Die Staatsanwaltschaft wirft de Angeklagten versuchten Totschlags durch Unterlassen und Misshandlung von Schutzbefohlenen vor.

Hamburg. Wieder saß sie mit gesenktem Kopf auf der Anklagebank, die blondierten, langen Haare hingen vor dem blass geschminkten Gesicht der 21-Jährigen. Dann brach die Mutter der kleinen Lara Mia, die im März 2009 völlig abgemagert starb, ihr langes Schweigen vor dem Hamburger Landgericht: „Ich wollte nie, dass so etwas passiert“, sagte die junge Frau am Donnerstag mit stockender Stimme. „Ich werde meine Tochter auch immer lieben, ob man mir das so glaubt oder nicht.“ Für die Anklage steht hingegen fest, dass sie den Hungertod ihres Kindes aus Gleichgültigkeit und egoistischen Beweggründen billigend in Kauf genommen hat.

Die Staatsanwältin forderte dafür in ihrem Plädoyer vier Jahre Jugendstrafe. Nach der Beweisaufnahme sei erwiesen, dass sich die 21-Jährige den Tatvorwürfen des versuchten Totschlags durch Unterlassen und Misshandlung von Schutzbefohlenen schuldig gemacht habe. Der Zustand des Kindes, das zu seinem Todeszeitpunkt nur noch 4,8 Kilogramm wog, sei für die Mutter erkennbar gewesen. „Sie hat den körperlichen Verfall über Wochen wahrgenommen“, sagte die Anklägerin. Der Tod des Babys könne aber nicht mit letzter Sicherheit der Mutter zugerechnet werden, da ein Gutachter am vergangenen Verhandlungstag einen plötzlichen Kindstod als Ursache nicht ausgeschlossen hatte. Die „große Frage“ des Prozesses bleib damit weiterhin unklar.

***Gutachter: Baby Lara Mia wahrscheinlich verhungert***

***Bundesgericht will härtere Strafen im Fall Lara Mia***

Ungeklärt blieb nach Ansicht der Staatsanwaltschaft auch die Frage, warum die Mutter das Mädchen über Wochen hungern ließ und nichts gegen das massive Untergewicht ihrer Tochter unternahm, während sie mit ihrem kranken Hasen zum Tierarzt ging. „Psychische Kraftlosigkeit kann nicht der Grund gewesen sein“, sagte die Staatsanwältin. Vielmehr soll die Angeklagte aus Angst, man könne ihr das Kind wegnehmen, nicht zum Arzt gegangen sein.

Auch eine Mitarbeiterin des Jugendamtes, die die junge Mutter unterstützen sollte, habe auf das drastische Untergewicht nach Ansicht der Anklage nicht angemessen reagiert. Sie hatte die Familie noch wenige Tage vor Lara Mias Tod besucht – und erklärt, das Kind sei wohlauf. Der Verteidiger der Angeklagten gab in seinem Plädoyer den Behörden ebenfalls eine Mitschuld an dem wochenlangen Leiden des Kindes. Seine Mandantin sei unreif und überfordert gewesen und habe sich deshalb nicht angemessen um den Säugling kümmern können.

Im ersten Prozess um den Tod des Babys Lara Mia hatte das Hamburger Landgericht die Angeklagte und ihren ehemaligen Lebensgefährten im Juli vergangenen Jahres bereits wegen gefährlicher Körperverletzung und Verletzung der Fürsorgepflicht zu Bewährungsstrafen verurteilt. Die Staatsanwaltschaft ging dagegen jedoch in Revision. Im Mai hob der Bundesgerichtshof (BGH) das Urteil wieder auf und verwies das Verfahren zurück nach Hamburg. Das erneute Urteil wird am 10. Oktober erwartet.

(dpa/abendblatt.de)