Im zweiten Teil der großen Serie: Flugzeuge statt Zeppeline, Gründung der Lufthansa und warum auf Fuhlsbüttel keine Bomben fielen.
Mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs wurde Fuhlsbüttel zum militärischen Sperrgebiet erklärt. Bewaffnete Posten riegelten das Flugfeld hermetisch ab. Ein hoher Bretterzaun ums Gelände sollte neugierige Blicke - von feindlichen Spionen - auf die Fliegerschule für Militärpiloten verhindern.
1916 vernichtete ein Großfeuer die Luftschiffhalle. Sie wurde zwar wieder aufgebaut, aber das Militär kündigte den Mietvertrag - und so war das Kapitel Luftschifffahrt in Hamburg bereits 20 Jahre vor der Katastrophe von Lakehurst abgeschlossen.
Nach der Kapitulation des Deutschen Reiches im Jahre 1918 stand die Fliegerei vor ihrem vorzeitigen Ende: Auf Befehl der Siegermächte wurde der Großteil der intakten deutschen Luftflotte ins Ausland geschafft. Den deutschen Flugzeugfabriken wurde die Produktion verboten. Auch die Hallen und Werkstätten der Hanseatischen Flugzeugwerke wurden bis auf die Luftschiffhalle abgerissen, die meisten Maschinen demontiert und verbrannt. Anfang des Jahres 1919 bot Fuhlsbüttel ein trostloses Bild der Zerstörung.
Doch am 5. Februar 1919 nahm die neu gegründete Deutsche Luft Reederei (DLR) mit umgebauten Militärmaschinen einen planmäßigen Linienverkehr zwischen Berlin und Weimar, Sitz der Nationalversammlung, auf. Dick vermummt, mit Lederkappe und Fliegerbrille, hockten die Passagiere zwei Stunden lang auf einem schmalen Brett hinter dem Piloten im eiskalten Wind, eingezwängt zwischen Postsäcken; für 450 Reichsmark, hin und zurück für 700 Mark; eine damals astronomisch hohe Summe. Ein Merkblatt machte die Passagiere darauf aufmerksam, dass man "die Geschwindigkeit des Fluges feststellen könnte, indem man den Arm in die freie Luftströmung hielte".
Ab dem 1. März 1919 bot die DLR dann ihre zweite regelmäßige Verbindung zwischen Berlin und Hamburg an. Doch Fuhlsbüttel war ein Trümmerfeld, das Flugfeld selbst matschig und voller Unebenheiten, was den ehemaligen Militärpiloten und ihren Passagieren bei den Starts und Landungen jedes Mal eine gehörige Portion Mut abverlangte. Schneid benötigte man auch in der Luft, denn es wurde nur auf Sicht geflogen, immer an den Eisenbahnlinien entlang.
Im ersten Betriebsjahr wurden zwischen Hamburg und Berlin 233 Passagiere unfallfrei befördert - ein holperiger Start, jedoch auch der Anfang einer überaus rasanten Entwicklung.
In Europa begannen die Menschen, immer mehr Vertrauen zum Luftverkehr zu gewinnen. Ab 1. September 1919 war Fuhlsbüttel Etappenziel für die erste internationale Flugverbindung, den "Europa-Nordwestflug", der von Malmö über Kopenhagen, Hamburg, Bremen und Amsterdam nach London führte und von der niederländischen Luftgesellschaft (KLM) betrieben wurde. Rekorde wie der Nonstop-Flug einer "Farman Goliath" in 18 Stunden und 23 Minuten von Paris nach Casablanca bewiesen, zu welchen Leistungen die Flugzeuge fähig waren.
1921 hatte die Stadt kräftig in die Instandsetzung des Fuhlsbütteler Flugfeldes investiert. Die Zahl der planmäßigen Flugbewegungen stieg 1924 von 5087 (im Jahr zuvor) auf 17 350. Aufgrund so bemerkenswerter Zahlen wurden die Trockenlegung des Flugfeldes und der Ausbau des Hamburger Flughafens - zunächst die Flugzeughallen A und B - rasch vorangetrieben.
Längst gab es regelmäßige nationale Verbindungen nach Bremen, Kiel, Westerland, Hannover, Stettin und Frankfurt sowie internationale Linien nach Kopenhagen, Malmö, Amsterdam und Rotterdam - mit Anschluss nach Stockholm, Paris, Brüssel und London. Gleichzeitig tobte aber ein ruinöser Verdrängungswettbewerb zwischen der "Europa Union" des Professors Hugo Junkers aus Dessau und der Fluggesellschaft Aero-Lloyd, die aus der Fusion der DLR mit mehreren Regionalfluggesellschaften hervorgegangen war. Beide Fluglinien erhielten aber staatliche Subventionen. Daraufhin zwang die Reichsregierung die beiden Gesellschaften zur Fusion: Am 6. Januar 1926 wurde im Berliner Hotel Kaiserhof die Deutsche Luft Hansa AG gegründet, die sich nun dem internationalen Wettbewerb stellen sollte.
Drei Jahre später, am 1. September 1929, weihte Hamburgs Erster Bürgermeister Carl Wilhelm Petersen in Fuhlsbüttel das neue Abfertigungsgebäude ein. Der Entwurf der Architekten Dyrssen und Averhoff sollte das Bild des Hamburger Flughafens noch bis in die 1990er-Jahre hinein prägen. Auf den Aussichtsterrassen und in den beiden "Zuschauergärten" fanden 35 000 Zuschauer Platz. Durch die leicht geschwungene Front des Backsteinbaus hatte man aus allen Fenstern des Gebäudes einen guten Überblick über das gesamte Vorfeld.
Ab den 1930er-Jahren war Hamburg in ein breit gefächertes nationales und internationales Netz von Fluglinien eingebunden. Von hier aus konnten in den Sommermonaten 80 Städte angeflogen werden. Von den täglichen rund 30 Starts und Landungen entfiel dabei etwa die Hälfte auf Auslandsverbindungen. Doch ab dem 28. August 1939, vier Tage vor dem deutschen Überfall auf Polen, wurde der Flughafen Fuhlsbüttel zum zweiten Mal nach 1914 für den zivilen Luftverkehr geschlossen. Und obwohl die Stadt ab 1940 in die "Helle Nachtjagd" ("Kammhuber-Linie") eingebunden war, fiel auch während des gesamten Krieges keine einzige Bombe auf den Flughafen - vielleicht, weil weder Jagd- noch Bomberstaffeln stationiert waren? Binnen kurzer Zeit wuchsen Birken- und Tannenwäldchen auf dem Flugfeld. Die Gebäude verschwanden unter riesigen Netzen und geflochtenen Matten in Tarnfarben. Mehr ist nicht bekannt, da alle Unterlagen aus den Jahren 1939 bis 1945 bei Kriegsende verbrannt wurden.
Morgen lesen Sie Teil 3: Ab 1945 steht der Hamburger Flughafen unter englischer Verwaltung. Die Berliner Luftbrücke bringt den Ausbau des Flughafens in Fuhlsbüttel voran, und der Neustart der Lufthansa beginnt ebenfalls an der Elbe.