Kleine Pflanzen, große Wirkung: Heilpraktikerin Daniela Wolff bittet zur Kräuterwanderung in den Jenischpark – Geheimtipp mit großem Zuspruch.
Othmarschen. Die "Augenbraue der Venus" am Wegesrand machte schon Eindruck, doch jetzt, mitten auf der Wiese, wächst die Spannung. "Das ist ein Frauenmantel", sagt Daniela. Fast alle bücken sich, suchen und halten einen Augenblick später ein wundersames Unkraut in der Hand. Am gezackten Rand der trichterförmigen Grünpflanze glänzen Wasserperlen - wie winzige Juwelen in der September-Sonne. So ein Kunstwerk kann nur die Natur schaffen, doch lässt man es in der Regel links liegen. Aus Unkenntnis.
Dank Heilpraktikerin Daniela Wolff nimmt die Zahl jener zu, die wacheren Auges durch die Landschaft gehen und ihren Blick für die natürlichen Schätze im Grünen schärfen. Ihre Kräuterwanderungen im Jenischpark gelten als Geheimtipp und finden immer mehr Zuspruch. Frauen sind in der Mehrzahl, doch die Männerquote steigt.
Wissbegierig sind alle. "Was bewirkt der Frauenmantel bei Männern?", fragt einer aus der 20-köpfigen Entdeckergruppe. "Zum Beispiel stärkt er die weibliche Seite im Mann", entgegnet Daniela. Somit könne dieser seine weichere Seite besser kennenlernen. Empfehlenswert sei es unabhängig davon, Frauenmantel als Beigabe einer Teemischung zu trinken. Denn auch das überrascht den Ahnungslosen: Fast alles auf Feld und Wiese hat einen Sinn und kann, gezielt eingesetzt, helfen. Doch Achtung, Finger weg vom Schierling. "Bringt euch zuverlässig um die Ecke", mahnt die Führerin. Und wächst im Jenischpark und anderswo.
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Ein paar Meter weiter entdeckt sie Hopfen. Ein Paradies? Von wegen. Das Kraut mit der lilafarbenen Blüte und für Frauen durchaus stimulierender Wirkung kann Männer müde und lustlos machen. Während einem all die hopfenfrischen Bierchen des vergangenen Wochenendes durch den Kopf zischen, entdeckt Daniela ein weiteres kleines Wunder. An einem Strauch wachsen in Kopfhöhe kleine rote Beeren. Weißdorn, so genannt wegen der Farbe der weißen Blüten. Aus ihnen, den Beeren und Blättern, kann Tee gekocht werden. Schmeckt, wirkt, ist gut fürs Herz. Nachteil: Das Gebräu mufft nach Heringslake.
In diesem Sinn geht's weiter, ebenso lehrreich wie unterhaltsam, dem Wesen der Pflanzen auf der Spur. Praktisch Meter für Meter wachsen und gedeihen Überraschungen. Wer weiß schon, dass Gundermann "üble Säfte" aus dem Körper treibt? Dass Sauerampfer ob seines intensiven Vitamingehalts als "Frischekick" von der Wiese gilt? Dass Gänseblümchen, frisch gepflückt und sofort verspeist, das Immunsystem stärken? Oder dass der Ackerschachtelhalm als Kieselsäurespender gut für Knochen, Sehnen und Haut ist? Jedoch sollte man ihn besser nicht mit dem Sumpfschachtelhalm verwechseln und auf keinen Fall schwarz gefärbte Stängel pflücken.
Ein gewisses Grundwissen also kann nicht schaden, wenn Wiesen, Wald und Büsche als Garten der Natur dienen. Hier im Park darf ohnehin nicht geerntet, sondern ausschließlich geguckt, gefühlt oder geschnuppert werden. Das hat Daniela Wolff schon bei der Begrüßung am Treffpunkt an der hinteren Treppe des Jenisch-Hauses gesagt.
Da sie keine große Werbung für ihre grünen Touren macht, von Mundpropaganda lebt und bestenfalls Handzettel auslegt, ist jeder Termin ein kleines Glücksspiel. Steht die Sonne Pate, kommen oft mehr als 20 Weggefährten nach Othmarschen; bei Schietwetter sind es vielleicht nur eine Handvoll. Kinder dürfen kostenfrei mitlaufen, Erwachsene stecken ihren Obolus von neun Euro am Ziel in einen "Klingelbeutel". Kontrolliert wird das nicht. Wer die Gäste mit ihrer Kompetenz so beeindruckt wie diese kundige Kräuterkennerin, kann zu Recht auf Vertrauen bauen.
Denn bereits nach den ersten von insgesamt 90 Minuten ist auch dem unkundigen Novizen klar: Diese Frau ist mit Leib und Seele dabei. Zwischendurch berichtet sie von ihrem Werdegang: von der Gärtnerstochter aus Jever in Friesland bis zur Heilpraktikerin und anerkannten Kräuterexpertin. Seit 1998 unterrichtet sie Pflanzenheilkunde, unter anderem an Heilpraktikerschulen. Schwerpunkt: heimische Pflanzen, von ihr "alltägliche Wegesrandbewohner" genannt. Unkraut ist ihre Leidenschaft.
"Die Pflanzen sind mir stets gute, starke Gefährten", sagt sie, "und ich habe ein tiefes Vertrauen in ihre heilende Kraft." Das Interesse wuchs, als die junge Frau chronisch unter Blasen- und Nierenproblemen litt und mithilfe von Kräutern (z. B. Goldrute) geheilt wurde. Seit dem 23. Lebensjahr erteilt Daniela Wolff unter anderem Volkshochschulkurse; seit fünf Jahren veranstaltet sie die Kräuterwanderungen durch den Jenischpark. Manchmal nimmt sie Parks, Wälder und Wiesen an der Außenalster, in Blankenese oder im Botanischen Garten ins Programm auf. "Der Jenischpark ist der Ort, der mir am meisten ans Herz gewachsen ist", erzählt sie. "Jeden Tag bin ich dort." Wegen der besonderen Stimmung, der relativen Ruhe und wegen der immer wieder erstaunlichen Vielfalt an allen möglichen Kräutern. Ein Paradies für Entdecker.
Welches auch mal Enttäuschungen beschwert: Eine Wiese, auf der jüngst noch ein grünes Potpourri gedieh, ist abgemäht. Bärlauch ist im Herbst natürlich nicht mehr zu sehen. Dafür wachsen ein Stück weiter sogar Indisches Springkraut, Beifuß, Baldrian und Engelwurz. Eine Frage folgt der nächsten, sodass der Zeitplan ins Wanken gerät. Auch die fünf Männer in der Runde, der wahrlich nicht nur Ökofreaks angehören, zeigen zunehmend Neugierde. Einer preist Löwenzahnsalat und Spitzwegerichsuppe. "Ich esse oft von der Wiese", ergänzt Kräuterfrau Daniela. Ihr Kraftgetränk, der "Grüne Smoothie", besteht aus diversen Pflanzen, Beeren und einer Banane. Gut gemixt muss es sein. Auch die Gemeine Schafgarbe, Achillea millefolium, schmeckt im Omelett angeblich ausgezeichnet.
"Ran ans Büffet!", ruft die Führerin auf einer üppig grünen Wiese. Spitzwegerich, Hopfen und Frauenmantel sprießen lustvoll. Eine fröhliche Dame mit Rucksack gibt ein verführerisches Privatrezept preis: Spitzwegerich, in Honig eingelegt. Fast alle Teilnehmer sind mittlerweile per Du. Zwischen Anfang 20 und Ende 60 sind viele Jahrgänge vertreten. Es macht Spaß, mit dieser wissensdurstigen und vitalen Crew durchs Grün zu gehen.
Doch nach gut 90 Minuten ist Schluss mit lehrreich. Daniela Wolff verteilt Zettel mit Rezepten für selbst gemachte Kräutertees, erwähnt die enorme "Power" der Brennnessel ("Damit könnt ihr Marathon laufen!"), fachsimpelt noch ein wenig und sagt dann: "Tschüs!"
Der Weg zum Parkausgang wird unter neuer Perspektive angetreten: Mal sehen, welche Überraschungen am Wegesrand lauern. Der nun schon ein bisschen kundigere Blick schweift über eine ganz normale Wiese. Junge Schafgarbensprösslinge wachsen dort. "Augenbraue der Venus" heißen sie. Passt genau. Direkt daneben wuchert Hopfen. Er wird ignoriert - in diesem Moment, aber auch später abends in flüssiger Form. Mann hat ja dazugelernt ...
Kontakt zu Daniela Wolff im Internet unter: www.beifussfrau.de
Die nächsten Kräuterwanderungen im Jenischpark: Montag, 12. September (18 Uhr) Dienstag, 27. September (10 Uhr) Montag, 3. Oktober (15 Uhr)