Er hatte einen besonderen Blick für den Alltag, für das Beiläufige, das er oft als das Typische erkannte. Die Straßenszene, die Erich Andres in den...

Er hatte einen besonderen Blick für den Alltag, für das Beiläufige, das er oft als das Typische erkannte. Die Straßenszene, die Erich Andres in den späten 20er- und frühen 30er-Jahren des 20. Jahrhunderts in Hamburg fotografierte, erzählen die Geschichte dieser Zeit, indem sie die Schicksale der Menschen sichtbar und vorstellbar machen. Als die Weltwirtschaftskrise begann, lebte Andres erst sechs Jahre in Hamburg. 1905 in Leipzig geboren, hatte er eine Schriftsetzerlehre absolviert, aber schon als Jugendlicher autodidaktisch fotografiert.

Die Kamera hatte er stets bei sich, auch als er 1927/28 ausgedehnte Reisen durch Südeuropa unternahm. Nach seiner Rückkehr entdeckte er das Thema "Hamburg und seine Bewohner" für sich. Dass seine Reportagefotografien, die er nun in der "Berliner Illustrierten Zeitung" und anderen Blättern veröffentlichte, sozialkritisch wirken, war kein Zufall, sondern Ausdruck dieser Zeit. Andres berichtete 1936 von den Olympischen Spielen und nahm als Bildjournalist am Spanischen Bürgerkrieg teil - auf der Seite der Frankisten. 1939 wurde er eingezogen und einer Propagandakompanie der Luftwaffe zugeteilt. Während eines Fronturlaubs fotografierte er heimlich das zerbombte Hamburg und die Not der Menschen, die hier lebten. Weil er häufig eine Leiter bei sich führte, um von einem erhöhten Standpunkt aus zu fotografieren, wurde Erich Andres gern "der Mann mit der Leiter" genannt. 1992 starb der Fotograf im Alter von 86 Jahren in Hamburg.