Der Wirtschaftsexperte und frühere EU-Kommissar Mario Monti erhielt am Sonntagabend das Vertrauen von Staatspräsident Napolitano.
Rom/Berlin/Honolulu. Der frühere EU-Kommissar Mario Monti soll Italien aus der Krise führen. Der Ökonom wurde am Sonntag von Staatspräsident Giorgio Napolitano mit der Bildung einer Übergangsregierung beauftragt. Monti erklärte, er werde sofort mit der Arbeit beginnen. Italien müsse nun seine Finanzen wieder auf gesunde Füße stellen, das sei die Politik den künftigen Generationen schuldig.
Die Finanzturbulenzen und der Druck der Märkte hatten Ministerpräsident Silvio Berlusconi in die Knie gezwungen. Er war am Samstagabend zurückgetreten. Nach Sondierungsgesprächen im Laufe des Sonntags gab Napolitano Monti noch am Abend den Regierungsauftrag an Monti.
Kurz zuvor sagte die Partei Berlusconis einer Übergangsregierung Montis unter Vorbedingungen ihre Unterstützung zu. Die Freiheitspartei machte ihre Rückendeckung davon abhängig, dass die neue Regierung nur so lange im Amt bleiben würde, bis die nötigen Maßnahmen zur Abwehr eines finanziellen Kollaps umgesetzt seien. Parteisekretär Angelino Alfano betonte, dass auch Montis Regierungsprogramm und die Zusammensetzung seines Kabinetts ausschlaggebend für die Unterstützung seiner Partei seien.
Die bisher mit der Freiheitspartei verbündete Lega Nord kündigte den Gang in die Opposition an. Lega-Nord-Chef Umberto Bossi sagte, seine Partei werde Monti fürs Erste nicht unterstützen und dann von Fall zu Fall entscheiden. Die Lega Nord werde eine aufmerksame Opposition sein. „Wir werden ihm jedenfalls keinen Blankoscheck geben.“
Der christdemokratische Politiker Pier Ferdinando Casini rief die Mitte-links-Parteien zur Unterstützung Montis auf. Die italienischen Parteien stünden an einer Wegkreuzung: „Sie können spekulieren und hoffen, daraus etwas Kapital für ihren Wahlkampf zu gewinnen, oder sie können ihre Verantwortung für das Land übernehmen.“ Er hoffe, dass die neue Regierung bis zum Ende der Legislaturperiode im Frühjahr 2013 im Amt bleiben könne.
Einer der erbittertsten Gegner Berlusconis, der frühere Antikorruptonsanwalt Antonio Di Pietro, kündigte an, seine Werte-Partei würde ein strikt technokratisches Kabinett unterstützen.
Wegen seiner gewaltigen Staatsverschuldung stand Italien unter Druck, vor Öffnung der Finanzmärkte am Montag eine neue Regierung zu präsentieren. Monti muss nun ein Kabinett zusammenstellen, seine Rettungsstrategie dem Parlament vorlegen und die Vertrauensfrage stellen. Das könnte mehrere Tage in Anspruch nehmen.
Nach der parlamentarischen Billigung eines ersten italienischen Reformpakets am Sonnabend sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in Leipzig, es sei sehr erfreulich, dass es gelungen sei, die notwendigen Maßnahmen zu verabschieden. Sie hoffe, dass auf dieser Grundlage „das Vertrauen in das Land Italien zurückkehrt“. Dies sei dringend notwendig, damit „wir insgesamt in der Euroregion eine Beruhigung bekommen“. Bundesaußenminister Guido Westerwelle begrüßte die vom italienischen Parlament beschlossenen Sparmaßnahmen als wichtigen Beitrag zur Stabilitätsunion in Europa. Er hoffe auf eine gute Zusammenarbeit mit der nächsten italienischen Regierung, sagte er in Frankfurt am Main.
Die am Sonnabend verabschiedeten Maßnahmen reichen nach Einschätzung von Beobachtern noch nicht aus, um Italien aus der Schuldenkrise zu führen. Der italienische Staat hat 1,9 Billionen Euro Schulden, das entspricht 120 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Berlusconi trat am Sonnabend zurück, nachdem sein Reformpaket vom Parlament gebilligt worden war. Es sieht die Erhöhung des Rentenalters auf 67 Jahre vor – aber erst 2026. Staatseigentum soll verkauft und einige Dienstleistungen sollen privatisiert werden.
Berlusconis Rücktritt wurde in Rom von hunderten Demonstranten gefeiert. Wegen der Kundgebung verließ er den Präsidentenpalast nach seinem Rücktritt am Sonnabendabend durch einen Seiteneingang. Innenminister Roberto Maroni sagte, er habe Berlusconi am Abend getroffen und ihn sehr müde erlebt. Zu den Szenen am Quirinalspalast sagt das Gründungsmitglied der Lega Nord: „Es waren hässliche Bilder, Leute, die spuckten und (Gegenstände) warfen.“ (dapd)