Der italienische Senat hat die von der Europäischen Union geforderten Wirtschaftsreformen gebilligt - auch mit der Stimme des potentiellen neuen Regierungschefs Mario Monti. Der könnte Silvio Berlusconi schon in Kürze nachfolgen, sollte am Sonnabend auch das Abgeordnetenhaus die EU-Pläne abnicken und dadurch den angekündigten Rücktritt des bisherigen Ministerpräsidenten realisieren.

Rom. Italien hat einen wichtigen Schritt auf dem Weg zur Beendigung der tiefen Regierungskrise gemacht. Der Senat billigte am Freitag ein Reform- und Sparpaket zur Eindämmung der Schuldenkrise. Die Abstimmung in der großen Kammer, dem Abgeordnetenhaus, wird für diesen Sonnabend erwartet. Danach könnte Ministerpräsident Silvio Berlusconi zurücktreten und Ex-EU-Wettbewerbskommissar Mario Monti mit der Regierungsbildung beauftragt werden, wie italienische Medien übereinstimmend berichteten. Berlusconi hatte bereits am Dienstag angekündigt, zurücktreten zu wollen, sowie das Paket mit den von der EU verlangten Reformen beide Parlamentskammern passiert hat.

156 der normalerweise 325 Senatoren stimmten für das Gesetzespaket, 12 dagegen. Es gab eine Enthaltung. Die Senatoren der meisten Oppositionsparteien hatten sich gar nicht an der Abstimmung beteiligt.

Das Paket gegen die Krise soll mit Steuererleichterungen das Wachstum fördern, es sieht den Verkauf von Staatseigentum zum Abbau des Schuldenberges vor und soll für größere Flexibilität auf dem Arbeitsmarkt sorgen. Zudem ist eine Anhebung des Rentenalters auf 67 Jahre bis 2026 vorgesehen.

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Monti, seit kurzem neuer Senator auf Lebenszeit, war am Freitag auch erstmals im Senat. Er gilt als aussichtsreichster Kandidat für eine Übergangsregierung nach Berlusconi. Monti wurde mit herzlichem Applaus begrüßt. Anschließend wollte er sich erneut mit Staatspräsident Giorgio Napolitano treffen. „Es gibt enorm viel zu tun in Italien, Schluss mit den Privilegien“, wurde Monti am Freitag mit einem Aufruf zu baldigen Strukturreformen zitiert.

Auch die italienische Wirtschaft macht sich inzwischen stark für den ehemaligen EU-Kommissar. Die Präsidentin des Arbeitgeberverbandes Confindustria, Emma Marcegaglia, sagte am Freitag: „In diesem schwierigen Augenblick kann Monti die richtige Person sein.“ Die neue Regierung müsse das klare Ziel haben, „die Reformen zu verwirklichen, die Europa von uns verlangt hat und die wir bisher nicht zu realisieren in der Lage waren“.

Staatspräsident Napolitano hatte den angesehenen Wirtschaftsfachmann Monti am Mittwoch zum Senator auf Lebenszeit ernannt. Napolitano befürworte eine breite Übergangsregierung mit Monti an der Spitze, um Italien aus der verschärften Schuldenkrise zu führen, heißt es. Er sprach am Donnerstagabend etwa zwei Stunden lang mit Monti und könnte diesem bereits am Sonntag – nach einem Rücktritt Berlusconis – den Auftrag zu einer Regierungsbildung erteilen, wie die Nachrichtenagentur Ansa berichtete. Mitte-Rechts-Regierung und Opposition stimmten in dieser Woche unter dem Druck der Finanzmärkte einer beschleunigten Behandlung des neuen Anti-Krisen-Paketes zu.

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Vor allem die Partei PdL (Volks der Freiheit) des scheidenden Berlusconi sucht aber noch eine klare Linie für das weitere Vorgehen, wie italienische Medien übereinstimmend berichteten. Berlusconi hatte ursprünglich Neuwahlen befürwortet, sich dann aber wegen des Drucks der Finanzmärkte mit einer Regierung unter Monti einverstanden erklärt. Zuletzt brachte Berlusconi jedoch noch den Wirtschaftsexperten und früheren Regierungschef Lamberto Dini aus seiner Partei ins Gespräch, doch der winkte ab.

Euro-Rettungsschirm bereit für Italien-Hilfe

Derweil dringt der Euro-Rettungsfonds EFSF auf ein schnelles Ende der Krise in Italien. Dem Land laufe die Zeit davon, um die Märkte zu beruhigen, warnte EFSF-Chef Klaus Regling. "Das Land braucht so schnell wie möglich eine funktionsfähige Regierung“, sagte er im Gespräch mit mehreren europäischen Zeitungen (Freitagausgaben).

Der Fonds stehe aber bereit, um Italien bei einem entsprechenden Antrag an die Euro-Gruppe zu helfen, sagte Regling. „Wenn ein Land kommt und sagt, es braucht sofort Hilfe, dann sind wir bereit“, fügte Regling hinzu. Derzeit verfüge der EFSF noch über Kreditkapazitäten in Höhe von 250 bis 300 Milliarden Euro. Alle Hilfen seien aber an Spar- und Reformauflagen gebunden.

Der Rettungsschirm soll Regling zufolge noch vor Jahresende finanziell aufgerüstet werden. Der Fonds werde sich im Dezember durch den Verkauf neuer, kurzfristig laufender Anleihen für Notfälle wappnen.

Nobelpreisträger Krugman sieht EZB als Retterin Italiens

Regling sagte, die jüngsten Unruhen auf den europäischen Märkten hätten es schwierig gemacht, die Feuerkraft des Euro-Rettungsschirms auf die erhoffte eine Billion Euro zu erhöhen. Der Plan, mögliche Verluste bei Staatsanleihen abzusichern und so wieder Investoren anzulocken, werde nun möglicherweise mehr Ressourcen des Rettungsschirms benötigen. Die politischen Unruhen der vergangenen zehn Tage führten zu einer Reduzierung des Potenzials des Hebels, sagte Regling.

Nach Überzeugung von Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Krugman wird die Europäische Zentralbank (EZB) Italien um jeden Preis vor einem Schuldenschnitt bewahren. Es sei sehr wahrscheinlich, dass die EZB massenhaft italienische Anleihen aufkaufen werde, weil es andernfalls zu einem Sturm auf die italienischen Banken komme, sagte Krugman dem "Handelsblatt“ (Freitagausgabe).

"Am Ende wird die EZB in den Abgrund blicken und sagen: 'Vergessen wir alle Regeln, wir müssen die Anleihen kaufen. Der Ansturm auf Italien muss gestoppt werden. Sonst scheitert das ganze Euro-Projekt.' Die politischen Folgen eines Scheiterns wären enorm“, sagte der US-Ökonom.

Mit Material von dpa und rtr