Papandreou wollte die Griechen ködern. Dabei hätten sie keine Wahl gehabt
Wegen des deutschen Hickhacks um die Euro-Rettung ist das Wort "Eiertanz" ins englische Krisenvokabular aufgenommen worden. Nach der Absage des Volksentscheids zum Hilfspaket dürfte es auch einen Eintrag in die griechischen Wörterbücher finden. Dieses Drama war eine Bankrotterklärung eines ohnehin mittellosen Landes. Ministerpräsident Giorgos Papandreous Machtpfeiler sind eine marode Wirtschaft, ein aufgebrachtes Volk, eine wackelige Koalition und abtrünnige Minister. Da konnte dem trickreichen Regierungschef nur ein Wink des Volkes helfen. Das Alles-oder-nichts-Spiel um die Abstimmung hätte Papandreou eine Gewissheit gebracht: Entweder wäre er gestürzt oder neu gestützt worden. Jetzt soll eine Übergangsregierung zeigen, wie eng das Schicksal von Papandreou und Opposition und Volk miteinander verknüpft sind. Ob das weitere Krawalle verhindert, ist ungewiss. Ob es Papandreou im Amt hält, ebenso. Die Horrorszenarien von einem Austritt aus dem Euro-Raum und bürgerkriegsähnlichen Zuständen sind nicht gebannt.
Die Chronik eines angekündigten Todes für das Referendum zeigt: Mit dem Volkswillen darf man nicht spielen. Es untergräbt die Legitimation der Politik, wenn sie erst direkte Demokratie zulässt und dann die Ergebnisse ignoriert. In Hamburg entschieden sich die Bürger 2004 gegen den Verkauf der öffentlichen Krankenhäuser. Dann wurden sie dennoch privatisiert. Das Gesetz wurde geändert, nun sind Volksentscheide verbindlich.
Der Bürger geht auf die Straße, wenn er ahnt, dass seine Volksvertreter völlig anders ticken als er. Wenn sie sehenden Auges die nächste Bankenrettung planen, ohne einen Rettungsschirm über Kleinsparer zu spannen.
In den USA, wo Millionen ihre Altersvorsorge in Immobilien-Blase und Lehman-Pleite platzen sahen, haben viele genug vom ungezähmten Markt. So auch in Deutschland. Doch hier fühlt sich eine Mehrheit noch angemessen vertreten von einer Kanzlerin, die - trotz vieler Volten - vom Primat der Politik spricht. Das bedeutet, dass nicht die Finanzmärkte die Kanzlerin und ihre Gipfelstürmer in Europa treiben, sondern umgekehrt. Ironischerweise hatte auch Griechenlands Ministerpräsident Papandreou den Spieß beinahe umgedreht. Doch die Finanzmärkte spielten verrückt, als er das Volk ins Spiel brachte. Das Volk hat viele Gesichter. Es ist sittsam und besonnen, wenn wie in Deutschland das Modell von sozialer Marktwirtschaft Unternehmen und Gewerkschaften, die kapitalistische Freiheit und den Sozialstaat als Einheit sieht. Das Volk ist zornig, wenn es seine Abneigung gegen "die da in Europa" kanalisieren kann. Vor allem, wenn es im Dilemma steckt, wie die Griechen das nennen. Papandreou ködert die Bürger mit der Abstimmung und suggeriert, sie hätten eine Wahl. Tatsächlich könnten sie dem Hilfspaket der EU nur zustimmen.
Keine Frage, dass diese Wahllosigkeit die Griechen in Wallung bringt.
In Deutschland gibt es auf Bundesebene nur begrenzte direkte Demokratie. Mit gutem Grund wurde 1990 nicht einmal das Volk zur Wiedervereinigung befragt. Die Populisten und Scharfmacher hätten bei einer Volksabstimmung eine viel zu große Bühne bekommen. Deshalb wird es auch in Deutschland keine Volksabstimmungen über die Bundeswehr, den Euro oder andere wegweisende Fragen geben. Das kann Griechenland, die Wiege der Volksherrschaft, von den modernen Demokratien noch lernen.