Hamburg. Genossenschaft will Siedlung Luthergrund abreißen und neu bauen. Sie sieht nur Vorteile für die Mieter – ein Bezirkspolitiker nicht.

Rotklinkerbauten mit 162 Wohnungen umgeben von Bäumen, ein Waschhaus als gemeinschaftlicher Treffpunkt: Die Wohnsiedlung Luthergrund in Hamburg-Bahrenfeld ist mehr als nur ein Ort zum Wohnen. Vor mehr als 50 Jahren haben die ersten Mieterinnen und Mieter hier ihre Wohnungen bezogen. Jetzt gilt die Anlage rund um den Luthergrund (1–9, 2–20) und die Schmalkaldener Straße (1–9) laut Eigentümer als stark sanierungsbedürftig.

Da die Bausubstanz aus den 1960er-Jahren stammt und Mängel auftreten, plant der Altonaer Bau- und Sparverein (Altoba), die zehn Wohnblöcke sukzessive zurückzubauen und durch Neubauten zu ersetzen. 2021 wurden die Pläne erstmals vorgestellt. Mittlerweile hatte sich bei den Anwohnern herumgesprochen, dass die Wohnungsbaugenossenschaft diese wegen gestiegener Baukosten nicht mehr verfolge. Deswegen ist die Bezirksfraktion der Linken in Altona mit einer Kleinen Anfrage an das Bezirksamt aktiv geworden, um den aktuellen Stand zu erfahren. Die Antworten der Behörde zeichnen jedoch ein anderes Bild.

Immobilien Hamburg: 162 Wohnungen in Bahrenfeld – Abrissantrag noch 2024

Rückblick: Mitte Oktober 2023 informierte der Eigentümer die Bewohnerinnen und Bewohner der Siedlung Luthergrund schriftlich über die Abriss- und Neubaupläne. Darin geplant: ein barrierefreier Neubau auf der Parkplatzfläche. Damit sollte frühstens Mitte 2025 begonnen, ab 2026 dann die Bestandsgebäude in den Straßen Luthergrund 1 bis 4 und Schmalkaldener Straße 1 bis 9 abgerissen werden.

Unklar war zu diesem Zeitpunkt noch, ob das Vorhaben auch tatsächlich durchgeführt werden kann. So befindet sich die Siedlung in einem Gebiet der Sozialen Erhaltungsverordnung, die dafür sorgt, dass sozialer Zusammenhalt und bezahlbarer Wohnraum geschützt werden. „Diese lässt nur im Ausnahmefall Abriss von Bestandsgebäuden im Geltungsbereich zu“, sagt Karsten Strasser.

Aus der Antwort des Amtes auf die Kleine Anfrage geht nun hervor: Das Projekt soll trotzdem realisiert werden. „Es wird innerhalb dieses Jahres mit der Einreichung eines Bau- und eines Abrissantrages gerechnet,, heißt es vonseiten des Bezirksamts. Auch Altoba-Sprecherin Silke Kok sagt: „Der Bauantrag für den ersten Neubau und die Abbruchgenehmigung für den Rückbau der ersten Gebäuderiegel sind in Vorbereitung.“

Linke in Altona: „Soziale Erhaltungsverordnung wird zu zahnlosem Papiertiger“

Parallel habe die Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen (BSW) eine Studie beauftragt, „um die geltenden Genehmigungskriterien in Sozialen Erhaltungsgebieten weiterzuentwickeln“. Laut BSW-Sprecher André Stark ging es dabei um die Frage, ob und unter welchen Bedingungen Abriss und Neubau ermöglicht werden könne, ohne die bestehende Bevölkerung zu verdrängen.

Linken-Fraktionsvorsitzender Strasser kritisiert das Vorgehen: „Man schaut, wie man die Soziale Erhaltungsverordnung aufweicht.“ Wenn eine Anpassung erfolge, könne Altoba auf Basis der neuen Rechtslage seinen Bau- und Abrissantrag stellen. „Unsere Sorge ist, dass die Soziale Erhaltungsverordnung zu einem zahnlosen Papiertiger wird.“

Die BSW hält dagegen: „Das Gegenteil trifft zu. Gerade durch die Soziale Erhaltungsverordnung ist es möglich, planerisch so weit Einfluss zu nehmen, damit günstiger Wohnraum entsteht und gleichzeitig die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung erhalten bleibt.“

Immobilien Hamburg: Mietpreise können nicht eingefroren werden

Viele Bestandsmieter, gerade Rentner, seien auf den sozialen Zusammenhalt und niedrige Mieten angewiesen, sagt Strasser. Die Mieten seien je nach Einzugszeitpunkt sehr unterschiedlich, liegen laut Altoba zwischen 7,62 und 8,27 Euro pro Quadratmeter. Die Wohnungsbaugenossenschaft verspricht: „Wir werden jedem/r der jetzigen Bewohnerinnen und Bewohnern ein Angebot für eine Neubauwohnung machen und die Nutzungsgebühr so gestalten, dass sich diese Mitglieder das Wohnen im Luthergrund auch künftig leisten können.“

„Ein Teil der Neubauwohnungen wird als öffentlich geförderter Wohnraum erstellt – mit den entsprechend niedrigen Nutzungsgebühren“, betont Unternehmenssprecherin Kok. Ein Einfrieren des Mietpreises für eine Wohnanlage sei nicht möglich, da auch künftig Investitionen in die Gebäude zu tätigen seien. „Zusätzlich werden unsere Mitglieder im Neubau unter anderem von einer deutlichen Reduktion ihrer Energieverbräuche profitieren.“

Wohnsiedlung Luthergrund: Neue Immobilien nicht vor 2026 fertig

Seit Oktober vergangenen Jahres wurden die Bewohnerinnen und Bewohner nicht mehr informiert. Das erklärt Sprecherin Kok damit, dass noch keine Genehmigung vorliege und es entsprechend noch keinen verlässlichen Zeitplan gebe. Der Altoba rechne mit der Fertigstellung des ersten neuen Gebäudes und den ersten Umzügen der Mieterinnen und Mieter nicht vor Ende 2026.

„Wir sind uns bewusst, dass die lange Phase der Ungewissheit über die konkrete Ausgestaltung und die Zeitplanung der Baumaßnahme für viele Bewohnerinnen und Bewohner eine große Belastung darstellt“, sagt die Altoba-Sprecherin. Mitglieder werde man deshalb in Zukunft frühzeitig und transparent über Ideen für die Wohnanlage informieren.

Bewohner fürchten Vertreibung – „Gegenteil ist geplant“

Vor zwei Jahren fürchteten die Mieterinnen und Mieter eine Vertreibung aus ihren Wohnungen. „Auch heute haben einige das Gefühl, dass ihnen etwas genommen wird, die Lebensgrundlage, die sie seit vielen Jahren aufgebaut haben“, so Bezirkspolitiker Strasser. Doch genau das Gegenteil sei geplant, so Altoba-Sprecherin Kok.

Vor allem den älteren Bewohnern wolle man auch künftig ermöglichen, in ihrer gewohnten Nachbarschaft zu leben – und das in barrierefreien Neubauwohnungen. Beim Umzug unterstütze die Genossenschaft ihre Mitglieder.

Hamburg-Bahrenfeld: Siedlung Luthergrund ist Thema in Bezirksversammlung

Auch in der Bezirksversammlung am 30. Mai war die Siedlung Thema. Denn wegen der überraschenden Antworten auf die Kleine Anfrage bat die Fraktion das Bezirksamt in einem dringlichen Antrag unter anderem, Genehmigungskriterien für den Rückbau von Bestandsgebäuden unverändert beizubehalten. Doch dieser Antrag wurde größtenteils abgelehnt.

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Lediglich ein Punkt wurde einstimmig beschlossen: Die Politik erhält Akteneinsicht in die Gutachten, die die Genossenschaft zur Ökobilanz, Kostenermittlung und bezüglich der Abwägung „Modernisierung oder Neubau?“ beim Bezirksamt eingereicht hat. Fraktionsvorsitzender Strasser rechnet damit in der aktuellen Woche.