Hamburg. Streit um Umbau der Reventlowstraße wird zur Zerreißprobe. Verwaltung will weitermachen, trotz gegenteiliger Mehrheit. Die Gründe.

Erstaunt und frustriert oder begeistert und mitgerissen hörten am Donnerstagabend die zahlreich erschienenen Betroffenen zu, während Stefanie von Berg (Grüne) als Bezirksamtschefin aus Altona sich erklärte. Es ging einmal mehr um den umstrittenen Umbau der Reventlowstraße, der im April starten sollte.

Wie berichtet, hatte eine politische Mehrheit nach großem Protest für eine Aussetzung der Baumaßnahme in Othmarschen gestimmt. Warum das aber nun nicht bedeutet, dass es auch so kommt, versuchte von Berg aufgeregten Teilnehmern – darunter zahlreiche Händler aus der nahe gelegenen Waitzstraße – im Hauptausschuss zu verdeutlichen. Mit mäßigem Erfolg.

Altonas Bezirksamtschefin von Berg kann Entscheidung der Politik nicht nachvollziehen

Rund 150 Bürger waren ins Rathaus an diesem Abend geeilt. Anhänger beider Lager verfolgten den Schlagabtausch zwischen der Bezirksverwaltung und den Grünen auf der einen Seite (Pro Umbau jetzt) sowie den Vertretern aller anderen Parteien (SPD, CDU, Linke, FDP und AfD, die geschlossen für eine Verschiebung der Maßnahme gestimmt hatten). Es ging hart zur Sache.

In ihrer Rede erklärte von Berg, dass sie es nicht nachvollziehen könne, warum im Wahlkampf plötzlich ein laues Lüftchen ausreiche, manche zu einer 180-Grad-Wendung zu bewegen. Sie hätte immer so an Altona die politische Standhaftigkeit geschätzt, sogar wenn draußen ein Orkan tobte. „Jetzt soll ich mich erklären, warum ich an der Maßnahme festhalte. Ich frage Sie umgekehrt, warum Sie es plötzlich nicht mehr tun?“, sagte von Berg, die anschließend die lange Entscheidungshistorie zum Umbau der Reventlowstraße vortrug, bei der es keine Einwände der Parteien gegeben habe. Das kam nicht überall gleich gut an.

SPD Altona über Auftritt der Bezirksamtsleiterin: „Damit tragen sie nicht zur Deeskalation bei“

Thomas Adrian, SPD-Fraktionschef und langjähriger Abgeordneter, sagte: „Ich habe noch nie erlebt, dass eine Bezirksamtsleiterin über uns Politiker urteilt. Damit tragen sie nicht zur Deeskalation bei. Der Auftritt gerade war eine reine Belehrung, die verbitte ich mir.“ Der Vorsitzende der CDU in Altona, Sven Hielscher, der zwischenzeitlich sogar die Fassung verlor und laut wurde, fragte die Verwaltungschefin: „Sind Sie die Leiterin des Bezirks Altona oder die Angestellte des Senats?“

Von Berg steht für ihren Auftritt bei der Interessengemeinschaft Waitzstraße in der Kritik, vor allem weil sie dort Aussagen getroffen haben soll, dass sie weiterbauen müsse und werde. Dazu sagte die Bezirksamtschefin: Es sei ihre Aufgabe, einen Kompromiss zu finden und das Gespräch zu suchen.

Steuergeldverschwendung: Bezirksamtschefin sieht sich zum Eingreifen verpflichtet

Denn aus ihrer Sicht bedeute die Verschiebung der Baumaßnahme an diesem Punkt, jede Menge Steuergeld zu verschwenden. „Als ordentliche Verwaltung ist es aber mein Job, das Geld zusammenzuhalten“, betonte von Berg. Eine Million Euro seien bereits in die Planung geflossen. Geld, das bei einer Verschiebung des Umbaus ins nächste mögliche Zeitfenster 2031 größtenteils weg wäre. Zudem gebe es einen Senatsbeschluss, die Velorouten umzusetzen.

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Zu Erinnerung, darum geht es: Die Reventlowstraße soll von März an auf einem rund 700 Meter langen Teilstück umgestaltet werden. Für geschätzte 4,5 Millionen Euro wird der Abschnitt zwischen Jungmannstraße und Klein Flottbeker Weg als Teil der Veloroute 1 fahrradfreundlicher und barriereärmer.

Die Arbeiten an der wichtigen Verkehrsachse, die extra in eine Baupause auf der Elbchaussee gelegt wurden, gehen mit monatelangen Sperrungen einher. Genau davor fürchten sich die Gewerbetreibenden in der Waitzstraße, die Umsatzeinbußen erwarten, und davor fürchten sich viele Anwohner, die keine weitere Baustelle ertragen.

Grüne Altona: „Das ist ein Angriff auf unsere Zusammenarbeit“

„Die Unzufriedenheit in den Stadtteilen ist groß, und das ist eine Baustelle zu viel“, erklärte Linken-Chef Karsten Strasser, warum man von dieser Baumaßnahme zu diesem Zeitpunkt abrücke. Gesche Boehlich, Fraktionschefin der Grünen, hatte für das plötzliche Abwenden aller anderen Parteien kein Verständnis: „Das ist ein Angriff auf unsere Zusammenarbeit“, sagte sie. In 25 Jahren habe sie nie nicht erlebt, dass in einem so späten Planungsstadium eine einst getroffene Entscheidung gekippt werde. „Wie wollen wir in Zukunft so miteinander umgehen?“, wollte sie wissen und warnte: „Das geht nicht, wir haben so viel Politikverdrossenheit, die Menschen müssen sich auf Entscheidungen verlassen können.“

„Es geht um das Überleben der Waitzstraße als Handelszentrum und für viele Menschen um die Erreichbarkeit ihrer Gesundheitsdienstleister“, stellt Sven Hielscher, Vorsitzender der CDU-Fraktion Altona klar. Sven Hielscher weiter: „Es ist nicht hinnehmbar, dass die Verwaltung den Willen der politischen Vertreter ignoriert. Schließlich kontrolliert in unserem demokratischen Rechtsstaat die Politik die Verwaltung und nicht umgekehrt.“

Verlässlich ist vor allem eins: Das Thema bleibt aktuell. Am Donnerstag, 29. Februar, muss nun die Bezirksversammlung noch einmal darüber abstimmen. Und dann bleibt die Frage, in welcher Form die Verwaltungschefin dann juristisch begründet, warum sie wie angekündigt die Entscheidung nicht umsetzen will.