Der Zaun ist weg, doch die Lage an der Kerstin-Miles-Brücke kommt nicht zur Ruhe. Rund 200 Menschen versammelten sich zu einer Kundgebung.

Hamburg. Der derzeit wohl umstrittenste Zaun Hamburgs war gestern der Flex zum Opfer gefallen. Am heutigen Sonnabend versammeln sich dennoch etwa 200 bis 300 Menschen vor der Kersten-Miles-Brücke, um gemeinsam zum Hamburger Rathaus zu ziehen. Der Protest richtet sich gegen Bezirksamtsleiter Markus Schreiber und eine „Politik der sozialen Vertreibung. Fast wie ein Happening wirkt die Versammlung vor dem Start des Demonstrationszuges in Richtung Hauptbahnhof. Die Kundgebung verlief friedlich, teilte ein Sprecher des Lagezentrums der Polizei mit. Aus den Boxen eines Busses dröhnt laute Musik, Menschen sitzen bei sommerlichen Temperaturen auf der Wiese an der Helgoländer Allee oder spielen Frisbee. „Ich bin froh, dass gestern der sofortige Abbau des Zauns entschieden wurde“, sagt Pastor Sieghard Wilm von der St. Pauli-Kirche, der ebenfalls zur Demo gekommen ist. Sonst wäre es hier heute sicher eskaliert und der Zaun wäre gewaltsam abgerissen worden, meint er.

„Aber die Themen haben sich nicht erledigt“ sagt Wilm. „Der Zaun in den Köpfen ist noch lange nicht weg. Und der in der Gesellschaft auch nicht“. Er ist für ein Ende der repressiven Politik und für eine akzeptierende Arbeit mit Obdachlosen. Das koste natürlich auch Geld. „Solche Dinge müssten in die Haushaltsberatung Ende November mit einfließen“, schlägt er vor. Mit der Parole „Schreiber muss weg“ kann der Pastor nichts anfangen. Er bleibe lieber bei Sachthemen, sagt er.

Frederike F. hingegen richtet ihre Kritik sehr persönlich gegen den Bezirksamtschef. „Ich möchte, dass Schreiber bald politisch nicht mehr tragfähig ist“, sagt die 28-Jährige. Dieser Zaun sei ein Symbol für seine Politik. Sie sympathisiere auch mit der Bauwagengruppe Zomia in Wilhelmsburg, sagt sie.

200 bis 300 Menschen lauschen mittlerweile der Kundgebung aus den Lautsprechern. Uwe, einer der Obdachlosen hier unter der Kersten-Miles-Brücke bedankt sich bei allen, die bei der letzten Demo dabei waren: „Ohne euch wäre der Zaun nie gefallen.”

Busfahrer Roland aus Stuttgart hört der Kundgebung an der Kersten-Miles-Brücke von seinem Busparkplatz aus ebenfalls zu. „Klar weiß ich, worum es dabei geht“, sagt er. Regelmäßig führe er Touristen aus dem süddeutschen Raum nach Hamburg. Die würde er vor allem am Hafengeburtstag bitten, nicht durch das Wohnzimmer der Obdachlosen unter der Kersten-Miles-Brücke zu laufen. „Ich finde es richtig gut, dass der Zaun wieder ist. Wir wollen uns doch alle frei bewegen“, findet der Busfahrer.

Ähnlich sehen das Marion L. aus Bahrenfeld und ihre Begleiterin, die extra aus Iserbrook hierher gekommen ist. „Ich finde es nicht richtig, dass Menschen ausgegrenzt werden“, sagt Marion L. Die Politik von Markus Schreiber mögen beide nicht beurteilen. „Aber ich finde es schlimm, dass Menschen sich im öffentlichen Raum nicht mehr frei bewegen können“, ergänzt sie. „Wir wollen eine Hansestadt für alle Menschen…“ tönt dazu ein Protestsong aus den Boxen und der Demozug startet.

Den “Obdachlosen-Zaun” an der Kersten-Miles-Brücke hatte das Bezirksamt nach einem Schlichtungsgespräch mit Hans-Peter Strenge (Präsident der Synode der Nordelbischen Evangelisch-Lutherischen Kirche) kurzfristig entfernen lassen. Ein Runder Tisch unter Leitung von Strenge zu dem Thema tagt erstmals am 5. Oktober. Als Teilnehmer werden Vertreter des Obdachlosen-Projektes „Hinz & Kunzt” erwartet sowie von der Sozialbehörde, der Diakonie und der Bezirksversammlung.

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