Der Zaun gegen Obdachlose auf St. Pauli soll wieder verschwinden. Senat und Bürgerschaft lehnen den Alleingang von Bezirkschef Schreiber ab.
Hamburg. Bürgerschaft und der SPD-Senat sind sich einig: Der umstrittene Stahlzaun gegen Obdachlose auf St. Pauli soll wieder weg. „Dieser Zaun wirft ein Licht auf diese Stadt, das sie nicht verdient“, sagte Sozialsenator Detlef Scheele (SPD) am Mittwoch in der Aktuellen Stunde der Bürgerschaft. Er begrüßte das von der SPD-Fraktion vorgeschlagene Moderationsverfahren mit dem Synodenpräsident der Nordelbischen Kirche, Hans-Peter Strenge, als Vermittler. „Ich bin überzeugt, wenn alle mitwirken - und ich wünsche ich es mir auch – wird am Ende des Prozesses ein Abbau des Zauns stehen.“
Alle Fraktionen stellten klar, dass sie den von Bezirksamtsleiter Markus Schreiber (SPD) angeordneten Stahlzaun zumindest für nicht sinnvoll halten. Die Linken forderten darüber hinaus Schreibers Rücktritt.
Der umstrittene Stahlzaun erhitzt seit Tagen die Gemüter und hat auch schon zu Demonstrationen und Protestaktionen geführt. Der Platz unter der Kersten-Miles-Brücke in St. Pauli ist seit Jahren Schlafplatz und Aufenthaltsort für Obdachlose. Seit rund einer Woche steht dort nun jedoch ein 20 Meter langer, 2,80 Meter hoher und rund 18.000 Euro teurer Stahlzaun. Schreiber hatte den Bau mit Beschwerden über die Szene begründet. Bis zu 40 Obdachlose hätten unter der Brücke gehaust. Nach seiner Darstellung beklagten Arbeiter eine Vermüllung, Touristen bemängelten den Schandfleck, Passanten fühlten sich bedroht und Anwohner litten unter der Geruchsbelästigung.
Der SPD-Sozialpolitiker Uwe Lohmann zeigte sich optimistisch, dass in dem Vermittlungsverfahren eine Lösung gefunden werde – „ohne Zaun“, wie er betonte. Senator Scheele sagte unter Hinweis auf Polizeiangaben, dass es unter der Brücke in der Vergangenheit eine schwere Körperverletzung mit Todesfolge, eine versuchte und eine tatsächliche Vergewaltigung gegeben habe. Opfer seien jeweils die Obdachlosen selbst gewesen. Dem müsse sich die Politik stellen.
"Würdig ist das nicht, unter einer Brücke schlafen zu müssen“, sagte Scheele. Gleichzeitig verwies er auf die Präventionsprogramme der Stadt gegen Obdachlosigkeit und bestehende Unterkünfte. Der Bezirk Hamburg Mitte sei dabei besonders beansprucht. „Auf ihn entfallen allein 1891 Unterkunftsplätze.“ Das entspreche einem Viertel aller Plätze in der öffentlichen Unterbringung, sagte Scheele.
„Der Zaun muss weg. So einfach, so klar und so unmissverständlich ist die Botschaft der GAL-Fraktion“, sagte die GAL-Sozialexpertin Katharina Fegebank. Er sei ein Symbol der Ausgrenzung, der Vertreibung und einer menschenverachtenden Politik. CDU-Fraktionschef Dietrich Wersich äußerte sich ähnlich: „Dieser Zaun ist ein Synonym für Hilflosigkeit, für Geltungssucht und für Geldverschwendung.“
Die sozialpolitische Sprecherin der CDU-Fraktion, Katharina Wolff, forderte ein Gesamtkonzept für die Unterbringung von Obdachlosen. Gleichzeitig wies sie darauf hin, dass die 120.000 Euro für den Umbau der Brücke inklusive des Zauns einem Drittel des gesamten Winternotprogramms 2010 entsprächen.
Für die FDP-Sozialexpertin Martina Kaesbach gehört das Thema nicht in die Bürgerschaft. Das sei Angelegenheit des Bezirks. Den Zaun nannte sie jedoch ein „falsches Signal“. Die Linken gingen deutlich weiter: „Ganz klar, Herr Schreiber muss zurücktreten. Er ist nicht tragbar, weil er meint, mit Vertreibung und Ausgrenzung Probleme zu lösen“, sagte deren Sozialexpertin Cansu Özdemir. Schließlich sei es nicht das erste Mal, dass der Bezirksamtsleiter sich gegen Minderheiten gewandt habe. „Alles, was nicht in sein Bild von Hamburg passt, soll weg: Bauwagen, Minarette, Skateboardfahrer, Obdachlose, Prostituierte, Menschen, die trinken, und Menschen, die rauchen.“