger Sietas-Werft, die nun zur niederländischen Veka-Gruppe gehört, baut als erste deutsche Werft ein Errichterschiff für Offshore-Windparks, das die ebenfalls niederländische Van-Oort-Gruppe bestellt hat.