Hamburg. Politiker streiten verbissen um Umbau der Reventlowstraße zur Veloroute. Entscheidung knapper als erwartet. Fall spaltet Altona.

Wer kurz Hoffnung gehegt hatte, es könnte an diesem Donnerstagabend noch zu einem Kompromiss oder etwa versöhnlichen Tönen im Streit um eine geplante Baustelle in Othmarschen kommen, der wurde mehr als enttäuscht.

Wenn es um die Verschiebung des Umbaus von 700 Metern in der Reventlowstraße nahe der Waitzstraße geht, dann gibt es in der Diskussion in Altona kein Halten mehr. Die Fronten sind verhärtet – und das in alle Richtungen.

Altona: Politische Mehrheit für einen Baustellen-Stopp in der Reventlowstraße

Die Bezirksversammlung am Donnerstag, 29. Februar, die mehr als 100 Besucher im Rathaus Altona und bis zu 200 Personen im Livestream mitverfolgten, zeigte deutlich: Es geht hier schon lange um mehr als um 700 Meter. Es geht um recht haben und recht bekommen, und es geht um die weitere Zusammenarbeit zwischen Politik und Bezirksverwaltung. Letzteres wird gerade auf eine harte Probe gestellt.

Die Entscheidung fiel denkbar knapp aus, denn die Linken überraschten mit einem Alternativvorschlag als Kompromissversuch, der keine Mehrheit fand. Am Ende stimmten SPD, CDU, FDP, der parteilose Bernau sowie zwei Linke für einen Baustellen-Stopp in der Reventlowstraße – gegen Stimmen der Grünen. Was allerdings nicht heißt, dass jetzt auch gestoppt wird.

Othmarschen: Reventlowstraße soll für 4,5 Millionen Euro ab März umgebaut werden

Als Teil der Veloroute 1 soll die Reventlowstraße auf dem Abschnitt zwischen Jungmannstraße und Klein Flottbeker Weg umgebaut werden. Die rund 700 Meter sollen fahrradfreundlicher, barrierearmer werden und der Umbau zur Busbeschleunigung beitragen. Kosten: 4,5 Millionen Euro. All das sollte Anfang April losgehen und wäre mit monatelangen Sperrungen einhergegangen.

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Wie berichtet, hatten sich Händler der Waitzstraße sowie viele Anwohner aus dem Wohngebiet vehement für die Verschiebung der Baustelle eingesetzt. Der ADFC hatte sich wiederum für den sofortigen Bau starkgemacht und zur Demo aufgerufen.

Bezirk Altona kündigt unverzüglichen Bau trotz politischen Beschlusses an

Doch wie nach der mehrheitlichen Entscheidung im Verkehrsausschuss vor zwei Wochen erneuerte die Bezirksverwaltung ihre Ankündigung, dass man sich nicht an die politische Entscheidung auch im höchsten Gremium in Altona halten werde: „Wir setzen die Baumaßnahme um“, erklärte Christoph Brümmer, der die sich im Urlaub befindende Bezirksamtsleiterin Stefanie von Berg (Grüne) am Donnerstag vertrat. Brümmer setzte im Namen der Bezirksverwaltung sogar noch eins drauf.

Er teilte mit, dass man auch die von Teilen der Politik angekündigte juristische Überprüfung dieser Verwaltungsentscheidung nicht abwarte: „Wir werden mit vorbereitenden Maßnahmen jetzt beginnen.“ Dabei stützt sich das Amt auf das Haushaltsrecht (Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit) und einen Senatsbeschluss zum Bau von Velorouten. Hauptargument: Bei einer Verschiebung der Baustelle würde Steuergeld verschwendet durch bereits gezahlte Planungskosten, die verfielen. Zudem mache man sich schadensersatzpflichtig, weil man finanzielle Verpflichtungen aufgrund der Ausschreibung eingegangen sei.

Schwere Vorwürfe: Politiker entdecken in Akten zum Bauprojekt Ungereimtheiten

Da wiegt der Vorwurf einiger Politiker am Donnerstag schwer, dass die Bezirksverwaltung diese Grundlagen selbst geschaffen haben soll, in dem sie die Ausschreibung der Baumaßnahmen weiter vorantrieb und die Ausschreibungsfrist sogar bewusst verkürzte und auf den 28. Februar vorgezogen haben soll, und somit vor eine bindende Entscheidung in der Bezirksversammlung. Dabei beriefen sich Politiker der SPD, CDU und Linke auf Akteneinsicht, die sie genommen hatten.

Nach der Debatte präzisierte die SPD-Fraktion in einer Pressemitteilung die Vorwürfe gegen die Bezirksamtsleitung weiter, sprach von undemokratischem Verhalten und fordert eine lückenlose Aufklärung der Vorgänge. Neue Erkenntnisse zeigten demnach, dass das Bezirksamt trotz einer eindeutigen anderslautenden Beschlussempfehlung des Verkehrsausschusses vom 5. Februar, die Baumaßnahme aktiv weiter vorangetrieben habe. „Das Vorgehen der Bezirksamtsleitung ist inakzeptabel und ein Affront gegen die demokratischen Prinzipien“, wird Dennis Mielke, für die SPD Mitglied im Verkehrsausschuss, zitiert. „Wir fordern eine umfassende Aufklärung der Vorgänge und eine transparente Darlegung der Entscheidungsprozesse.“

„Bodenlose Frechheit“: SPD-Chef erneuert harte Kritik an Bezirksamtschefin Stefanie von Berg (Grüne)

SPD-Fraktionschef Thomas Adrian hatte in der Bezirksversammlung selbst den Vorgang so kommentiert: „Das müffelt aber gewaltig.“ Überhaupt hatte der SPD-Chef kräftig gegen Stefanie von Berg ausgeteilt.

Ihr Auftritt im Hauptausschuss sei eine bodenlose Frechheit gewesen, kritisierte Adrian die umstrittene Rede, die von Berg gehalten hatte, erneut. „Wir als SPD haben sie in gutem Glauben als Bezirksamtsleiterin gewählt, weil wir dachten, dass sie die in Altona bislang gute Zusammenarbeit zwischen Politik und Bezirksamtsleitung fortführt“, sagte Adrian und prophezeite drohend: „Das, was hier passiert, wird Stefanie von Berg bei der nächsten Wahl auf die Füße fallen.“

Linke Altona spricht von politischem Skandal und fordert Aufklärung

Auch Vertreter der CDU und der Linken sprachen nach der Akteneinsicht von Ungereimtheiten und forderten Aufklärung. Karsten Strasser (Linke) sagte: „Wenn hier der eigene Grund zur Beanstandung geschaffen wurde, dann ist das ein politischer Skandal.“ Deshalb mache die Linke auch durch das Abstimmungsverhalten den Weg frei, damit der Fall jetzt gerichtlich überprüft werde. Die FDP forderte sogar von Stefanie von Berg, sich zu entschuldigen oder andere Konsequenzen zu ziehen.

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Die Grünen bestätigten ihre Haltung in dem Punkt, dass sie an der Baumaßnahme weiterhin festhalten. „Die Baustelle ist eingetaktet und nicht verschiebbar“, sagte Fraktionschefin Gesche Boehlich. Warum überhaupt so erbittert diskutiert werde, verstehe sie nicht. Eine Bezirksamtsleiterin dürfe politische Entscheidungen beanstanden, und das passiere auch in anderen Fällen. Den Händlern in der Waitzstraße riet sie, sich mit den Menschen aus dem Umfeld zusammenzusetzen und über eine Weiterentwicklung der Straße zu reden.

In der beliebten Einkaufsstraße in Groß Flottbek wird in diesen Tagen aber nur ein Thema heiß diskutiert: Die Baustelle in der Reventlowstraße und warum sie vielen hier einfach zu viel ist.