So heftig war die Diskussion bei der CDU selten. Am Ende des Sonderparteitags zur Schulreform beschlossenen die Delegierten wichtige Änderungen.
Hamburg. Solche Debatten kennt man von der Hamburger CDU nicht unbedingt. Nach einer ungewohnt offenen, kritischen und langen Diskussion hat die Partei gestern Abend um 22.10 Uhr fast einstimmig einen Antrag beschlossen, der den Bedenken der Schulreform-Kritiker Rechnung tragen soll.
Die CDU fordert einen Rechtsanspruch für Eltern auf einen Wechsel ihrer Kinder nach Klasse drei auf eine andere Primarschule. Der Rechtsanspruch soll für die jetzigen Erst- und Zweitklässler sowie die Schulanfänger des kommenden Schuljahres gelten. Mit dem Antrag soll sichergestellt werden, dass Kinder die für sie richtigen Profile musisch oder altsprachlich wählen können. Im schwarz-grünen Koalitionsvertrag ist lediglich von einer „Möglichkeit“ eines solchen Wechsels die Rede.
Zuvor war es ein alter schulpolitischer Haudegen, der den meisten CDU-Mitgliedern aus der Seele sprach und die Parteiseele zum Kochen brachte. Die CDU stehe vor einem „bildungspolitischen Scherbenhaufen“, „das Schulprofil der Partei wird nicht formuliert“, kritisierte Fritjof Kelber, langjähriger Schulexperte der Bürgerschaftsfraktion. „Peinlich“ und „lächerlich“ sei, dass die Partei, die doch den Bürgermeister stelle, nur noch kniefällig darum bettele, vom Koalitionspartner GAL einbezogen zu werden
Der Applaus für Kelber war ebenso groß wie der Andrang im Saal 4 des Congress Centrums: Rund 450 CDU-Mitglieder, darunter 230 Delegierte, kamen zum Sonderparteitag Bildung.
Zuvor hatte bereits die Frau vielen Mitgliedern aus der Seele gesprochen, die eigentlich gar nicht auftreten sollte: Corinne Geppert, die Elternratsvorsitzende des Johanneums, war erst auf Intervention aus den eigenen Reihen eingeladen worden. „Die Reform ist nicht pauschal Teufelszeug, aber der Teufel steckt in der Detailausgestaltung“, sagte Geppert. Und bezogen auf das Johanneum: „Es wird erhebliche Zugangsbeschränkungen für Schüler aus sozial schwachen Stadtteilen geben.“ Das Johanneum, so Geppert, habe sich 480 Jahre lang am Markt bewährt. „Wir sind nicht bereit, unsere Leistungsstandards aufzugeben“, sagte sie und bekam dafür sehr starken Beifall.
Die Parteitagsregie hatte noch drei weitere Referenten eingeladen: den Bildungsforscher Prof. Klaus-Jürgen Tillmann und die Vorsitzenden der Eltern- und Schülerkammer: Hans-Peter Vogeler und Frederic Rupprecht.
So dauerte es eineinhalb Stunden, bis die eigentliche Debatte beginnen konnte. Mit der Blankeneserin Karin Prien hatte sich gleich eine der Kritikerinnen zu Wort gemeldet. „Die Schulreform ist ein schwer verdaulicher Paradigmenwechsel für viele von uns“, sagte Prien. „Es bleibt ein bildungspolitisches Experiment.“ Viele Forderungen der Union seien im Schulentwicklungsplan nicht erfüllt worden.
Um 20.30 Uhr, nach zweieinhalb Stunden, griff Bürgermeister Ole von Beust in die Debatte ein. „Ich will weiterregieren, aber dafür muss man sich Mehrheiten suchen.“ Und mit der reinen Lehre in der CDU-Schulpolitik könne man keine Mehrheiten mehr erreichen. Das sei 20, 30, 40 Jahre ein Irrglaube der Partei gewesen. „Ich warne vor dem Trugschluss, dass Hamburg eine CDU-Hochburg ist“, rief von Beust kämpferisch. „Wenn wir die Macht einmal verlieren, wird es keine Frage von vier Jahren, bis wir wieder eine bürgerliche Mehrheit erreichen können.“
Er selbst sei ein Beispiel für die Schwächen des alten Schulsystems. Seine Aufnahmeprüfung fürs Gymnasium sei nicht besonders gut gewesen, aber er habe die Empfehlung doch bekommen, weil es hieß, man könne doch den Sohn des Wandsbeker Bezirksamtsleiters nicht durchfallen lassen. Der Bürgermeister kassierte starken Beifall für seine Rede, die Stimmung hatte sich gedreht.
Zu Beginn des Abends hatte der Bundestagsabgeordnete Marcus Weinberg, der vorgestern als Vorsitzender des CDU-Landesfachausschusses Bildung zurückgetreten war, eindringlich an seine Parteifreunde appelliert. „Die Chancen der Reform müssen erkannt werden. Wir haben vieles umgesetzt in der Koalition“, sagte Weinberg, räumte aber auch ein: „Wir haben noch nicht alle Mitglieder mitgenommen.“