Hamburg. Siedlung in Bahrenfeld soll durch Neubauten ersetzt werden. Soziale Erhaltungsverordnung erschwert Pläne. Das könnte sich nun ändern.

In einen möglichen Abriss und Neubau von 162 Wohnungen in der Wohnanlage Am Luthergrund in Hamburg-Bahrenfeld kommt Bewegung. Wie berichtet, war bislang unklar, ob die Pläne des Altonaer Spar- und Bauvereins (Altoba) auch umsetzbar sind, da sich das Backstein-Ensemble in einem Gebiet mit Sozialer Erhaltungsverordnung befindet. Diese soll der möglichen Verdrängung von Mieterinnen und Mietern entgegenwirken und günstigen Wohnraum sichern.

Einige der alteingesessenen Bewohnerinnen und Bewohner – viele leben seit Jahrzehnten hier – hatten das Vorhaben heftig kritisiert. Sie befürchten höhere Mieten und jahrelange Baumaßnahmen.

Wohnen in Hamburg: Neue Verordnung könnte Abriss und Neubau möglich machen

Eine Schriftliche Kleine Anfrage (SKA) der Linksfraktion im Bezirk Altona hat nun hervorgebracht, dass der Bezirk offenbar voranschreitet und neue Pläne hat, die in Hamburg in dieser Form bislang einzigartig sind. So heißt es in der SKA: „Das Bezirksamt Altona beabsichtigt, vorbehaltlich der Zustimmung der politischen Gremien, das Verfahren für eine Umstrukturierungsverordnung einzuleiten“.

Doch was ist eine Umstrukturierungsverordnung? Und wie verhält sich diese zur Sozialen Erhaltungsverordnung? Laut Mike Schlink, Sprecher des Bezirksamts Altona, könne zwar auch innerhalb der Sozialen Erhaltungsverordnung in einem kleinen Rahmen saniert oder neu gebaut werden. Aber: „Beim Luthergrund handelt es sich um ein komplexes und größeres Bauvorhaben mit mehreren Hundert Wohneinheiten. Und um auch in einem solchen Fall den Wohnungsbestand beziehungsweise die vorhandenen sozialen Strukturen zu sichern, hat der Gesetzgeber die sogenannte Umstrukturierungsverordnung vorgesehen“, so Schlink weiter.

Abriss und Neubau in Bahrenfeld? Viele Details sind noch in der Prüfung

An diese Verordnung sei auch ein Sozialplan geknüpft, der dazu dienen soll, die Auswirkungen der Baumaßnahmen abzuschätzen und den Ablauf sozialverträglich vorzubereiten. Konkrete Beispiele gibt es bisher nicht. Schlink betont: „Die genaue Ausgestaltung des Prozesses mit Sozialer Erhaltungsverordnung und Umstrukturierungsverordnung befindet sich noch in der Prüfung.“

Für die Linken aus Altona, die dem geplanten Abriss kritisch gegenüberstehen und die eine Sanierung im Bestand vorziehen, ist die Umstrukturierungsverordnung nichts anderes als ein „juristischer Trick“. Laut Karsten Strasser, Fraktionsvorsitzender der Linken, würde die Soziale Erhaltungsverordnung für das Gebiet der Wohnanlage Luthergrund durch die neue Verordnung so modifiziert werden, dass der geplante Abriss der Mietshäuser rechtssicher genehmigt werden könne. Die neue Verordnung mache seiner Meinung nach den Weg für den Abriss überhaupt erst frei.

Wohnanlage in Bahrenfeld – Linke: „Abriss wäre aktuell nicht genehmigungsfähig“

Denn: „Die aktuell hohen rechtlichen Hürden der Sozialen Erhaltungsverordnung für die Erteilung von Abrissgenehmigungen werden aufgeweicht. Nach den zurzeit geltenden Regeln muss der Eigentümer unter anderem aufwendig nachweisen, dass eine Modernisierung im Bestand wirtschaftlich nicht darstellbar ist. Das würde bei der Umstrukturierungsverordnung, die an weniger Bedingungen geknüpft ist, wegfallen“, so Strasser. Demnach werde die Soziale Erhaltungsverordnung „faktisch außer Kraft gesetzt“.

Nach aktuell geltender Rechtslage wäre der geplante Abriss und Neubau der Genossenschaftssiedlung seiner Ansicht nach nicht genehmigungsfähig. „Und das ist auch folgerichtig, denn Sinn einer Sozialen Erhaltungsverordnung ist es ja gerade, die mit einem Abriss drohende Vernichtung bezahlbarer Mietwohnungen zu unterbinden und jahrzehntelang gewachsene Nachbarschaften zu schützen“, so Strasser.

Er stellt klar: Die Schutzwirkung der Sozialen Erhaltungsverordnung darf nicht durchlöchert werden, sobald sie Investoreninteressen im Wege steht. Die Interessen der Mieterinnen und Mieter in einem völlig außer Kontrolle geratenen Hamburger Wohnungsmarkt müssen auch in Zukunft wirkungsvoll geschützt werden.“

Hamburg: Viele Wohnsiedlungen entsprechen heutigen Standards nicht mehr

Anders bewertet es Christian Trede von den Grünen in Altona. Seiner Meinung nach bietet die Umstrukturierungsverordnung grundsätzlich durchaus Vorteile. „Es gibt über die ganze Stadt verteilt etliche Wohnanlagen, die so sehr in die Jahre gekommen sind, dass sie heute keinen Standards mehr entsprechen und die in Gebieten der Sozialen Erhaltungsverordnung liegen.“

Hier seien bisher selbst sinnvolle Abriss- und Neubaupläne kaum umsetzbar, da es für den Eigentümer in der Regel schwer nachweisbar ist, dass Sanierung und Modernisierung nicht wirtschaftlich wären und dass der Schutz der Mieter und Mieterinnen gewährleistet werden kann. „Gerade für solche Fälle ist es ein Mittel, das wir uns genau ansehen sollten und in Altona voranschreiten werden“, so Trede.

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Wohnen in Hamburg: Nach Sommerpause soll Verfahren eingeleitet werden

Laut SKA soll das Vorhaben in den kommenden Wochen konkreter werden. „Nach der Sommerpause 2024 soll mit der Zustimmung der Politik und in Zusammenarbeit mit der Eigentümerin das Verfahren für eine Umstrukturierungsverordnung eingeleitet werden“, heißt es. Die erforderlichen Schritte und Regelungsinhalte sowie der zeitliche Ablauf würden zurzeit geprüft, abgestimmt und zeitnah im Stadtentwicklungsausschuss vorgestellt werden.

Die Altoba hatte in der Vergangenheit betont, dass jedem jetzigen Bewohner ein Angebot für eine Neubauwohnung gemacht werde und dass die „Nutzungsgebühr“ so gestaltet sei, dass sich Genossenschaftsmitglieder das Wohnen auch künftig leisten können.