Rechenschaftsbericht Berlusconis wurde vom Parlament gebilligt - ohne Mehrheit des Premiers. Koalitionspartner fordert seinen Rückzug.
Rom. Im Kampf um die Macht in Italien stellt sich auch der Koalitionspartner Lega Nord offen gegen Ministerpräsident Silvio Berlusconi. Ihr Chef Umberto Bossi forderte den Rücktritt Berlusconis. "Wir haben den Ministerpräsidenten um seinen Abgang gebeten“, sagte Bossi am Dienstag vor einer mit Spannung erwarteten Parlamentsabstimmung.
Diese zeigte dann, dass der am politischen Abgrund stehende italienische Regierungschef über keine Mehrheit im Parlament mehr verfügt. Ein kritisches Votum über seinen Rechenschaftsbericht 2010 kam am Dienstag in Rom zwar durch, doch stimmten nur 308 der 630 Abgeordneten dafür. 321 stimmten nicht ab. „Das Votum zeigt, dass die Regierung in der Kammer keine Mehrheit hat“, sagte Oppositionsführer Pierluigi Bersani von der PD (Demokratische Partei).
Die linken Oppositionsparteien und eine Reihe von Abtrünnigen aus dem Lager der Mitte-Rechts-Koalition hatten zuvor entschieden, bei dem Votum zwar präsent zu sein, sich aber der Stimme zu enthalten. Der Rechenschaftsbericht gilt damit als angenommen.
Die Opposition hat mit ihrem Verhalten vor allem deutlich gemacht, dass der stark geschwächte Berlusconi im Parlament bei weitem nicht mehr über die absolute Mehrheit von 316 der 630 Sitze in der Abgeordnetenkammer verfügt. Im Oktober hatte Berlusconi nach dem ersten Scheitern des Rechenschaftsberichtes die Vertrauensfrage gestellt und dabei noch genau die 316 Ja-Stimmen bekommen.
Offen war, zunächst, welche Konsequenzen Berlusconi ziehen wird. Sein Koalitionspartner Umberto Bossi von der Lega Nord hatte am Dienstag Berlusconi aufgefordert, „beiseitezutreten“ und Platz für seinen Parteichef Angelino Alfano als neuen Regierungschef zu machen.
Der Report gilt als Abbild der Regierungsarbeit, das Votum war reine Formsache. Im Vorfeld der Abstimmung galt ein Rücktritt Berlusconis als wahrscheinlich, sollte er keine Mehrheit erreichen. Diesen hatte der 75 Jahre alte Medienmogul bislang beharrlich abgelehnt.
Wie italienische Medien berichteten, traf sich Berlusconi nach einer Atempause in Mailand in der Nacht auf Dienstag erneut mit seinen Vertrauten Gianni Letta und dem Chef seiner Regierungspartei PdL (Volk der Freiheit), Angelino Alfano. Ergebnis dieser Krisensitzung sei, dass Berlusconi nach der Abstimmung am Nachmittag zunächst die Vertreter seines Koalitionspartners Lega Nord treffen wolle und danach die Spitzen der PdL. Gemeinsam werde man über die Strategie entscheiden.
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Unterdessen überschlagen sich seit Montag die Gerüchte. Stimmen, ein Rücktritt Berlusconis stehe unmittelbar bevor, führten zu Schwankungen auf den Finanzmärkten. In Rom berichteten Medien zeitweise, dass Berlusconi direkt nach dem Rechenschaftsbericht auch über die in Brüssel versprochenen Reformen abstimmen lassen wolle, um danach seinen Hut zu nehmen. Offiziell ist bisher nur das Votum über den Rechenschaftsbericht am Nachmittag.
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Italien weist nach Griechenland den höchsten Schuldenstand der Eurozone gemessen an der Wirtschaftsleistung auf. Angesichts seiner schwindenden Regierungsmehrheit gelang es Berlusconi trotz der Verabschiedung von zwei drastischen Sparpakten und allen Versprechungen gegenüber Brüssel bislang nicht, die Märkte zu beruhigen. (dpa)